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Samstag, 10. März 2012

(34) Showdown



EdwardPOV

Mittwoch, 3.10.2009

„Wunderschönen guten Abend, MyLady. Sind Sie bereit, sich von zwei gut aussehenden jungen Herren entführen zu lassen, um mit ihnen einen wundervollen Abend zu verbringen?“, schnurrte ich meiner Mom ins Gesicht, nachdem sie Tür aufgerissen und mich angestrahlt hatte. Gott, wenn sie wüsste, wer wirklich dazu auserkoren war, die nächsten Stunden mit ihr zu verbringen. Stunden … Tage … Monate … fuck, yeah  - JAHRE. Verdammt, es musste einfach klappen, ich wünschte es mir so sehr.

„Aber gern“, hauchte sie und zwinkerte mich an. „Wären Sie bitte so nett und würden mir noch ein paar Minuten geben? Ich würde gerne meine Erscheinung perfektionieren, wenn es Ihnen nichts ausmacht“, stieg sie auf mein Gesäusel ein.

„Selbstverständlich. Wir haben genügend Zeit, schöne Frau“, trug nun auch Jazz etwas zu unserem Geplänkel bei. Mom ging kichernd zur Seite und bat uns herein. Sie entschuldigte sich mit den Worten, dass sie noch rasch ins Bad müsste, und wir nahmen inzwischen Platz.

„Sie ist gut drauf“, stellte mein kluger Bruder fest und ich nickte. „Yeah, das ist sie. Gott sei Dank“. Ich machte eine kurze Pause, und meine Gedanken drifteten ab. „Fuck, Bro, hoffentlich geht alles gut. Ich muss schon wieder pissen“

„Gott, hör doch auf mit diesem Scheiß. Du bist ein erwachsener Mann, Herrgott noch mal“.

„Bist du dir da sicher?“, gluckste ich und verdrehte die Augen.

„Nein, bin ich nicht“. Jazz lachte und schlug mir mit der flachen Hand auf den Hinterkopf. „Reiß dich jetzt zusammen und konzentrier dich, bitte. Es muss wirklich alles so funktionieren, wie wir es geplant haben, also hör auf mit deinen kindischen Späßchen“. Er zog eine Augenbraue hoch und machte einen auf Vier-Sterne-General. Gespielt streng verschränkte er die Arme vor der Brust, konnte sich aber letztendlich ein Grinsen nicht verkneifen.

„So, meine Herren, ich wäre soweit“, brach Mom unsere seltsame Konversation ab und baute sich vor uns auf. Fuck, sie sah großartig aus. Ein schwarzer, hautenger Bleistiftrock schmiegte sich an ihre schlanke Figur und endete kurz unter ihren Knien. Dazu trug sie eine karmesinrote, tief ausgeschnittene Bluse und eine raffiniert geschnittene Jacke, die bis zur Taille reichte. Schwarze Heels perfektionierten dieses Hammer-Outfit, und ich konnte Dad bereits vor mir sehen. Verdammt, er würde sabbern bei diesem Anblick, davon war ich jetzt schon überzeugt.

Seltsam – warum war sie eigentlich so gekleidet? Immerhin waren es nur ihre Söhne, mit denen sie den Abend verbrachte, warum also wählte sie speziell diese Bluse? Ahnte sie etwas??

„Wow, Mom, du siehst bezaubernd aus“, sagte ich ehrlich beeindruckt und grinste sie an. „Du weißt aber schon, dass du nur mit deinen Söhnen essen gehst. Oder hast du hinterher noch etwas anderes vor?“. Ich wackelte anzüglich mit meinen Augenbrauen und entlockte meiner leicht erröteten Mutter ein helles Kichern.

„Ach nein, du Charmeur. Ich freue mich ganz einfach auf euch und darauf, wieder einmal raus zu kommen. Das ist alles“, erklärte sie und ging Richtung Tür. „Wollen wir?“

„Aber gern, beautiful Lady“, sagte Jazz mit einem amüsierten Schmunzeln  im Gesicht, legte einen Arm um ihre Taille, und lachend verließen wir das Haus.

Mit Bella und Alice hatten wir vereinbart, dass sie bereits gegen Viertel vor acht im Pagliacci auf uns warten sollten, und zwar am linken hintersten Ende der Bar. Dort waren sie gut geschützt und nicht sofort zu entdecken, während sie das Geschehen aber einwandfrei überblicken konnten.

Bella hatte den Auftrag erhalten, mir sofort eine SMS zu schicken, sobald Dad das Restaurant betreten hat, da wir vom Nebenraum, in welchem sich unser Tisch befand, keine direkte Sicht auf den Eingangsbereich hatten.

Nachdem wir davon ausgingen, dass Mom das Restaurant mit Dad verlassen würde, entschieden wir uns dafür, mit Jaspers Volvo zu fahren. Die Mädchen waren mit dem Taxi unterwegs, da sie ohnehin mit uns den Heimweg antreten würden. So hoffte ich doch...

Etwa zwanzig Minuten später betraten wir das Lokal. Es duftete herrlich und mein zweitbester Freund – der Magen – meldete sich lautstark zu Wort. Mom und Jazz lachten, als ich verlegen schmunzelnd über meinen Bauch fuhr, doch als der edel bekleidete Typ auf uns zukam, der die Reservierungen für uns vorgenommen hatte, wurde mir ganz heiß. Hoffentlich würde er sich nicht verplappern.

„Schönen guten Abend, kann ich Ihnen helfen?“, fragte er höflich und schaute von einem zum anderen.

„Ja, das können Sie. Tischreservierung auf Cullen“. Scheiße, nun würde er sicher fragen, welchen Tisch ich meinte, immerhin ging es ja um zwei. Mein Blut rauschte vor Aufregung in den Ohren und mein Herz drohte, in meiner Brust zu explodieren, als ich Jazz einen verzweifelten Blick zuwarf und dieser Gott sei Dank sofort reagierte. „Gibst du mir mal deine Jacke?“, sagte er zu mir und bedachte mich mit einem bedeutungsvollen Blick. Gott, ich liebte diesen Mann.

„Wenn Sie mir bitte folgen würden, schöne Frau“, sagte er nun zu unserer Mom, zwinkerte sie an, legte einen Arm um ihre Taille und zog sie zur Garderobe. Dort half er ihr elegant aus einem wadenlangen Mantel, zog ihn ordentlich über einen Kleiderbügel, hängte diesen auf die Stange und verwickelte sie in ein Gespräch.

