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Freitag, 30. März 2012

(39) Scheidung die Dritte



„Ja. Er war dienstlich jahrelang im Ausland, ist nun ein Meister seines Faches, was alles rund um die DNA betrifft, und genau das werden wir uns zunutze machen“, klärte mich mein Vater auf und hielt vor einer breiten, weißen Tür. „Wir sind da. Dann mal los“.

„Edward? Bist du das? Gott, was für ein stattlicher Mann aus dir geworden ist“, sagte Max mit einem bewundernden Ton in der Stimme, während er aus der anderen Ecke seines Labors auf uns zugestürmt kam. Er streckte mir seinen Arm entgegen, um meine Hand zu schütteln, überlegte es sich aber offensichtlich anders und fiel mir um den Hals.

„Hi, Max“, gluckste ich und klopfte ihm freundschaftlich auf den Rücken.

Er ließ mich los, wich ein kleines Stück zurück und zog eine Augenbraue hoch. „Kein ‚Onkel‘ mehr?‘. Gespielt beleidigt runzelte er die Stirn und grinste über das ganze Gesicht.

„Hi ONKEL Max“, konterte ich nun, betonte das zweite Wort überdeutlich und grinste zurück.

Max lachte eine Weile, und ich bemerkte erst jetzt, wie gut er eigentlich nach wie vor aussah. Er war ein Jahr älter als mein Dad, aber der Schalk saß ihm nach wie vor im Nacken. Maxwell Borrows war schon immer ein Typ, mit dem man Pferde stehlen konnte, der immer und zu jeder Zeit für ein gutes Späßchen aufgelegt war, und deshalb schon des Öfteren Schwierigkeiten bekommen hatte. Aber genau das war der Grund, warum wir ihn so liebten. Ein Scherzkeks der Extraklasse.

„Und wer ist die hübsche Lady?“, fragte er mich und ließ seine Augen über Bella gleiten. Von oben nach unten und wieder zurück. Fuck, war ich nun wirklich auf Max eifersüchtig, oder wie??

„Meine Frau“, kam es aus Dads Mund geschossen, jedoch „Meine Freundin“ aus meinem. Scheiße…

Max‘ Mund klappte auf, und seine Augen huschten zwischen meinem Vater, Bella und mir hin und her. Wir drei sahen uns lediglich an und brachen in schallendes Gelächter aus, was Max wiederum dazu brachte, wortlos den Kopf zu schütteln und sich auf den nächstbesten Stuhl fallen zu lassen.

„Könnt ihr mir mal erklären, was hier vorgeht?“, sagte er vollkommen verwirrt, rieb sich über den Nacken und fixierte meinen Dad.

Dieser erzählte ihm mit wenigen, aber gezielten Worten, was in den letzten Monaten vorgefallen war, Max hörte ihm aufmerksam zu. Mit einem wortlosen Nicken reagierte er auf das Ende unserer verrückten Story und massierte sich die Schläfen. „Ihr seid komplett irre“, nuschelte er etwa eine Minute später, begann dann allerdings, laut zu lachen.

„Bella weiß also nicht, wer von euch beiden der Vater ihres Babys ist, ja?“.

Dad und ich nickten.

„Dann lasst uns mal daran arbeiten, diese Information zu bekommen. Bella?“, er drehte sich nun zu meiner Süßen und schaute ihr ernst ins Gesicht. Sie zuckte ein wenig zusammen, als sie ihren Namen hörte und richtete ihren Blick auf ihn. „Wissen Sie, worum es geht? Haben Sie eine Ahnung davon, was wir nun machen müssen, um die Vaterschaft zu klären?“

„Ja“, sagte sie leise und etwas ängstlich, während sie sich Schutz suchend an meine Seite lehnte, „Mein Gynäkologe, Dr. House, hat mir gesagt, dass das Stadium meiner Schwangerschaft nicht weit genug fortgeschritten ist, um anhand einer Fruchtwasseruntersuchung zu einem eindeutigen Ergebnis zu kommen. Deshalb müssen wir uns für eine Cho … Chon …“, begann sie zu stottern, da sie dieses komische Wort offensichtlich nicht wiedergeben konnte, doch ganz ehrlich, mir ging es ganz gleich. Bella verkrampfte sich leicht und schlang ihre Arme um meinen Bauch. Ich umarmte sie ebenso und lauschte Maxwells Worten.

„Chorionzottenbiopsie“, half ihr Max auf die Sprünge, und Bella nickte. „Ja, das ist richtig. Wie ich sehe, sind Sie sehr gut informiert. Ich werde persönlich diese Punktion über Ihre Bauchdecke durchführen, aber keine Angst, ich hab das in den letzten Jahren tausend Mal gemacht, Sie sind bei mir sicher“, gluckste er, und ich konnte förmlich fühlen, dass sich mein Mädchen wieder entspannte.

„Wissen Sie…“, fuhr er fort und befand sich ab sofort im Doc-Modus, „…wir können auf diese Art und Weise auch sehen, ob ihr Baby gesund ist. Gewisse Behinderungen können mit dieser Untersuchung ausgeschlossen oder …“, er senkte seinen Blick verlegen zum Boden, kratzte sich am Kopf, seufzte und wechselte das Thema. „Auch das Geschlecht des Babys kann anhand dieser Untersuchung bestimmt werden. Möchten Sie wissen, was für einen kleinen Racker Sie mit sich herumtragen?“. Er hielt schmunzelnd inne und schaute Bella fragend an. Dann mich, und letztendlich Dad.

Unsere Augen flogen von einem zum anderen, und dann ging es nur noch um ein Wort. „Nein“, kam es aus drei Mündern wie aus der Pistole geschossen, und wir grinsten uns an.

„In Ordnung“, gluckste Max, „da seid ihr euch wohl einig. Bella, würden Sie mir bitte folgen?“, bat er meine Süße, und sie tat es ohne Wenn und Aber. In ihren Augen funkelte eine mächtige Portion Stolz, ihre anfängliche Unsicherheit war wie weggeblasen. Ich hastete hinterher und wollte unbedingt bei ihr sein, doch sie lächelte mich an und meinte, ich sollte mich ein wenig ausruhen, sie wäre ohnehin bald wieder da.

