Seiten

Sonntag, 18. März 2012

(36) Den Schalk im Nacken...




„Ich werd mich bemühen“, rief ich schmunzelnd und spürte mein Handy vibrieren, als ich gerade mein Büro aufschließen wollte. Rasch holte ich es aus der Innentasche meiner Jacke und checkte die eingegangene SMS.

18 Uhr. Forks. Alle. Und zieht euch warm an. Dad

WTF???





Mein Puls war auf fünftausend, als ich immer und immer wieder meine Augen über diesen kurzen Text huschen ließ. Was zur Hölle war nun schon wieder los? Er wollte uns alle in Forks haben, und wir sollten uns warm anziehen? Wieso? Ich dachte, dass wir uns ausgesprochen hätten, hoffte, dass er endlich in der Lage wäre, uns zu verzeihen und die Beziehung zwischen Bella und mir zu akzeptieren … und jetzt?

„Fuck“, kam es kreativ und einfallsreich wie immer über meine Lippen, als ich total durcheinander mein Büro verließ und kurz darauf ohne anzuklopfen in das von Jasper krachte. Kommentarlos trat ich ein, kickte die Tür hinter mir zu, holte mir einen Stuhl und deponierte ihn geräuschvoll neben dem Schreibtisch.

Jasper beobachtete wortlos, aber mit hochgezogener Augenbraue mein Tun und schaute mich skeptisch an. Seufzend nahm ich Platz und fuhr mir durchs Haar.

„Was geht denn mit dir? Ist alles in Ordnung? Kann ich dir irgendwie helfen?“, bombardierte er mich mit allerlei Fragen und beobachtete mich mit einem mittlerweile ein wenig besorgten Blick.

„Lies!“, forderte ich ihn lediglich auf, legte mein Handy auf seinen Tisch und gab dem silbernen Scheißerchen einen leichten Schups, sodass es ein Stück rutschte und direkt vor ihm zum Liegen kam.

„Was ist denn los?“, fragte er nun mit einem leicht ängstlichen Unterton, nahm zwar mein Telefon, starrte mich jedoch noch immer an.

„Man, Jazz. Lies einfach“, erwiderte ich ungeduldig und leicht angepisst.

Er tat, was ich von ihm verlangte, kommentierte diese seltsame SMS mit einem ebenso originellen „Fuck“, sank gegen die Lehne seines Ledersessels und fuhr sich durchs Haar.

„Und? Was hältst du davon?“, wollte ich gleich darauf wissen und sah ihn abwartend an.

„Keine Ahnung“, murmelte er und stand auf. „Zur Hölle, was ist denn jetzt schon wieder los?“, zischte mein verwirrtes Brüderchen und begann wieder einmal, wie aufgezogen in seinem Büro hin und her zu laufen. Einen Augenblick später hielt er inne, zog hektisch sein Handy aus der Innentasche seines schwarzen Jacketts und tippte drauf herum. „Mir hat er nicht geschrieben“, stellte er kurz darauf fest, runzelte angespannt die Stirn und steckte das Telefon wieder weg. „Hast du eigentlich den Hauch eines verfluchten Schimmers, was Dad haben könnte?“. Er fuhr sich wieder durchs Haar und seufzte mich an.

„Keine Ahnung“. Ich zuckte mit den Schultern und beobachtete Jazz, der sich wieder daran gemacht hatte, einen Marathon in seinem Büro zurückzulegen. „Wir haben keine Wahl, Bro. Das Beste wird sein, wenn wir unsere Mädels einpacken und um sechs in Forks auf der Matte stehen. Das sind wir ihm einfach schuldig. Bitte ruf Alice an, ich lauf schnell runter zu meiner Bella. Vielleicht hat sie auch eine SMS bekommen, wer weiß?“

Ich stand auf, stellte den Stuhl zurück an den Besprechungstisch und ging zur Tür. Jazz cruiste nach wie vor durch den ganzen Raum, während seine Finger immer wieder durch sein Haar strichen und ab und an daran zogen. „Hey, Alter, hör auf. Komm mal wieder runter“, murmelte ich, nachdem ich auf ihn zugegangen war und meine Hand beruhigend auf seine Schulter gelegt hatte. „Ruf Alice an, okay? Sprich mit ihr und bitte sie einfach, mit uns zu kommen. Der Rest wird sich zeigen. Wir können nur abwarten und hören, was uns Dad zu sagen hat. In Ordnung?“

„Yeah, du hast recht“, stimmte mir Jasper zu, ging hinter seinen Schreibtisch und ließ sich mit einem tiefen Seufzen in seinen Ledersessel fallen.

„Gut“, sagte ich einigermaßen beruhigt und ging wieder zur Tür.

„Ach, Edward …“. Ich blieb stehen, drehte mich um, sah meinen Bruder fragend an, sagte jedoch nichts. „Hast du Dad eigentlich schon zurück geschrieben?“.

„Fuck, nein. Das hab ich wohl in meiner Aufregung vergessen. Abgesehen davon weiß ich ja noch nicht, ob die Mädels mit uns kommen können. Also bitte – sprich mit Alice, und ich lauf schnell zu meinem Mädchen. Ich komm dann wieder bei dir vorbei, okay?“

Jazz nickte wortlos und griff sofort nach seinem Handy, während ich beinahe fluchtartig sein Büro verließ.

Wie von der Tarantel gestochen lief ich die Treppen nach unten, aber nicht, ohne zuvor die Stoppuhr auf meiner Breitling zu aktivieren. Keuchend erreichte ich den zwölften Stock. Ein rascher Blick auf meine Armbanduhr bestätigte meinen Verdacht. Yeah, neuer Rekord. Fünf Sekunden schneller als sonst. Das war eben ein kleines privates Spielchen, welches ich immer wieder liebte, und dieses Mal hatte ich mich wirklich selbst übertroffen.