Ich widmete mich gottverdammt erleichtert wieder dem Typen, der inzwischen in irgendwelchen Aufzeichnungen gekramt hatte und mir dann tatsächlich die Frage stellte, die ich vor Mom nicht brauchen hätte können. „Welchen Tisch meinen Sie, Mr. Cullen?“ Uff...

„Den für drei Personen, bitte. Der andere wird ebenfalls gleich besetzt“.

„In Ordnung“. Er lächelte, bat mich, ihm zu folgen, und mit einem Nicken in Jaspers und Moms Richtung ging ich hinterher. Mein Kopf zuckte unauffällig nach rechts, und ich musste wirklich ein Weilchen suchen, um unsere Mädels zu entdecken. Die beiden waren bereits vor Ort und winkten mir zu. Ich spitzte meine Lippen, hauchte meiner Süßen einen Luftkuss zu und betrat – dicht gefolgt von Jazz und seiner hübschen Begleitung – den Nebenraum, in welchem sich unser Tisch befand.

Ein rascher Blick auf meine Uhr beschleunigte meinen Herzschlag und erweckte wieder einmal das Bedürfnis, dringend pissen zu gehen. Allerdings war Jazz derjenige, der sich bald auf die Toilette verabschieden würde, also musste ich mich wohl oder übel wieder beruhigen und meine Blase im Griff behalten. Es war fünf vor acht.

Kaum hatten wir Platz genommen und überlegt, welchen Wein wir genießen möchten, vibrierte mein Handy, was meinen Puls sofort auf Fünftausend trieb. Mit zitternden Fingern kramte ich das silbrige Teil aus der Innentasche meines Jacketts und hörte kurzfristig auf zu atmen, als genau das eingetroffen war, was ich erwartet und auch befürchtet hatte.


Er ist da. Los geht’s. Lieb dich, Bella


„Ist alles in Ordnung, mein Schatz?“, fragte mich Mom und schenkte mir einen besorgten Blick. „Du bist irgendwie so blass“.

„Natürlich. Alles bestens“, erwiderte ich, lächelte sie an und schaute kurz zu Jazz. Mein Brüderchen wusste natürlich sofort, was Sache war, erhob sich langsam und schob seinen Stuhl zum Tisch. „Entschuldigt mich bitte, ich muss mal. Bin gleich wieder da“. Er fuhr sich leicht nervös durchs Haar, versuchte sich an einem mißratenen Schmunzeln und ließ uns allein.


CarlislePOV


„Wo kommst du denn her, mein Sohn?“, fragte ich ehrlich gesagt ein wenig überrascht. Ich kannte das Pagliacci, und ich liebte es. Ich liebte irgendwie alles, was mit Italien zu tun hatte. Das Land, die Mentalität, die Sprache … sogar die Mafia faszinierte mich irgendwie. Naja...

Jedenfalls wusste ich sofort, dass Jasper nicht von der Toilette kam, denn die befand sich am anderen Ende des Raumes.

„Hi Dad“, sagte mein Sohnemann, kam strahlend auf mich zu und schlang tatsächlich beide Arme um mich, tätschelte eine Weile leicht verlegen  meinen Rücken und wich wieder ein paar Schritte zurück. „Ach, ich bin schon eine Weile hier und hab im Nebenraum einen Freund getroffen. Gerade eben dachte ich mir, ich seh mal nach, ob du schon da bist“. Hm … ein Freund also. Na gut, war ja auch egal.

Ich sah mich kurz um, denn irgendwie hatte ich erwartet, auch Alice heute anzutreffen. Ich mochte sie sehr. Sie hatte eine so liebenswerte Art und war mir von Anfang an sympathisch. (Beta-A/N:  Fall mir nicht so in den Rücken, Carlisle. Ich hol sonst meinen Wok wieder aus dem Keller) Offensichtlich waren wir beide aber wirklich allein, doch das war vollkommen okay. „Na, dann lass uns mal einen lässigen Männerabend veranstalten“. Ich lächelte ihn an und nahm Platz.

Eigentlich hätte ich mir gedacht, dass sich dieses Zusammentreffen seltsam anfühlen würde, nach all dem, was vorgefallen war, doch keine meiner Befürchtungen traf ein. Schon auf der Fahrt nach Seattle war mir bewusst, dass ich Jasper nicht so behandeln hätte dürfen, und ich freute mich wirklich sehr auf diesen Abend. Auch mein Sohn gab sich große Mühe, keine unangenehme Stimmung aufkommen zu lassen, und er machte seine Sache wirklich gut.

Nachdem ich es mir gemütlich gemacht hatte und eben nach der Speisekarte greifen wollte, fiel mir etwas auf.

„Sag mal, Jasper, hast du dich wirklich so auf mich gefreut?“. Meine Augen glitten über die Tischdekoration, die nicht wirklich auf ein Vater-Sohn-Essen schließen ließ. Weiße, zarte Spitzendeckchen lagen auf einem dunkelroten, schweren Tischtuch. Ein wunderschöner Strauß Rosen in derselben Farbe steckte in einer bauchigen Kristallvase, und ein silberner Kerzenleuchter stand gleich daneben. Natürlich war die Kerze genauso rot wie der Rest. Was zur Hölle ging hier vor?

„Nun, Dad“, sagte Jasper leicht nervös, grinste verlegen und fuhr sich durchs Haar. „Ich weiß, dass du sehr enttäuscht von mir bist, und ich würde alles dafür tun, damit du mir verzeihst. Es ist mir klar, dass unser Tisch nicht wirklich so aussieht, als würden Vater und Sohn einen Männerabend verbringen, aber ich wollte eben, dass alles ganz besonders ist. Vermutlich hat mich der Typ irgendwie falsch verstanden, als ich eine spezielle Tischdeko in Auftrag gegeben habe. Glaub mir, ich bin selber überrascht, was dabei rausgekommen ist“. Er lächelte verschmitzt, schaute den Kerzenleuchter an, verdrehte die Augen und begann, leise zu lachen. Gott, wie sehr hatte ich so ein Lachen vermisst. Ein unbeschwertes, fröhliches Lachen.