Fast ein wenig enttäuscht sank ich auf einen Stuhl und akzeptierte einfach ihre Sicht der Dinge, denn irgendwie war ich ja furchtbar stolz auf sie.

Sie schenkte mir einen unheimlich zärtlichen Blick, bevor sie hinter einer weißen Tür verschwand, und in mir tobten Gefühle, die ich mit Worten kaum ausdrücken konnte. Die Gewissheit, dass sie mein Baby unter dem Herzen trug, war so intensiv wie noch nie, und ich wusste ganz genau, dass ich zusammenbrechen würde, wenn sich doch das Gegenteil herausstellen sollte.

„Hey, alles okay mit dir?“, hörte ich plötzlich neben mir und fühlte die Hand meines Vaters an meiner Schulter. Erst da fiel mir auf, dass ich mich vorn über gebeugt hatte und wieder einmal beide Hände in meinem Haar vergraben waren.

Seufzend setzte ich mich auf, ließ die Arme auf meine Schenkel fallen und lächelte ihn unsicher an. „Ja, Dad, alles in Ordnung. Es ist nur …“.

„Du wünschst dir sehr, dass es dein Baby ist, stimmts?“, unterbrach er mich, und ich konnte nichts anderes tun, als wortlos zu nicken. „Ganz ehrlich, Edward, das wünsch ich mir auch“, fuhr er fort und ich sah ihn einfach nur an. „Weißt du, es würde alles viel einfacher machen“. Seufzend schnappte er sich einen Stuhl und nahm neben mir Platz.

„Es hat keinen Sinn, sich schon jetzt den Kopf über das Ergebnis zu zerbrechen. Abgesehen davon müssen wir uns jetzt mal auf die Scheidung konzentrieren. Ihr werdet das doch nicht aufgrund der jüngsten Ereignisse vergessen?“ Jetzt grinste er mir frech ins Gesicht und hatte es damit tatsächlich geschafft, dass ich mich wieder beruhigte.

„Natürlich nicht. Montag, neun Uhr“, erwiderte ich und grinste zurück.

Unmittelbar darauf betrat eine ältere, sehr nette Schwester das Zimmer. Sie entnahm Dad und mir die Speichelprobe, die für den Test nötig war, und ehe ich mich versah, stand Bella wieder vor mir. „Alles erledigt“, sagte sie lächelnd und sank auf meinen Schoß.

„Tapfere, junge Lady“, murmelte Max zufrieden vor sich hin, während er sich die Hände mit einem Papierhandtuch trocknete, es zu einem Kügelchen zusammenknüllte und mit einem gezielten Wurf im Papierkorb versenkte. „Scheiße, ich hätte doch Baseballstar werden sollen“, stellte er fest und lachte über seinen eigenen Scherz. Oh ja, das war Onkel Max, wie er leibt und lebt.

„Also, meine Lieben, ich bin mir sicher, dass ich euch am Montag sagen kann, wer von euch beiden Daddy wird“, sagte er schmunzelnd und schaute zwischen Dad und mir hin und her. „Ist das in Ordnung für euch?“

„Das wird mit Sicherheit ein aufregender Tag“, sagte ich mit einem tiefen Seufzen und lächelte meine Süße an. „Oh ja“, pflichtete sie mir bei. „Vielleicht können wir am Montagabend anständig feiern?“ Dann zwinkerte sie mir zu und hauchte einen Kuss auf meine Lippen.

Wir vereinbarten also, am Montag gleich nach der Scheidung ins Krankenhaus zu kommen, verabschiedeten uns von Max, bedankten uns für die rasche Unterstützung und verließen den Raum.

„Liebe Grüße an Mom“, sagte ich zu meinem Vater, der uns noch bis zum Ausgang begleitete, doch dieser kommentierte diesen Satz mit einem breiten Grinsen.

„Was?!?“ Nun war ich ehrlich verwirrt.

„Deine Mutter und ich … nun ja … wir versuchen es tatsächlich noch einmal mit einander. Sie hat ihr Appartement bereits geräumt und zieht wieder zu mir nach Forks. Ein Umzugsunternehmen erledigt den Rest. Schon morgen werden ihre Habseligkeiten zu mir gebracht“, erzählte er mit stolzgeschwellter Brust und einem unglaublich glücklichen Funkeln in den Augen.

Mein Blick schoss innerhalb einer Sekunde zu Bella, die plötzlich aufkreischte und meinem Vater quietschend um den Hals fiel. Gott, ich wusste, dass ich sie von Alice fernhalten sollte. Also war dieser Kreisch- und Quietschscheiß tatsächlich ansteckend. Ich wusste es…

„Gott, ich freu mich so“, schrie sie beinahe an seinem Hals, während er lachend seine Arme um ihre Hüften schlang, sie hochhob und ein paar Mal im Kreis herum wirbelte. „Danke, Kleines. Ich mich auch“, gab er zurück und stellte sie wieder auf ihre Beine. Taumelnd knallte sie gegen mich, und ich hielt sie fest.

Ja, ich hielt sie fest, so wie ich es bis in alle Ewigkeit tun würde. Ganz egal, was das Ergebnis des Vaterschaftstests bringen würde, sie war meine Bella, und ich würde sie nie wieder los lassen. Nie wieder.

„Herzlichen Glückwunsch“, sagte ich nun lächelnd zu Dad und hielt ihm meine Faust vor die Brust. Er schlug mit seiner grinsend dagegen, hauchte ein zufriedenes „Danke“, und mir fiel der Abend im Pagliacci ein. Wie sehr hatte ich mir damals gewünscht, mich so von meinem Dad verabschieden zu können. Jazz hatte es geschafft, ich nicht. Jetzt war endlich alles so, wie es sein sollte, und wenn die Ungewissheit wegen des Babys nicht wäre, könnte ich so richtig fucking glücklich sein. Gut, das war ich auch so, aber …

„Lass uns gehen, Baby, ich glaub, mein Was-auch-immer hat Hunger“, holte mich meine Süße wieder ins Hier und Jetzt, und ich musste lachen.

„Willst du das Kleine jetzt noch monatelang ‚Was auch immer‘ nennen?“.

„Nein, natürlich nicht, aber mir ist gerade nichts Besseres eingefallen“, lachte sie, drückte meinem Dad noch einen Kuss auf die Wange, wünschte ihm eine nicht allzu anstrengende Nacht und zog mich durch die Tür.



*****




Samstag, 6.10.2009


Kurz nach Mitternacht kamen wir zu Hause an, aber nicht, ohne zuvor an einer kleinen Imbissbude Halt gemacht zu haben. Meine kleine Schwangere hatte so große Lust auf eine Portion Pommes, dass sie so lange herumzickte, bis ich ihren Wunsch erfüllte. Natürlich musste ich noch einmal zurück, da ich den Ketchup vergessen hatte, doch dann war sie glücklich und zufrieden und himmelte jedes einzelne beschissene Kartoffelteil an, bevor sie es seufzend in ihrem süßen Mund verschwinden ließ. Gott, ich liebte diese Frau.



So leise wie möglich steckte ich den Schlüssel ins Schloss, sperrte auf und öffnete noch leiser die Tür, da ich Alice und Jazz nicht wecken wollte, doch als ich sah, was in unserem Appartement vor sich ging, klappte mein Kinn bis zum Boden.

Hier sah es aus, als ob eine Bombe eingeschlagen hätte. Allerdings war es nicht unordentlich oder so Scheiß, sondern etliche Kisten, Schachteln und Plastiktüten blockierten den Weg und machten es fast unmöglich, ohne gröbere Verletzungen ins Wohnzimmer zu gelangen.

„Edward. Bella. Und? Was gibt es Neues?“, keuchte mir Rosalie entgegen und legte sorgfältig mehrere Kleidersäcke über einen großen, schwarzen Koffer.

„Rose!!“, rief meine Süße, stolperte beinahe über eine große Schachtel mit der Aufschrift ‚Dessous‘, und fiel ihrer Freundin um den Hals. Gott, ernsthaft?? Alice konnte mit ihrer Unterwäsche tatsächlich eine ganze Schachtel füllen?? Weiber… (Beta-A/N: *flüster* Und dabei steht Jazz gar nicht so auf Dessous. Er findet nackte Frauen viel heißer, aber das sagen wir Alice nicht, okay?)

Ich schüttelte grinsend den Kopf und folgte meiner Süßen ins Wohnzimmer, wo ich sogleich gegen Emmett knallte, der wohl offensichtlich ebenso als Umzugshelfer fungierte.

„Hey, Alter“, begrüßte ich ihn und boxte freundschaftlich gegen seinen linken Oberarm.

„Mr. Cullen“, nickte er mir grinsend zu und wischte sich ein paar Schweißperlen von der Stirn.

„Sag einmal, was macht ihr denn da? Ihr hattet doch kein einziges Wort über euren Umzug verloren, und jetzt??“, sagte ich total überrascht zu Jazz, der soeben wieder einmal einen auf Vier-Sterne-General machte und irgendeinen Befehl in Richtung Emmett  zischend aus seinem Zimmer kam.

„Tut mir leid, Man, wir wussten selber nichts davon. Alice bekam heute Nachmittag die Freigabe für ihr Appartement. Was auch immer zu klären war, hat sich heute erledigt, und als ich sie am Nachmittag von der Arbeit abholte, liefen wir Rose und Emmett über den Weg. Naja, ein Wort ergab das andere, und die beiden boten ohne Umschweife an, uns zu helfen, und hier sind wir nun. Noch mal vielen Dank, ihr zwei“, sagte er zu Em und Rosalie, die ihm einfach nur zulächelten und gleichzeitig „Kein Problem“ murmelten.

„Was war denn? Erzähl!“, forderte Alice Bella auf, und für einen Moment nahmen wir Platz. Zu sechst fielen wir auf die Couch, und meine Süße erzählte ausführlich, was wir heute erlebt hatten.

Wir Männer genehmigten uns ein Bier, Alice und Rosalie genossen einen Martini, und meine Süße nuckelte lächelnd an einem Glas Wasser.

„Hey Man, ganz ehrlich …“, sagte Em und lächelte mich an, „ … ich denke, du hast einen Treffer versenkt. Ich kann es nicht erklären, aber ich bin mir sicher, dass das dein Baby ist. Ich habs einfach im Urin“. Er zuckte mit den Schultern und strahlte über das ganze Gesicht.

„Vielleicht solltest du mal wieder pissen gehen“, erwiderte Jazz, und alle lachten.

Als wir uns wieder beruhigt hatten, wurde ich jedoch ganz ruhig und bedachte meinen Lieblings-Mechaniker mit einem ersten Blick. „Schön wärs“, sagte ich leise und hauchte meiner Süßen einen Kuss aufs Haar. „Aber ja, seltsam. Ich fühle das auch.“

Die gute Stimmung war im Arsch, und alle Anwesenden schauten mich mitleidig an. „Hey, sei nicht traurig“, flüsterte meine Bella und streichelte zärtlich über meine Wange. „Lass uns nicht zu viel drüber nachdenken. Wir können jetzt ohnehin nichts unternehmen, was uns Gewissheit bringen könnte. Der nächste Montag kommt bestimmt, und dann sehen wir weiter, in Ordnung?“

„Okay, hast ja recht“. Ich zog sie in eine feste Umarmung und genoss einfach ihre Nähe. Sie war es, die ich in erster Linie brauchte, um zu überleben, und sie war es auch, die ich hatte. Ein gemeinsames Baby wäre wirklich das Tüpfelchen auf dem i, und wenn es nicht so sein sollte, würde ich auch einen Weg finden, damit klarzukommen.

„Also los, an die Arbeit. Was ist denn noch zu tun?“, sagte ich rasch, um von der düsteren Stimmung abzulenken und stand auf.




Bis zwei Uhr morgens räumten wir noch herum, verpackten die Habseligkeiten von Alice und Jazz in Kisten, Schachteln, Beuteln und Koffern, und fielen erschöpft wieder auf die Couch.

„Irgendwie finde ich es ja lustig, dass ihr zur gleichen Zeit euren Umzug über die Bühne bringen werdet, wie Mom und Dad“, sagte ich mit einem breiten Grinsen im Gesicht, während ich mich wieder über ein Bier hermachte und den anderen zuprostete.