Ganz klar – ich hatte überreagiert, nachdem ich an diesem Abend im 'Wild Ginger' die volle Wahrheit erfahren hatte. Dann noch die Sache mit Esme … Verdammt, ich war so durcheinander. Jasper musste wahrscheinlich für all die Scheiße büßen, doch eigentlich wollte ich das nicht. Wie in Trance ging ich damals zu meinem Auto und fuhr zurück nach Forks. Esme war mir gefolgt. Meine Esme … wie es ihr wohl ging?

Warum genau hatte ich sie erst kürzlich von mir gestoßen? Ach ja, ich weiß – weil ich genug hatte von den Frauen. Ich wollte einfach nur allein sein und im Selbstmitleid ersaufen, alles und jeder andere ging mir am Arsch vorbei. Doch was hatte ich nun davon? Nichts. Keine Bella, keine Esme … ich war allein. Na toll.

„Dad? Ist alles in Ordnung?“. Mein Kopf zuckte zu Jasper, und mit weit aufgerissenen Augen starrte ich ihn an. Sein Blick war besorgt, seine Lippen ein schmaler Strich.

„Ja … ja, natürlich“, gab ich verwirrt zurück und nahm mir vor, nun endlich das auszusprechen, was mir schon seit über zwei Wochen auf dem Herzen lag. Ein sanftes Lächeln gewann die Oberhand, als ich mich ein Stück nach vorn beugte, meine Hände flach auf den Tisch legte und die Finger ineinander verschlang. „Ich hab dir doch längst verziehen, mein Sohn. Mach dir keine Gedanken. Natürlich war das, was ich in den letzten Wochen zu verarbeiten hatte, ein wahrhaft starker Tobak, aber mir ist schon klar, dass du nichts sagen wolltest, was … Edward und Bella betraf. Es ist mir vollkommen bewusst, welche Beziehung ihr zu einander habt, und bin mir auch sicher, dass Edward ganz gleich gehandelt hätte“. Je länger ich sprach, desto größer wurden Jaspers Augen. Sein Lächeln wurde immer breiter, die Nervosität war verschwunden, und dann geschah etwas, was mich beinahe zu Tode rührte.

Mein erwachsener Sohn nahm meine Hände in seine, drückte sie leicht und hauchte ein leises „Danke“. Für ein paar Sekunden klebten meine Augen an der Stelle, an der wir verbunden waren, und ich fühlte mich so gut, wie schon lange nicht mehr. Die Versöhnung mit Jasper machte mich unvorstellbar glücklich, und tief in meinem Innersten wurde mir plötzlich bewusst, dass ich auch mit Edward und Bella endlich ins Reine kommen sollte.

Ja, ich hatte meine Frau an meinen Sohn verloren, und ja, die beiden hatten mich hintergangen, betrogen und belogen. Dennoch war ich nicht ganz unschuldig, dass es so weit gekommen war, und ändern konnte ich nichts mehr daran. Die beiden liebten sich, und auch an dieser Tatsache würde sich nichts mehr ändern. Alles, was mir blieb, war, damit zurecht zu kommen und das Beste draus zu machen, und das würde ich auch. Ebenso nahm ich mir in diesem Moment vor, mit Esme zu sprechen, vielleicht gab es ja noch Hoffnung für sie und mich. Für … uns.

„Darf ich Ihnen etwas zu trinken bringen? Eine Flasche Wein vielleicht?“, riss mich der Kellner aus meinen versöhnlichen Gedanken und starrte auf unsere Hände, die nach wie vor verbunden auf dem Tisch lagen. Oh mein Gott, er dachte doch nicht …

Jasper hatte wohl gerade ebenso bemerkt, in welche Richtung meine Gedanken und offensichtlich auch die des Kellners gingen, und wir beide begannen, laut zu lachen. Sohnemann zog seine Hände zurück, lehnte sich gegen seinen Stuhl und lachte so herzhaft, dass ich nicht anders konnte, als lautstark einzustimmen. „Wir sind ...“, japste ich und wischte mir sogar ein Tränchen aus dem Auge, „...Vater und Sohn“.

„Ooh, tut mir leid, es ist … entschuldigen Sie bitte“, murmelte der Kellner verlegen und senkte den Blick.

„Schon in Ordnung“, gluckste Jasper. „Dad, was meinst du? Nehmen wir einen Merlot?“ Ich nickte, war mit dem Vorschlag absolut einverstanden. Wir bestellten gleich eine Flasche, und während wir darauf warteten, passierte etwas, das mich vollkommen aus der Fassung brachte.


EsmePOV


„Sag einmal, hat Jasper Durchfall oder was?“, fragte ich Edward, der irgendwie einen nervösen Eindruck auf mich machte und verdächtig oft auf seine Armbanduhr blinzelte. Irgendwas war seltsam, aber ich kam nicht dahinter, was.

„Keine Ahnung“. Er zuckte mit den Schultern und grinste mich an. „Vielleicht fühlt er sich einfach nur wohl auf der Toilette, wer weiß?“

Jasper war nun schon zwanzig Minuten weg, nachdem er gemeint hatte, er müsste mal. Keiner müsste zwanzig Minuten, oder? Ich schüttelte den Kopf, bedachte meinen Sohn mit einem misstrauischen Blick und schaute ihn skeptisch an. „Was ist hier los, Edward?“

„Was soll denn los sein?“. Er hob sein mit einem ausgezeichneten Merlot gefülltes Glas und prostete mir zu. „Bin ich dir denn nicht genug?“

„Natürlich bist du das, mein Lieber, aber ...“, und dann hörte ich ein so lautes und herzliches Lachen, dass ich lächeln musste und den Kopf in die Richtung drehte, aus der es kam. Natürlich konnte ich nichts sehen, da wir uns im Nebenraum befanden, doch plötzlich hatte ich das Gefühl, dieses Lachen zu kennen. Verdammt, ja – ich kannte es, und jetzt fluchte ich auch noch. Gott sei Dank nur in Gedanken, was für ein Glück.

„Edward … sieh mich an“. Er tat, was ich von ihm verlangte und fixierte mich mit einem leicht nervösen Blick. „Gibt es da etwas, das du mir sagen möchtest?“

„Wie … meinst du das?“, sagte er leicht zögernd und fuhr sich fahrig durchs Haar.

„Dieses Lachen, ich weiß, wer das ist“.

„Tust du das?“.

„Ja“.

„Okay“. Er lehnte sich zurück, verschränkte die Arme vor der Brust und grinste mich an.

„Er ist … hier, oder? Carlisle … er ist in diesem Restaurant“. Ich begann ernsthaft zu stottern und fühlte mich plötzlich ganz komisch. Was tat er hier und vor allem, was wollte er? Könnte es sein, dass er meinetwegen … oh nein, ganz bestimmt nicht. Er wollte doch nichts mehr von mir, und hatte Edward ausrichten lassen, dass ich nicht auf ihn warten sollte. Aber warum ...

„Jup“, sagte Edward und grinste noch breiter als zuvor. Und warum zur Hölle grinste er ohne Ende? Gott, ich hatte schon wieder geflucht!!

„Mom, hör mir bitte zu“. Edward beugte sich wieder nach vorn, nahm meine zitternden Hände in seine und lächelte mich liebevoll an. „Es ist kein Zufall, dass Dad nebenan sitzt, und Jasper hat auch keine Verdauungsprobleme“, begann er, kicherte kurz, wurde wieder ernst und fuhr fort. „Du liebst deinen Carlisle noch immer, gib es doch zu. Und auch er hat dich nach wie vor nicht los gelassen. Herrgott nochmal, steht endlich zu euren Gefühlen und sprecht euch aus“.

Ich konnte nichts anderes tun, als ihn mit weit aufgerissenen Augen und offenem Mund anzustarren und seinen unglaublichen Worten zu lauschen. Also war das hier ein abgekartetes Spiel? Edward und Jasper hatten Carlisle und mich hierher gelockt, um uns wieder zu verkuppeln?? Wow …

Augenblicklich wurde mir heiß, mein Herzschlag verdoppelte seine Geschwindigkeit und meine Hände begannen zu schwitzen. Himmel, ich konnte doch nicht einfach da raus gehen, mich ihm an den Hals werfen und meine Liebe gestehen. Gott ja, Edward hatte recht, ich liebte ihn noch immer. Eigentlich hatte ich gar nie damit aufgehört, Carlisle zu lieben. Dennoch war die Scheidung keine schlechte Idee, es lief einfach nicht mehr gut zwischen uns beiden, der Alltag hatte uns vermutlich erdrückt.

„Mom?“ Edward holte mich wieder ins Hier und Jetzt und lächelte mich an. „Geh raus und sprich mit ihm. Überleg mal – du hast nichts zu verlieren, kannst nur gewinnen. Also, fass dir ein Herz, atme tief durch und schnapp dir den, den du liebst. Er weiß nicht, dass du hier bist, also los“. Mein Sohn stand auf, musterte mich ein wenig nervös und streckte mir seine Hand entgegen, um mir hoch zu helfen. Ich ergriff sie und wollte mich gerade eben erheben, um zu meinem Ex-Mann zu gehen, als...

„Esme, Liebling, hier bist du ja!!“. Paolo. Scheiße. Dieses Mal war mir das Fluchen egal.

Entsetzt fiel ich auf meinen Stuhl zurück und starrte ihn an. Gott, ich konnte es nicht fassen – was tat er hier? „Was tust du im Pagliacci? Woher wusstest du … was soll denn das alles?“, stotterte ich drauf los. Paolo schaute verwirrt zwischen mir und Edward hin und her, doch dieser hob in alter geht-mich-nix-an-Manier die Hände und wich grinsend ein paar Schritte zurück.

„Edward“, fauchte ich ihn an, doch mein hinterhältiger Sohn sagte kein Wort, sondern ließ uns einfach allein. Na bravo, und jetzt? Mit vor Wut zitternder Stimme und verengten Augen drehte ich mich langsam zu Paolo.

„Was willst du von mir? Hast du nicht schon genug angerichtet? Du glaubst doch nicht wirklich, dass ich jemals wieder...“

„Bitte, Liebes, hör mir zu“, stoppte er meine erste Hasstirade und lächelte mich wehmütig an.

„Steck dir dein 'Liebes' sonst wohin“.

„Esme, ich flehe dich an. Gib mir fünf Minuten, ja? Nur läppische fünf Minuten. Lass mich erklären“.

Ich schnaubte wütend auf, verschränkte die Arme vor der Brust und bewunderte aufmerksam den wundervollen, edlen und perfekt polierten Parkettboden unter mir.

Paolo seufzte theatralisch auf und begann tatsächlich, mich vollzujammern. Unglaublich, sowas.

„Liebes...“, meine Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen und ich schaute ihn offenbar so furchterregend an, dass er zusammen zuckte und von vorne begann. Ich widmete mich wieder dem Parkettboden. Gelangweilt, desinteressiert und so voller Hass, dass ich am liebsten sofort aufgestanden und zu Carlisle geflüchtet wäre. Dennoch wollte ich wissen, was  mir Paolo zu sagen hatte. Die Neugier gewann.

„Esme, bitte. Es tut mir alles so leid. Glaub mir, ich fühle mich furchtbar schlecht wegen all dem, was ich angerichtet habe. Elena hat mich verlassen, die Scheidung ist bereits am Laufen, also ich bin wieder zu haben“. Oh mein Gott, was für ein Schwein. Langsam hob ich meinen Kopf und schaute in ein widerlich grinsendes Gesicht, aber ich hielt vorsichtshalber meinen Mund und beschäftigte mich wieder mit dem Parkett.

„Ich liebe dich, Baby. Bitte verzeih mir. Ich würde alles dafür geben, wenn du wieder die Frau an meiner Seite werden würdest. Nur mit dir kann ich glücklich sein, du bist alles für mich. Lass mich dir jeden Wunsch von den Augen ablesen, lass mich dir die Sterne vom Himmel holen. Esme Cullen, bitte gib mir noch eine Chance – willst du mich heiraten?“. (Beta-A/N: *Wok auf Paolos Kopf schlag*)

Während ich nur laut aufkeuchen konnte, nahm dieses Schwein meine Hände in seine, zog sie ruckartig und absolut unromantisch an seinen Mund und drückte einen feuchten Kuss darauf. Ein Ekelschauer rieselte über meinen Rücken, und ich wollte mich ihm entziehen, doch er ließ es nicht zu. Gott, warum war ich noch mal mit diesem Idioten zusammen gekommen??

„LASS.MICH.LOS“, zischte ich ihn an, doch das interessierte ihn nicht. Die anderen Gäste um uns herum wurden bereits auf unser Theater aufmerksam und beobachteten misstrauisch, was hier geschah.