„Yeah, echt witzig“, erwiderte Jazz und drückte seiner kleinen Hexe einen Kuss aufs Haar. „Ein gutes Omen, oder?“ (Beta-A/N:   Nein, nein, das hab ich gerade nicht gelesen. *in Verdrängungsmodus schalte*)

Alice kicherte, schmiegte sich in Jaspers Arme und stimmte ihm zu. „Auf alle Fälle“, sagte sie, „und ihr zwei könnt nun diesen schönen, großen Raum nutzen, wie ihr es ursprünglich geplant hattet. Als Kinderzimmer“.

Wow, daran hatte ich noch gar nicht gedacht. Der Zeitpunkt für Jaspers und Alices Auszug war wirklich perfekt. Fuck, dabei fiel mir erst auf, dass es nicht einmal eine Woche her war, seit Bella und ich dieses Baby-Gespräch geführt hatten.  Wer hätte gedacht, dass sie zu diesem Zeitpunkt längst schwanger war? Was für eine Ironie des Schicksals, ich musste lachen.

„Und was bitte ist da jetzt so lustig daran?“, wollte Alice wissen, zog eine perfekt gezupfte Augenbraue hoch und legte den Kopf  leicht schief.

Ich erzählte ihr den Grund meines Lachens, und alle fünf stimmten mir ebenso lachend zu. Irgendwie hatte ich unmittelbar darauf den Eindruck, seit Wochen nicht zur Ruhe zu kommen. Immer, wenn ich dachte, ein Problem gelöst zu haben, tauchte das nächste auf. Obwohl sich mein Leben wirklich zum Guten entwickelte, wünschte ich mir so sehr, endlich mal wieder in den Tag hineinleben zu können, ohne ständig irgendwelche Schwierigkeiten oder Ängste mit mir herumtragen zu müssen.

Gegen halb drei verabschiedeten wir uns von einander und versprachen, den Umzug während des Wochenendes zu Ende zu bringen. Ich hatte mich wirklich gefreut, Emmett mal wiederzusehen und obwohl ich wusste, dass ich meine freie Zeit für ungeliebte körperliche Arbeit opfern würde, machte es mir nichts aus. Ich konnte diese Ablenkung ganz gut gebrauchen. (Beta-A/N:   Toll, Alice kannst du beim Umzug helfen, aber bei Elke hattest du keine Zeit, oder was? Schäm dich, Edward! -->  Boah, daran hab ich ja noch gar nicht gedacht. Du hast ja sowas von recht, Hase! Das wird Konsequenzen haben!! *bösguck*)

„Dann bis morgen“, verabschiedete sich Em, korrigierte sich jedoch sofort. „Ähm…nein, bis heute“. Kichernd klopfte er mir eine Spur zu fest auf den Rücken, entlockte mir damit ein tiefes Keuchen, doch hinterher ein amüsiertes Lachen.


Sonntagabend fielen wir vollkommen fertig ins Bett. Obwohl Bella wegen ihrer Schwangerschaft nicht schwer heben sollte, half sie fleißig mit. Sie wuselte herum wie eine emsige Ameise, und wenn ich sie tadelte, dass sie sich gefälligst schonen sollte, versorgte sie uns stattdessen mit Getränken und kleinen Imbissen.

Natürlich halfen wir auch Mom und Dad bei deren Umzug, sprich, das Wochenende war wirklich schwerstens im Arsch. (Beta-A/N:   Ach, deinen Eltern konntest du auch helfen? Also wirklich, Edward, sei froh, dass Elke dich noch nicht kastriert hat.) Alle hinterher glücklich und zufrieden in ihrem neuen, beziehungsweise alten Heim zu sehen, machte das jedoch wieder wett, und mit einem zufriedenen Grunzen schmiegte ich mich an meine Bella, die längst eingeschlafen war und mit einem sanften Lächeln auf den Lippen neben mir lag.

„Ich liebe dich“, flüsterte ich, obwohl sie mich nicht mehr hören konnte, strich sanft eine widerspenstige Strähne ihres duftenden Haares aus ihrem Gesicht und sank todmüde in mein Kissen.

Einige Minuten dachte ich noch darüber nach, was der morgige Tag bringen würde. Die Scheidung … gut, davor hatte ich keine Angst. Bella wäre endlich frei und endgültig mein. Aber danach. Der Termin im Krankenhaus …

Ich war so müde und erschöpft, dass ich keinen klaren Gedanken mehr fassen konnte, also ergab ich mich und fiel in einen seichten, unruhigen Schlaf.


*****





Montag, 8.10.2009


„So, meine Lieben, es ist soweit. Ich halte das Testergebnis in meinen Händen, wollt ihr es wissen?“

„Natürlich, Max, her damit!“

„Nicht so ungeduldig, alter Freund. Gleich ist es soweit. Also, der Vater von Bellas Baby ist mit 99,9 prozentiger Wahrscheinlichkeit ... tadaaa … Mr. Carlisle Cullen. Herzlichen Glückwunsch, Daddy!!“

„Nein!“

„Nein, nein, nein … ich bin … ich wollte doch… NEIN!“




„Edward, Baby, hey … shh … wach auf. Es ist ein Traum, nur ein Traum“.

Schweißgebadet schoss ich hoch, saß aufrecht im Bett und starrte mit weit aufgerissenen Augen auf die gegenüberliegende Wand.

„Komm her, Liebling“. Ich fühlte eine warme Hand, die sich auf meine Schulter legte und mich sanft nach unten zog. Erst dann wurde mir bewusst, dass ich einen fucking beschissenen Traum hatte und schmiegte mich so eng wie möglich an meine Süße, die unaufhörlich über mein verschwitztes Gesicht streichelte und zärtliche, kleine Küsse darauf verteilte.

„Tut mir leid“, nuschelte ich, nachdem ich einen Blick auf die Uhr geworfen hatte. Es war gerade mal kurz nach sechs. Eigentlich hätten wir locker noch eineinhalb Stunden schlafen können, doch ich konnte keine Ruhe mehr finden.