„DU SOLLST MICH LOSLASSEN, VERDAMMT NOCH MAL“, fuhr ich ihn an und schoss hoch, aber er hielt meine Hände so fest, dass ich keine Chance hatte, mich zu befreien. „Esme, Liebes … Bitte! Was ist denn mit dir? Wir waren doch so glücklich, hast du das alles vergessen?“ (Beta-A/N: Halt doch einfach deine Fresse.)

Tränen des Zorns sammelten sich bereits in meinen Augen, als sich ein Herr an einem Tisch schräg gegenüber erhob, um mir zu helfen. Ich schaute ihn flehend an, doch er setzte sich wieder hin und lächelte. Warum??

„Finger weg von meiner Frau“, hörte ich plötzlich leise und ruhig, aber dermaßen gefährlich, dass eine Gänsehaut über meinen Körper kroch. Mein Kopf zuckte in die Richtung, aus welcher die Stimme kam, und ich blickte in die zu Schlitzen verengten Augen von Carlisle, die tödlich auf Paolo nieder funkelten.

„Ex-Frau“, korrigierte Paolo frech und grinste seinen Kontrahenten an. „Sie haben nichts mehr zu melden, Mr. Cullen, also gehen Sie zurück an ihren Tisch. Esme will mich, sie weiß es nur noch nicht“.

„Halts Maul“, knurrte mein Retter, und meine Augen weiteten sich, als plötzlich die komplette Mannschaft in unserem Nebenraum erschien. Jasper, Alice, Edward und sogar Bella. Alle vier hatten einen verdammt zufriedenen Gesichtsausdruck, machten sich überhaupt keine Gedanken wegen dem, was hier vor sich ging, und lächelten. Fantastisch.

„Und nur, damit du es weißt“, fauchte Carlisle weiter, überrumpelte Paolo und riss meine Hände endlich aus seinen, „Diese Frau hier...“, er legte einen Arm um meine Taille und zog mich fest an sich, „...ist MEINE Frau. Das war sie schon immer und wird es auch immer sein. Mach dich endlich vom Acker, sie will nichts von dir, also hau ab und lass dich nie wieder blicken!!“. Oh mein Gott, ich konnte es nicht fassen!! Seine Frau...

Paolo grinste noch immer und sah mich an. „Sag ihm, dass er falsch liegt, Liebes“, sülzte er. „Und sag ihm, dass du mich heiraten wirst, so wie es noch vor kurzem geplant war. Wir gehören zusammen, Esme, das weißt du doch“.

Carlisles Griff um meine Taille wurde immer enger und fester. Es war, als ob er sich an mir festhalten würde, nicht fähig, allein zu stehen. Ich konnte förmlich fühlen, wie angespannt er war. Ein leichtes Beben ging durch seinen Körper, als er ängstlich auf mich nieder blickte, und seine Kiefermuskeln zuckten. Ich hob meinen Kopf und sah ihn an. Gott, ich liebte diesen Mann.

'Bitte geh nicht. Lass mich nicht allein', las ich in seinen verzweifelten Augen, und noch was konnte ich lesen. Ganz eindeutig, ich war mir sicher … 'Ich liebe dich'. Vermutlich konnte auch er ohne Worte erkennen, wie ich fühlte und wie es mir ging, denn sein Blick wurde plötzlich weich, und er lächelte mich an. Der Griff um meine Taille wurde lockerer, sanft hob er seine linke Hand.

„Ich liebe dich, Baby“, flüsterte er und streichelte über mein Gesicht.
„Ich dich auch“, erwiderte ich glücklich, schmiegte mich in seine Hand, und … erstarrte. Bella.

Keuchend löste ich mich aus Carlisles Umarmung und drehte mich um. Verdammt, ich war gerade in einer anderen Dimension und schämte mich zu Tode, weil ich meinem Ex-Mann neben seiner Frau sagte, dass ich ihn liebte. Oh mein Gott, wie krank war das eigentlich alles hier??

Als ich meine Augen fast ängstlich auf Bella richtete, konnte ich kaum glauben, was ich zu sehen bekam. Edward hatte seine Arme um sie geschlungen, sie ihre um seinen Bauch. Ihr Gesicht lag auf seiner Brust, und die beiden wirkten absolut glücklich und zufrieden. „Ihr habt das alles geplant, oder?“, sagte ich ganz leise, weil ich plötzlich irgendwie überfordert war. Bella nickte und lächelte mich an. Ich hob meinen Kopf und suchte Edwards Blick. In seinen Augen sah ich Glück, Stolz und eine tiefe, innige Freude.

Vollkommen perplex widmete ich meine Aufmerksamkeit nun Jasper und Alice, doch die beiden verhielten sich gleich wie die anderen zwei, standen eng aneinander gekuschelt an der Wand und strahlten mich an.

„Esme, Liebes...“. Gott, dieser Idiot war ja auch noch da.

Ich verdrehte wegen dieser verhassten Anrede die Augen und zwinkerte Carlisle zu. Als wortlose Antwort bekam ich vom Mann meiner Träume ein zauberhaftes Lächeln, also löste ich mich sanft aus seiner Umarmung und drehte mich zu Paolo.

„Hör mir nun gut zu … Ich habe nie aufgehört, meinen Ex-Mann zu lieben, und du solltest wissen, dass ich nicht vor habe, mit dir mein Leben zu verbringen. Gott sei Dank hab ich dich nicht geheiratet, denn du wärst vermutlich nur eine Notlösung gewesen. Wahrscheinlich hätte ich dich nur benutzt, um mich über meine große Liebe hinweg zu trösten, aber ich bin mir sicher – das hättest du nicht geschafft“. Paolo keuchte laut auf und fuhr sich nervös über den Nacken. Ich genoss es, ihn fertig zu machen und fuhr lächelnd fort.

„Glaubst du wirklich, dass ich dir jemals wieder vertrauen könnte? Carlisle hatte also recht – ich will nichts von dir. Wenn du uns dann bitte allein lassen würdest, ich denke, hier gibt es etwas zu feiern“. Dann drehte ich mich einfach weg und schenkte meine Aufmerksamkeit jenem Mann, der vor weit über fünfzehn Jahren mein Herz gestohlen, es aber nie wieder zurückgegeben hatte. Edward murmelte ein amüsiertes „Das hat gesessen“, und ich fühlte mich so euphorisch, wie schon lange nicht mehr.