„Ach, Baby, du musst dich nicht entschuldigen. Wovon hast du denn geträumt? Du hast immer wieder ‚Nein‘ gebrüllt. Muss was Schlimmes gewesen sein“. Bella lockerte ihre feste Umarmung, beugte sich über mich und sah mir besorgt in die Augen. Ich konnte ihren Blick nicht ertragen, nuschelte erneut eine leise Entschuldigung, kletterte seufzend aus dem Bett und ging ins Bad.

Wortlos ließ sie mich gehen. Vermutlich wusste sie, was mich so quälte und sagte deshalb nichts.

Verdammt noch mal, natürlich würde ich Bella weiterhin unterstützen und für das Baby da sein, auch wenn Carlisle sein Vater wäre. Aber ich wusste nicht, wie ich damit umgehen sollte, meinem Halbbruder oder meiner Halbschwester ein guter Daddy zu sein. Ich wusste es einfach nicht.

Eine eiskalte Panik kroch bedrohlich langsam durch meinen ganzen Körper und ließ mich erschauern. Gänsehaut breitete sich auf mir aus, meine Atmung wurde flach.

Zitternd vor Kälte, die mich von innen heraus beinahe erstarren ließ, stieg ich in die Dusche. Dort drehte ich das heiße Wasser auf, schloss die Augen und versuchte, wieder runterzukommen.

„Alles okay?“, hörte ich ein paar Minuten später. Meine Lider hoben sich träge, und ich versank sofort im warmen, unheimlich liebevollen Braun meiner Bella, die mit einem traurigen Lächeln vor mir stand. Wahrheitsgemäß schüttelte ich den Kopf, schlang meine Arme um sie und drückte mein Mädchen so fest an mich, wie ich nur konnte.

„Du hast Angst wegen des Babys, oder? Ich meine, du kannst den Gedanken nicht ertragen, dass möglicherweise Carlisle sein Vater ist“. Nun nickte ich, seufzte tief und ließ sie los.

Ich legte meine Hände an ihre Wangen und küsste das warme Wasser von ihren Lippen, welches sich jedoch sofort wieder darauf sammelte. „Es ist … verdammt schwierig, aber Kleines … ich werde damit zurechtkommen, das verspreche ich dir“.

„Denk nicht darüber nach. Warten wir erst mal das Ergebnis ab, vielleicht sind unsere Sorgen ja vollkommen unbegründet, und du bist der…“

„Lass uns nicht mehr darüber sprechen, bitte“, unterbrach ich sie. Natürlich hoffte ich von ganzem Herzen, dass dies mein Baby war, aber der Gedanke an die andere Möglichkeit machte mir dermaßen Angst, dass mein Herz zu stolpern begann, wenn ich nur daran dachte.

Wir seiften gegenseitig unsere Körper ein, wuschen unser Haar, doch an Sex dachten wir nicht. Bella und ich waren ziemlich angespannt, weil wir nicht wussten, was der heutige Tag noch mit sich bringen würde. Also kümmerten wir uns lediglich um die Körperpflege, trockneten uns ab und gingen in die Küche.

Es war sehr still im Appartement, irgendwie vermisste ich Alice und Jazz. Während ich jedoch bei der Anrichte stand und mich um frischen Kaffee kümmerte, kam mir ein anderer Gedanke, und meine miese Laune war Schnee von gestern.

Grinsend drehte ich mich um und funkelte meine Süße an. „Ich kann dich nun vögeln, wo immer ich will. Kein lachender Jasper, keine keifende Alice. Ganz egal, ob im Wohnzimmer, in der Küche, im Flur, auf der Terrasse … es ist niemand da, der mich aufhalten oder zurechtweisen kann“.

„Gott, wie kannst du jetzt nur an sowas denken?“, gluckste meine Süße, verdrehte die Augen und holte zwei Tassen aus dem Schrank. „Hast du denn grade keine anderen Sorgen?“

„Doch, aber diese Ablenkung tut gut“, erwiderte ich, wackelte anzüglich mit den Augenbrauen, und wir lachten uns den ganzen Frust von der Seele. Ich lehnte mich gegen den Kühlschrank, zog mein Mädchen in meine Arme und sah sie einfach nur an.

„Lieb dich“, flüsterte ich und hauchte ihr einen kleinen Kuss auf die Nasenspitze.

„Lieb dich auch“, erwiderte sie und lehnte ihren Kopf seufzend an meine Brust. So standen wir einige Minuten, bis die Kaffeemaschine ihren Job erledigt hatte. Dann beendeten wir die Kuschelsession, genossen unser liebstes Heißgetränk und saßen uns eine Weile schweigend gegenüber.

Dies war ein seltsames Schweigen. Es war nicht unangenehm, aber auch nicht so, dass ich es öfters haben wollte. Jeder hing seinen Gedanken nach, überdachte den heutigen Tag. Meine kurzfristig gute Laune von vorhin war längst wieder beim Teufel, und ich verfiel erneut in diese Panik, die mich bereits im Badezimmer folterte.

„Bitte hör auf, darüber nachzudenken und dich damit selbst zu quälen“, flüsterte meine Bella und streichelte über meine Hand, die schwer und bewegungslos auf der Tischplatte lag. Seufzend schloss ich meine Augen, schüttelte den Kopf und sah sie wieder an. „Ich kann nicht anders, tut mir leid“.

Sie runzelte die Stirn, dachte kurz nach, leerte ihre Tasse und stand auf. „Weißt du was? Wir haben noch genug Zeit bis zu unserem Gerichtstermin. Wir ziehen uns jetzt an und bummeln ein bisschen durch die Stadt. Einfach, um uns … abzulenken. Was hältst du davon?“

„Okay“, stimmte ich zu, trank ebenfalls aus und räumte die Küche auf, während Bella ins Bad schlenderte, um ihr Haar zu föhnen.

Kurz nach halb acht brachen wir auf. Ich fuhr zwar in die Nähe des Gerichtes, doch wir beschlossen, eine Runde um den Block zu spazieren. Ein eisiger Wind trug nicht unbedingt dazu bei, die Kälte zu verdrängen, die ich ohnehin schon tief in mir verspürte, doch die wundervolle Frau an meiner Seite vermochte es dennoch, mich zu beruhigen. Immer wieder sah sie mich traurig an, und mit der Zeit mischte sich in diese Traurigkeit etwas anderes. Etwas Gefährliches.

„Ich bin an allem schuld“, sagte sie plötzlich und blieb stehen. „Hätte ich nicht so wahllos durch die Gegend gefickt, müsstest du dich jetzt nicht so schlecht fühlen. Niemals zuvor war ich mir mehr darüber im Klaren, was für eine gottverdammte Schlampe ich bin“, flüsterte sie und begann, bitterlich zu weinen. „Es tut mir so leid, ich wollte … ich kann es nicht ertragen, dich so zu sehen. Ich bin schuld, ich ganz allein. Verdammt, Edward, es …“.

„Hey“, unterbrach ich sie leise, zog sie eng an mich und schlang meine Arme um ihren zitternden Körper. „Hey, hey, hey, bitte hör auf, Baby. Weine nicht. Und schon gar nicht meinetwegen. Schlampen ficken sich absolut ohne Gefühle durch das Leben, doch das trifft nicht auf dich zu. Du hast Carlisle geliebt, und du liebst mich, also bitte … keine Schuldgefühle, Bella, in Ordnung? Keine Schuldgefühle…“, wiederholte ich und küsste die Tränen von ihrem verzweifelten Gesicht.

„Mir tut es leid“, fuhr ich fort, „Ich werde aufhören mit dieser irrationalen Panik. Zur Hölle, ich weiß doch selber nicht, was mit mir los ist. Warum kann ich nicht noch ein paar Stunden warten, dann wissen wir, was Sache ist. Vielleicht ist ja alles umsonst, meine Angst unbegründet und meine Sorge einfach nur dumm. Lass uns nicht mehr darüber sprechen, ja?“

„O-okay“, schniefte sie ein letztes Mal, kramte ein Taschentuch aus ihrem schwarzen, fast bodenlangen Mantel und putzte sich geräuschvoll die Nase.

„Bitte verzeih, ich bin ein blöder Arsch“, entschuldigte ich mich erneut, nicht jedoch, ohne ein freches Grinsen auf mein Gesicht zu zaubern. Ich wusste, dass ich sie damit aus der Reserve locken konnte, und es gelang mir auch.

„Ja, das bist du“, stimmte sie mir zu und grinste zurück. Das Eis war somit gebrochen, und von Minute zu Minute wurde unsere Laune besser.

Als wir kurz nach halb neun wieder beim Gericht eingetroffen waren, konnten wir sogar wieder über Banalitäten lachen. Wir fühlten uns ziemlich unterkühlt, aber verhältnismäßig gut, als Alice und Jasper über die Straße liefen und uns kurz darauf begrüßten.

„Zur Abwechslung wieder einmal eine Scheidung, huh?“, meinte Jazz und grinste. „Wie war das noch mal mit dem Mengenrabatt?“ Alice kicherte und schmiegte sich in seine Arme. (Beta-A/N:   Halt deine Klappe, Alice. Ich warne dich ein letztes Mal! Und verdammt, nimm deine Finger von Jasper!)

„Rose?“, hörte ich mein Mädchen plötzlich verwundert, und tatsächlich. Sogar Rosalie und Emmett waren gekommen.

„Yeah, Baby, meinst du, ich lass mir das entgehen?“, erklärte diese ihre Anwesenheit. „Mach dir keine Sorgen wegen der Firma. Ich hab Lizzy nach Hause geschickt. Für heute hätten lediglich zwei Termine auf dem Kalender gestanden, und die konnte sie telefonisch verschieben. Und wofür gibt es Anrufbeantworter?“. Rose zwinkerte Bella zu, während Emmett mir wieder einmal auf den Rücken schlug.

„Morgen, Alter. Na? Heute gehört dein Mädchen endgültig dir, was? Schon aufgeregt?“, sagte er und grinste mich an.

„Hier hat sich wohl halb Seattle versammelt. Ich wusste gar nicht, wie interessant unsere Scheidung ist“, kam es plötzlich von rechts. Ich drehte mich zur Seite, und ohne auf Emmetts Kommentar zu reagieren, registrierte ich Mom und Dad, die sich uns Händchenhaltend näherten und so glücklich wirkten, wie nie zuvor. Nun war mir warm …

Wir amüsierten uns noch eine Weile vor dem Gericht, ich rauchte noch rasch eine Lucky Strike, doch dann machten wir uns auf  den Weg. Dieses Mal in den zweiten Stock, Zimmer 211.

Acht Menschen, vier Paare, die jeweils eng umschlungen auf den Richter warteten, was für ein Chaos. Ich begann, leise zu lachen, und die anderen stimmten ein. Es bedurfte keiner Erklärung, warum ich lachte. Diese Situation war so verrückt, dass jeder gleich wusste, worum es ging.

„Guten Morgen, meine Herrschaften“. Augenblicklich verstummte unser Lachen, und wir drehten uns allesamt in die Richtung, aus welcher die Stimme kam.

„Ach du heilige Scheiße“, flüsterte ich so leise wie möglich und riss entsetzt die Augen auf. Ein sympathischer Mittvierziger mit Lesebrille am unteren Ende der Nase schaute gerade von einem zum anderen und runzelte leicht die Stirn, als er bei mir angekommen war.

„Was ist denn los?“, flüsterte Bella zurück, doch ich hatte nicht mehr die Gelegenheit, ihre Frage zu beantworten.

„Kennen wir uns nicht?“. Der Richter fixierte mich mit einem Blick, den ich nicht deuten konnte, doch nachdem Leugnen zwecklos war, nickte ich nur mit dem Kopf. „Ja, Sir. Wir kennen uns“.

„Oooh“, keuchte mein Baby neben mir. Somit war eine weitere Erklärung überflüssig, denn sie wusste sofort, dass dieser Typ es war, der Tanja und mich Ende Juli geschieden hatte. Scheiße, wie peinlich war DAS denn?

Der sympathische Mittvierziger schüttelte etwas verwirrt den Kopf, drückte die Akte, die er unter dem Arm mit sich trug, etwas fester an sich, als wenn er sich daran anhalten würde, und steckte den Schlüssel ins Schloss des Verhandlungssaales.