Doch eine Kleinigkeit fehlte. Es juckte förmlich in meinen Fingern, und ich konnte nicht widerstehen. „Ach, und Paolo?“ Er schaute mich an, zog eine Augenbraue hoch und grinste. Was für ein …
Ohne mit der Wimper zu zucken ballten sich die Finger meiner rechten Hand zu einer Faust, und diese landete kurz darauf mit Schwung an seinem Kinn. Er keuchte auf, starrte mich total entsetzt an und rieb über die Stelle, an welcher sich gerade meine Wut entladen hatte.

Und nun grinste ICH.

„Nein, DAS hat gesessen“, gluckste Jasper. Kurz darauf begannen meine Lieben, laut zu lachen. Carlisle zog mich zärtlich an seine Brust und schenkte mir ein so stolzes Lächeln, dass ich vor innerer Genugtuung am liebsten laut geschrien hätte.

„Aber...“, versuchte Paolo ein letztes Mal meine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, doch nun war es genug. Mein Ex-Mann seufzte tief, packte ihn grob am rechten Oberarm und zerrte ihn zur Tür. Paolo warf mir noch einen angepissten Blick zu, bevor er sich zischend und fluchend aus Carlisles Klammergriff riss und mit einem lauten „Leckt mich doch alle am Arsch!!“ das Lokal verließ.

Und dann kam, was kommen musste – typisch Amerika.

Die Gäste in unserem Nebenraum begannen, uns lautstark zu applaudieren, machten teilweise sogar einen auf 'Standing Ovations' und feierten uns, als hätten wir was-weiß-ich-was getan. Edward, Bella, Jasper und Alice lachten laut und amüsierten sich prächtig über die Reaktion der Leute, Carlisle und ich … lächelten uns an. Er schlang seine Arme um meine Hüften, zog mich an sich und hauchte mir einen Kuss auf den Mund.

Gott, wie lange hatte ich von diesem Moment geträumt. Wie lange hatte ich mich danach gesehnt, das wieder einmal fühlen zu dürfen. Seine Lippen auf meinen, sein Körper ganz nah an meinem … Himmel, ich war so glücklich.

Und unser Publikum scheinbar auch, denn der Applaus brandete auf und toste durch das Restaurant. Aber ganz ehrlich – es war mir egal. Alles, was ich wollte, und alles, wovon ich jemals zu träumen gewagt hatte, war hier. Hier bei mir.

Meine Familie.

„Mission complete“, sagte Edward leise, und mein Kopf schoss zu ihm. Das glückliche Funkeln in seinen Augen schien noch intensiver geworden zu sein, als er mir zuzwinkerte, seine Bella umarmte und einen zärtlichen Kuss auf ihr Haar hauchte. „Ich glaube, wir können euch allein lassen, oder?“

„Ach, und Dad...“, riss Jasper das Wort an sich und machte sich ebenso daran, mit Alice an der Hand das Lokal zu verlassen, „...nun weißt du sicher, warum der Tisch draußen so romantisch dekoriert ist. Also, schnappt euch den Wein, nehmt Platz und lasst euch verwöhnen“.

Wann hatte ich meinen Jungs eigentlich das letzte Mal gesagt, dass ich sie liebe? Hm....

„Ich liebe euch, ihr zwei Gauner. Kommt her“, sagte ich so glücklich, dass ich explodieren hätte können und hatte kurz darauf in jedem Arm einen Sohn. „Danke … ich danke euch so sehr“. Ich drückte beiden einen Kuss auf die Wange und ließ sie los.

„Alice“. Edward und Jasper gingen zur Seite, die kleine Schwarzhaarige kam zu mir. „Auch bei dir möchte ich mich bedanken. Du bist sicher nicht unbeteiligt an dem Ganzen hier, und du machst meinen Junior glücklich. Danke“.

„Mooom“, protestierte dieser, weil er diese Bezeichnung absolut nicht leiden konnte und verdrehte glucksend die Augen.

Ich lachte eine Weile mit ihm, doch dann verspürte ich ein dringendes Bedürfnis, welches ich nicht abstellen konnte. Bella stand sehr diskret an der Wand, wollte sich in unser Familiengeplänkel offensichtlich nicht einmischen, doch verdammt, sie gehörte doch dazu. Diese Frau war die Freundin meines Sohnes, und mein Herz sagte mir, dass ich sie auch so behandeln sollte. Nicht nur mein Herz, auch mein Kopf.

Langsam ging ich also auf sie zu, blieb unmittelbar vor ihr stehen, legte eine Hand auf ihren rechten Oberarm und strich sanft daran auf und ab. In ihrem Gesicht spiegelten sich Verwirrung und Angst, doch ich lächelte sie an und begann, leise zu sprechen.

„Wir haben alle viel durchgemacht. Alle – nicht nur Carlisle. Du weißt, dass du daran nicht unschuldig bist. Dennoch ist es an der Zeit, zu vergeben, da wir die Auswirkungen unserer Entscheidungen nicht mehr ändern können. Sei es, wie es ist – ich sehe, wie sehr du Edward liebst...“, ich stockte kurz, mein Kopf flog zu Carlisle, doch der himmelte mich lächelnd an, also widmete ich mich wieder der Freundin meines Sohnes. „...und wie sehr er dich liebt. Werdet glücklich, meine Kinder, so wie ich es wieder sein darf. Ich danke euch für alles, was ihr für uns getan habt, und Bella – willkommen in der Familie“.

Während meiner Worte wurde sie immer gelöster und entspannter, ihr Blick wurde liebevoll und weich, doch die letzten zwei Sätze brachten sie zum Weinen. Schniefend lehnte sie sich gegen Edwards Brust, bevor sie sich von ihm löste und mich fast schüchtern umarmte. „Danke“, hauchte sie glücklich, schluchzte einmal auf und ließ mich wieder los.

„Alles gut“, sagte ich leise und lächelte sie an, bevor sie sich wieder an Edward kuschelte und ihre Arme um seinen Bauch legte.

„Ach, und meine Damen – ich bin Esme. Diese Sie-Sagerei wird nicht mehr toleriert“. Schmunzelnd drehte ich mich zum Tisch, schnappte mir den Merlot und ging zur Tür. „So, mein Lieber. Bereit, mit deiner ollen Ex-Frau den Abend zu verbringen?“ Ich zwinkerte Carlisle an und fühlte mich so gelöst, als hätte ich schon mindestens eine Flasche dieses Getränkes genossen.