„Mr. und Mrs. Cullen?“, fragte er in die Runde, während er die Tür aufdrückte und das Licht einschaltete, und dann kam, was kommen musste.

Mom, Dad, Bella, Jasper und ich antworteten mit einem lauten „Ja?“. Fuck, ging es noch schlimmer? Verflucht noch mal, natürlich meinte er Carlisle und Isabella Cullen, denn um deren Scheidung ging es doch hier. Aber naja, die Macht der Gewohnheit machte dem Ganzen wohl einen Strich durch die Rechnung, und wir alle reagierten einfach auf die Erwähnung unseres Nachnamens. Shit happens…

Der Richter schlenderte kopfschüttelnd und leise vor sich hin murmelnd hinter sein Pult und nahm Platz, während Dad und Bella sich nach vorne setzten und der Rest von uns irgendwie verloren im großen Zimmer stand. Mom drückte einen Kuss in ihre Handfläche und blies ihn zu ihrem Liebsten, was dem aufmerksamen Beamten natürlich nicht entging.

„Und Sie sind, wenn ich fragen darf?“, wollte er von meiner Mutter wissen. Zur Hölle, ich konnte genau sehen, wie verwirrt er war.

„Esme Cullen, seine Frau“. Sie deutete mit dem Kopf in Dad’s Richtung. „Entschuldigen Sie bitte, ich meinte natürlich Ex-Frau. Wenn es Ihnen nichts ausmacht, würde ich dem Scheidungsverfahren gerne beiwohnen“. Daraufhin lächelte mein raffiniertes Mütterchen den Richter ehrfürchtig an. Dieser nickte noch verwirrter als zuvor, schob schon wieder kopfschüttelnd seine Lesebrille hoch, schlug die bezughabende Akte auf und legte sein Diktiergerät bereit.

Bella schenkte mir in diesem Moment ein sehnsüchtiges Lächeln, und ich Vollidiot nutzte die geistige und visuelle Abwesenheit des Richters, um einen geschmeidigen Satz nach vorne zu machen und ihr einen schnellen Kuss auf die Lippen zu drücken. Sofort wich ich wieder ein paar Schritte zurück. Natürlich wurde ich dabei ertappt, und der Richter starrte mich an.

„Was tun Sie denn da?“, wollte er von mir wissen, während er seine Brille wieder nach unten schob und mir darüber hinweg einen strengen Blick zukommen ließ.  Ich mutierte zur Pussy, wurde rot, zuckte mit den Schultern und sagte das, was mir als erstes einfiel, und das war absolute Scheiße. „Ich liebe diese Frau“.

Der Kopf des Richters schoss nach links und suchte meinen Dad. Dieser saß breit grinsend und mit vor der Brust verschränkten Armen auf seinem Stuhl und lehnte sich gemütlich zurück. „Das ist mein Sohn, machen Sie sich keine Gedanken. Es ist alles in Ordnung“, sagte mein offensichtlich amüsierter Vater, und dem netten Mittvierziger schlief von einer Sekunde auf die andere das Gesicht ein.

Seine weit aufgerissenen Augen huschten zwischen Bella, Dad, Mom und mir hin und her, und plötzlich hielt er still. „Wollen Sie mir gerade weis machen, dass …“, wieder schoss sein Blick durch die Runde, „…oh nein, das glaub ich jetzt nicht. Sowas ist mir auch noch nie passiert“, keuchte er und brachte damit Rose, Emmett, Alice, Jazz und uns vier zum Lachen.

Und dann geschah, womit ich niemals gerechnet hätte – der Richter lachte mit.

„Wissen Sie“, gluckste er, „ich fühle mich nicht wirklich wohl in meinem Beruf und werde ab Januar 2010 als Strafrichter mein Amt ausüben. So eine seltsame Ehe wie diese hier, hab ich allerdings wirklich noch nie geschieden. Dennoch freue ich mich irgendwie, das noch erlebt haben zu dürfen, bevor ich diesem ungeliebten Job den Rücken kehre. Ach, und Mr. Cullen …“, er sah mich an und schmunzelte, „…haben Sie eigentlich schon ihren Zweitwohnsitz hier im Gericht angemeldet?“

Nun lachten wir wieder, doch dann wurde es ernst. Naja, mehr oder weniger. Ich denke, das war die lustigste und amüsanteste Scheidung der Menschheitsgeschichte. Nachdem Bella keinerlei Ansprüche stellte, wurde die Ehe der beiden einvernehmlich und ausgesprochen rasch geschieden.

Nachdem alles vorbei war, folgte wieder die Pärchenbildung. Ich küsste Bella, Dad meine Mom. Emmett, Rosalie, Alice und Jazz gratulierten uns. Mein Vater umarmte mich und wünschte mir alles Gute mit seiner Ex-Frau, ich wiederum wünschte ihm viel Glück mit seiner Exex-Frau, die auch gleichzeitig meine Mutter war.

Der Richter brach in schallendes Gelächter aus, legte seine Lesebrille auf das Pult und schüttelte heftig den Kopf. Immer wieder versicherte er uns, dass er sowas noch nie erlebt hatte und verabschiedete sich ein paar Minuten später von uns.

„So, und jetzt will ich Sie nie wieder sehen“, sagte er zu mir und schüttelte meine Hand. „Das nächste Mal würde vermutlich bereits in meiner Funktion als Strafrichter sein, und das könnte unangenehme Folgen für Sie haben“, erklärte er weiter, winkte ein letztes Mal amüsiert in die Runde und verließ den Saal.

Wenige Minuten später standen wir vor dem Gericht. Ich zog meine Süße so eng wie möglich an mich, schlang meine Arme um ihre Taille und strahlte sie an. „Nun gehörst du endgültig mir, Baby“, hauchte ich glücklich, verspannte mich jedoch sofort, weil mir einfiel, was nun als nächstes kommen würde.

„Ja, ich gehöre dir, allerdings schon länger“, gluckste mein Mädchen, hörte jedoch augenblicklich damit auf, nachdem sie mir in die Augen sah. „Ooh, es geht schon wieder los, oder?“, sagte sie leise, löste sich aus meiner Umarmung und wich einen Schritt zurück. Sie umfasste zärtlich mein Gesicht und lächelte mich traurig an.