Mein Ex kam mir sehr nahe und küsste zärtlich mein linkes Ohr. „Ich hätte dich gerne die ganze Nacht“, flüsterte er und ich erschauerte. Mit weit aufgerissenen Augen fixierte ich sein wundervolles Gesicht und brachte nicht mehr zusammen, als aufgeregt zu nicken.

Gott, er wollte mich. Er wollte mich tatsächlich, und er … liebte mich. Überglücklich fiel ich in seine Arme, und wir verschmolzen in einem zärtlichen Kuss.


EdwardPOV


„Fuck, Bro, besser hätte es gar nicht laufen können. Mom und Dad sind endlich wieder zusammen, Vollarsch hat das Weite gesucht, und alles ist gut“, raunte ich hochgradig zufrieden meinem grinsenden Bruder ins Gesicht. Er amüsierte sich gerade, weil unsere Eltern die Finger nicht mehr voneinander lassen konnten und gluckste selig vor sich hin.

Yeah, mein größter Wunsch war in Erfüllung gegangen, und mein Leben verlief in Bahnen, die nicht mehr zu toppen waren. Dennoch kratzte etwas gewaltig an meinem Glück. Dad machte nach wie vor keine Anstalten, mich so zu behandeln wie Jazz. Auch Bella schien er noch nicht verzeihen zu können, doch ich ging davon aus, dass er noch nicht soweit war und ließ ihn in Ruhe.

Ich sehnte mich so verflucht nach einer Umarmung von ihm, hätte alles dafür gegeben, wieder SEIN Edward sein zu dürfen, doch das war ich scheinbar nicht. Nicht mehr.

Mom und Dad setzten sich an den romantisch gedeckten Tisch, hielten sich an den Händen und schmachteten einander glücklich an, während wir uns bereit machten, zu gehen.

„Dann wünschen wir noch einen schönen Abend. Bleibt sauber und blamiert uns nicht“, witzelte Jazz und drückte unserer Mutter einen Kuss auf die Wange. Dad hielt er die Faust vors Gesicht, und dieser knallte mit seiner schmunzelnd dagegen. „Danke für alles“, sagte unser Vater und widmete sich wieder seiner Frau. Nun, eigentlich seiner Ex-Frau, denn seine aktuelle Angetraute war mein ... Fuck, wie krank!!

„Wir warten im Auto“, sagte Jazz leise und schaute mich traurig an. Auch ihm lag natürlich viel daran, dass in unserer Familie endlich wieder alles in Ordnung war, doch ich hatte nicht das Gefühl, dass unser Wunsch in Erfüllung ging. Noch lange nicht.

Nachdem ich Jasper zugenickt hatte, sah mich auch Alice wehmütig an, und dann verließen sie das Lokal. Leicht frustriert schaute ich den beiden hinterher. Zur Hölle, ich wollte mich auch von meinem Dad verabschieden. So richtig, wie Vater und Sohn, ohne diese ganzen scheiß Gefühle, die zwischen uns standen und uns blockierten. Ich wünschte, er könnte mir verzeihen.

Tief seufzend sank mein Kopf zwischen meine Schultern, doch ich hob ihn gleich wieder an und drehte mich um.

„Viel Spaß“, sagte ich nun ich zu Mom, küsste ihre andere Wange und versank für einen kurzen Augenblick in den Augen meines Dads. Deren Ausdruck war längst nicht mehr kalt oder leer, dennoch hatte ich nicht den Mut, das Wort an ihn zu richten oder so etwas zu veranstalten wie Jazz. Also senkte ich einfach meinen Blick, trat ein paar Schritte zurück und lächelte ihn vorsichtig an.

„Komm, Baby“, sagte Bella leise, nahm mich an der Hand und zog mich mit sich. „Schönen Abend, Esme“, rief meine Süße noch zurück zum Tisch und lächelte Dad genauso schüchtern an wie ich. Gott, wie gerne würde ich mich anständig von ihm verabschieden und ihm ebenso einen tollen Abend wünschen. Er erwiderte zwar unser Lächeln, doch es war genauso verhalten wie das von Bella und mir.

Langsam drehte ich mich weg, senkte frustriert meinen Kopf und ging mit Bella zur Tür. Dad hatte mir, oder besser gesagt uns noch immer nicht verziehen. Natürlich. Wie konnte ich auch nur davon ausgehen, dass nun alles gut werden würde? So vieles war passiert, und der Schmerz, den wir ihm angetan hatten, konnte sich nicht einfach in Luft auflösen, wo dachte ich denn hin?

Seufzend griff ich nach der großen, geschwungenen Messingklinke, legte meine Finger widerwillig darauf, drückte sie todunglücklich nach unten und öffnete die Tür.

„Hey, das wird schon wieder, gib ihm einfach noch ein bisschen Zeit. Du wirst sehen, der heutige Abend mit Esme tut ihm sicher gut. Vielleicht wird er alles noch einmal überdenken und … gibt uns eine zweite Chance. Hauptsächlich, er ist glücklich, der weitere Weg wird sich zeigen. Nimm es nicht so schwer, Liebster“. Bella drückte fest meine Hand und lächelte mich traurig an.

Ich ließ sie kurz los, um mich tief in meiner Jacke zu vermummen. Die kühle Nachtluft jagte mir eine Gänsehaut über den Körper, als ich meinen Arm wieder um meine Süße schlang und wir uns gegenseitig wärmten.

Himmel, ich hatte doch alles, was ich wollte. Bella. Sie war es doch, wofür es sich gelohnt hatte, dies alles in Kauf zu nehmen. Und sie war es, die sich in diesem Moment an mich schmiegte und ihre Arme fest um meinen Bauch geschlungen hatte. Und dennoch – es fehlte was.

Die Nacht war sternenklar und kalt, doch die Kälte der Luft war nichts gegen die in meinem Inneren. So sehr ich die Frau an meiner Seite liebte, so sehr vermisste ich meinen Dad. Er war mein Kumpel. Mein Vertrauter und bester Freund, und jetzt? Nichts. Mein Vater hatte mir gerade erst wieder gezeigt, dass er mich nicht mehr in seinem Leben haben wollte, und daran würde sich vermutlich auch nichts ändern.

Langsam und irgendwie gottverdammt verzweifelt bewegte ich meinen Kopf ein paar Mal nach rechts und links, packte mein Mädchen fester um die Hüften und wollte gerade mit ihr die Straße überqueren, als jemand nach uns rief.

„Edward! Bella! Wartet!“. Es war die Stimme meines Dads.