„Lass uns keine Zeit verlieren und ins Krankenhaus fahren. Ich kann es nicht ertragen, wenn du so leidest“, sagte sie und hauchte einen Kuss auf meine bebenden Lippen. Diese Scheißangst, hier war sie wieder. Stärker und unerbittlicher als je zuvor.

Ich drehte langsam meinen Kopf und sah zu Dad. Auch er wirkte still und blass.

„Fahren wir“, sagte er kurz angebunden, und erstaunt nahm ich zur Kenntnis, dass alle hier anwesenden Personen Anstalten machten, in Richtung ihrer Autos  aufzubrechen. „Kommt ihr alle mit?“, fragte Dad in die Runde, und kurz darauf stand eindeutig fest, dass wir acht Mann hoch das Ergebnis des Vaterschaftstests live miterleben würden.

Irgendwie freute es mich, dass sogar Rose und Emmett bei uns waren, doch auf der anderen Seite machte es mich fucking nervös. Ich wusste nicht, wie ich reagieren würde, wenn nicht ich der Vater von Bellas Baby wäre, doch nun war es zu spät. Ich konnte unsere Freunde doch nicht einfach nach Hause schicken, also nahm ich die Hand meiner Süßen und zog sie mit. „Wir sehen uns, bis dann“, murmelte ich mit zittriger Stimme und fiel kurz darauf in den Fahrersitz meines Aston.

„Hey, ganz ruhig“, flüsterte Bella, während sie den Gurt um ihren Bauch legte und ihn mit einem leisen ‚Klick‘ einrasten ließ. Ich sagte kein Wort, denn ich konnte nicht. Verdammte Scheiße, ich konnte einfach nicht. Bei dem Gedanken, nicht der Daddy dieses Babys zu sein, drehte ich beinahe durch, doch das durfte ich nicht. Das Wertvollste, was ich besaß, befand sich in diesem Auto. Meine Bella war hier neben mir, und ich musste darauf achten, die Kontrolle nicht zu verlieren.

Die Fahrt war lang und schweigsam. Ich hatte zwar Bellas Hand in meine genommen, um ihr zu zeigen, dass ich sie trotz allem liebte, aber meine Anspannung war so groß, dass ich wusste, alles kaputt zu machen, wenn ich sprechen würde, also ließ ich es sein.

Am frühen Nachmittag war es soweit. Vier Paare betraten das Krankenhaus in Forks und gingen nach oben, um Maxwell Borrows Worten zu lauschen. Worte, die mein Leben verändern und vollkommen aus den Fugen geraten lassen könnten. Worte, die allerdings auch die Gabe hätten, den glücklichsten Mann der Welt aus mir zu machen. Fuck, ich war kurz davor, zu hyperventilieren, als wir dort ankamen, wo wir hinwollten und Dad langsam die Tür öffnete.

Mit der Klinke in der Hand drehte er sich ein letztes Mal zu mir, sah mich liebevoll an, schloss kurz die Augen, seufzte, und machte sie wieder auf. „Dann mal los. Lasst uns hören, was  Max zu sagen hat“, sagte er leise und betrat den Raum.

Wortlos folgten wir ihm.

„Hey, da seid ihr ja wieder … wow, habt ihr halb Seattle mitgebracht?“, begrüßte uns Max freudestrahlend, und  ich stellte ihm erst mal Alice, Rosalie und Emmett vor.

„Freut mich sehr“, sagte er und schüttelte den dreien die Hand, bevor er zu Jasper lief. „Hey, mein Junge. Schön, dich wiederzusehen“. Er umarmte meinen grinsenden Bruder und klopfte ihm auf den Rücken. „Hey, Onkel Max“, gluckste Jazz, und dieses Geplänkel ließ mich schmunzeln. Die gröbste Anspannung war weg, doch als Max dann auch noch einen erfreuten Smalltalk mit meiner Mom begann, wurde mir diese Scheiße hier zu viel.

„Ich will ja nicht eure Wiedersehensfreude stören, aber könnten wir dann bitte … ich meine … ähm …“.

„Oh Edward, tut mir leid“, entschuldigte sich der Mann, der meine Zukunft in der Hand hatte, „natürlich willst du wissen, wer der Vater von Bellas Baby ist. Ich weiß es“. Dann lachte er sich einen ab. Wirklich sehr witzig.

Ein angepisstes Knurren kam tief aus meiner Brust. Max stellte sein Lachen ein, räusperte sich, drehte sich um und lief zu einem kleinen Tisch, der sich in der linken hinteren Ecke des Raumes befand. Dort griff er nach einem weißen Umschlag und kam wieder zurück.

Er sah mich ein letztes Mal lächelnd an, doch sein Lächeln gefror, da er vermutlich das in meinen Augen sah, was ich fühlte. Ich war so gottverdammt angespannt, nervös und mit den Nerven am Ende, dass er hastig den Umschlag öffnete und zu lesen begann.

Von diversen Talkshows wusste ich, was in etwa auf diesem Zettel geschrieben stand, also war mir auch bewusst, dass die Information, die ich wollte, erst am Ende des Textes kam. Das Blut rauschte in meinen Ohren und machte mich beinahe taub, doch als ich etwas von 99,9prozentiger Wahrscheinlichkeit vernahm, zuckte mein Kopf hoch und ich starrte mit offenem Mund auf Max.

„Hörst du mir überhaupt zu, Edward?“, fragte er, doch ich konnte mich nicht bewegen, geschweige denn etwas sagen.

Er seufzte und begann offensichtlich damit, den letzten Satz erneut zu verlesen. „Der Test hat somit ergeben, dass es sich beim biologischen Vater des Babys von Mrs. Isabella Cullen  zu 99,9prozentiger Wahrscheinlichkeit um …“. Oh mein Gott, warum hörte er hier auf??

„Fuck, Max, würdest du bitte…“, fuhr ich ihn an, doch er stoppte meine angepisste Flucherei, indem er wortlos die Hand hob und seinen Kopf in die Richtung meines Bruders drehte. Dann nahm ich nur noch wahr, wie sich seine Lippen bewegten und das aussprachen, was meine Welt zusammenbrechen ließ.

„Jasper, hast du uns was zu sagen?“.

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