„Carlisle“, flüsterte meine Süße und blieb augenblicklich stehen. Ich tat es ihr gleich, aber nicht unbedingt, weil ich es so wollte, sondern weil mein Körper es mir befahl. Auch, wenn ich es darauf angelegt hätte, über die Straße zu rennen und vor ihm zu flüchten, ich hätte es nicht geschafft.

Eng aneinander geschmiegt drehten wir uns um und sahen kurz darauf in die Augen meines Vaters, der unmittelbar vor uns stand und unsere nervösen Blicke genauso nervös erwiderte. Eine gute Minute standen wir drei uns gegenüber, keiner sagte ein Wort, wir starrten uns lediglich an.

Allerdings fiel mir auf, dass der Ausdruck in Dads Augen immer weicher wurde, und ich konnte förmlich fühlen, wie die Steine, die die Mauer um sein Herz aufrecht erhielten, zu bröckeln begannen und zu Staub zerfielen. Wäre es tatsächlich möglich, dass er uns nun verzeihen würde? Hier und jetzt?

„Esme hat ...“, begann er leise und fuhr sich einmal verlegen durchs Haar, bevor er seine Hände in den Jackentaschen vergrub, „...sie meint … ach, Himmel noch mal, sie will, dass wir uns endlich wieder vertragen“. Er kniff die Augen zusammen, seufzte tief und schaute uns wieder an. Bella und ich sagten kein Wort, wir wussten auch nicht, was.

„Ich weiß … sie hat recht. Es kann so nicht weitergehen. Ihr habt mich sehr verletzt, doch das ist euch sicher bewusst. Allerdings haben wir alle Fehler gemacht, auch ich. Bella ...“, er hob leicht seinen Kopf und sah ihr tief in die Augen, „...ich hab vieles falsch gemacht und hab dich unbewusst in Edwards Arme getrieben. Verdammt ja, ich war stolz, eine so schöne, junge Ehefrau zu haben, doch unsere Beziehung stand unter keinem guten Stern. Auch ich hätte früher reagieren und die Hochzeit verhindern müssen, aber nun ist es zu spät“.

„Carlisle, bitte, du musst nicht...“

„Nein, Bella, es ist in Ordnung. Keiner von uns trägt allein die Schuld an dem, was vorgefallen ist, und ganz ehrlich -“, plötzlich huschte ein verschmitztes Lächeln über sein Gesicht, „ - ich danke euch für das, was ihr für mich und Esme getan habt. Ich weiß nun endlich, wo ich hingehöre, und vor allem, wer zu mir gehört. Die zweite Chance, die ich eben bekommen habe - ich werde sie nutzen. Die Scheidung ist ohnehin unausweichlich, also ...“.

„Oh mein Gott, ist das dein Ernst?“, fiel ich ihm nun ins Wort. Ich konnte es einfach nicht fassen, was hier vor sich ging. War es tatsächlich wahr? Er hatte uns verziehen?

„Ja, das ist mein Ernst. Komm her, mein Sohn“, sagte er leise, lächelte mich liebevoll an, zog die Hände aus seinen Taschen und streckte mir seine Arme entgegen. Ich drückte Bella einen Kuss auf den Kopf, ging fast ein bisschen schüchtern auf meinen Vater zu, und kurz darauf schlangen sich seine Arme um mich und klopften sanft auf meinen Rücken. Fuck, wie sehr hatte ich mich nach so einer Umarmung gesehnt, wie sehr hatte ich meinen Dad vermisst...

„Danke“, sagte ich mit einem fetten Kloß im Hals. Ich war so verflucht gerührt, dass ich auch gar nicht wusste, was ich sonst noch hätte sagen sollen.

Er ließ mich wieder los, umarmte sich selbst und rieb an seinen Armen auf und ab. „Scheiße, ist das kalt“, stellte er fest, zappelte eine Weile hin und her und begann zu grinsen. „Ich denke, ich werde wieder ins Pagliacci gehen. Zu meiner Frau“. Er zwinkerte meiner Süßen zu und grinste nun wirklich über das ganze Gesicht. „Schaut, dass ihr nach Hause kommt, sonst erkältet ihr euch noch. Und Bella – ich ruf dich morgen an, ja? Dann können wir alles wegen der Scheidung besprechen. Schönen Abend noch“. Aus dem breiten und irgendwie verflucht frechen Grinsen wurde ein glückliches Lächeln. Dann drehte er sich um und ging, sich den warmen Atem auf die Hände pustend, ins Restaurant zurück.

Bella und ich standen eine Weile stumm und bewegungslos da und starrten ihm hinterher. Ich konnte einfach nicht glauben, was da eben geschehen war, und während ein heißes Glücksgefühl mich von innen erwärmte, hob meine Bella den Kopf und strahlte mich an.

„Scheiße, wie geil war DAS denn?“, sagte sie vollkommen überwältigt und grinste mich dermaßen selig an, dass ich laut lachen musste. So war sie, meine Bella. Fucking heiß und sexy, und ein Mundwerk, das seinesgleichen suchte.

„Ab nach … Hause“, japste ich, packte mein inzwischen ebenso lachendes  Mädchen an der Hand, riss meinen Kopf schnell nach rechts und links und lief mit ihr über die Straße, wo Jasper und Alice im Volvo sitzend bereits auf uns warteten.

„Was ist denn mit euch passiert?“, fragte uns die kleine Hexe mit großen Augen, nachdem wir uns glucksend auf die Rücksitzbank fallen ließen und küssend übereinander herfielen. Für eine Sekunde unterbrach ich den Kuss, keuchte ein „Später“ nach vorn, und widmete mich wieder meiner Bella, die ihre Finger in meinem Haar vergraben hatte und mein Gesicht leise stöhnend zu ihrem zog.

Diese Nacht war etwas Besonderes. Mein Leben war wieder in Ordnung, und nur eine hoffentlich problemlose Scheidung trennte mich noch vom perfekten Glück.

„Ich hoffe, dir ist klar, dass du bis morgen Früh kein Auge zutun wirst“, hauchte ich meiner Süßen mit dunkler Stimme ins Ohr, nachdem wir den Kuss beendet hatten. „Es sei denn, ich gestatte dir, sie zu schließen, wenn du kommst“

„Mmmmh ... ich bin nicht müde“, schnurrte sie und grinste mich an.

Ich grinste zurück, zog sie eng an mich und freute mich auf die Nacht...

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