Grinsend, aber dennoch furchtbar aufgeregt flitzte ich wieder einmal an Bellas Vorzimmerdame vorbei. Diese sah nur kurz hoch, begrüßte mich mit einem gelangweilten „Hi, Edward“, und senkte wieder ihren Blick. Naja, schon in Ordnung, immerhin war es in letzter Zeit zur Gewohnheit geworden, dass ich einfach durch die Glastür geschossen kam und schnurstracks auf das Büro meiner Süßen zustürmte.

„Morgen!“, grüßte ich zurück, bremste förmlich vor der dritten Tür links zusammen und klopfte an.

„Ja bitte?“, drang ihre liebliche Stimme an mein Ohr, und sofort fühlte ich, wie sich meine angespannten Muskeln lösten und diese unangenehme Anspannung von mir wich.

Ich drückte die Klinke nach unten, trat ein und schloss die Tür leise hinter mir. „Hi Baby…“, schnurrte mein Mädchen glücklich und kam strahlend auf mich zu. Sofort krachte ihr Mund auf meinen, und nach einem viel zu heißen Kuss trennte sie sich von mir. „Was verschafft mir die Ehre?“. Ich beugte mich nach unten und küsste sie erneut.

„Eigentlich würde ich jetzt lieber etwas anderes mit dir machen“, nuschelte ich an ihren Lippen, weil ich schon wieder nicht genug von ihr bekommen konnte, „aber es gibt da etwas Unangenehmes, das ich dir sagen muss“. (Beta-A/N: Du trennst dich von ihr und gehst zu Elke? Wirklich? Hast du endlich den Arsch in der Hose, um ihr das zu sagen? Hach, Junge, ich bin stolz auf dich)

„Ist etwas passiert?“. Leicht geschockt machte sie einen Schritt zurück und bedachte mich mit einem besorgten Blick.

„Keine Ahnung, lies einfach“. Ich zuckte mit den Schultern und drückte ihr mein Handy in die Hand. Mit hochgezogener Augenbraue beobachtete ich aufmerksam ihre Reaktion, doch diese war in etwa gleich wie die von Jazz und mir.

„Was ist denn nun schon wieder los?“, kommentierte sie die SMS, seufzte tief und gab mir mein Telefon zurück, welches sofort wieder in der Arschtasche meiner Jeans verschwand.

„Ich weiß es nicht, aber ich denke, wir sollten um sechs in Forks sein, dann wissen wir mehr. Also – wie siehts aus? Bist du dabei oder hast du einen Termin?“

„Scheiße, ja, eigentlich … Mist, verdammter!“. Sie stampfte wie ein wütendes Kleinkind mit dem Fuß auf den Boden, drehte sich um und lief zu ihrem Schreibtisch. Dort tippte sie eine einzige Taste und trommelte nervös mit den Fingern auf einem hellblauen Umschlag herum. „Rose? Schatz, kannst du mal einen Sprung zu mir rüber kommen, bitte? … Ja, gleich, wenn es geht … okay, dank dir“, dann legte sie wieder auf.

Keine zehn Sekunden später klopfte es kurz, und Rosalie betrat den Raum. Boah, sie war wirklich eine schöne Frau mit den Kurven an den richtigen Stellen, aber niemals würde sie meiner Bella das Wasser reichen können. Keine konnte das. Auch in tausenden von Jahren würde es auf dieser Welt kein weibliches Wesen geben, welches jemals die Schönheit meiner Süßen übertreffen würde.

„Oh, hi, Edward. Schon lang nicht mehr gesehen“, riss mich Rose aus meinen kitschigen Gedanken und begrüßte mich mit Küsschen rechts, Küsschen links. Ich tat es ihr gleich und grinste sie an.

„Yeah, du bist wohl zu sehr mit Emmett beschäftigt. Wie läuft es mit euch beiden? Alles klar?“

„Aber sowas von“, bestätigte Rose und grinste plötzlich dermaßen dreckig, dass ich misstrauisch wurde. Meine Augenbrauen schoben sich langsam nach oben, als ich meinen Blick auf die Blondine richtete, die vor mir stand und leise zu kichern begann.

„Alles bestens mit Em, vielen Dank“, gluckste sie. „Dennoch würde ich ganz gerne mal mit ihm einen Ausflug in den Park unternehmen. Vorzugsweise zum Pavillon…“

„ROSE!!!! Herrgott noch mal, kannst du denn niemals deine Klappe halten??“, brüllte meine Süße und wurde gerade eben rot wie eine Tomate.

„Waschweib“, zischte ich gespielt wütend in ihre Richtung. Bella legte mit einem angepissten Stöhnen ihre Unterarme auf den Schreibtisch, schlug sie über einander und vergrub ihr Gesicht darin. Kurz darauf begann ihr ganzer Oberkörper zu vibrieren, und ein seltsames Grunzen bestätigte meinen Verdacht. Sie lachte sich gerade schlapp.

Auch Rosalies Lachen wurde immer lauter, also stimmte ich ein, und wir lachten eine Runde gelöst vor uns hin, bis … ja, bis mir wieder einfiel, warum ich überhaupt hier war.

Abrupt stellte ich mein Lachen ein, und mein ernster Blick schoss zwischen den Ladies hin und her. „Baby, wir sollten da was klären, du weißt…“

„Oh verdammt, entschuldige bitte“, nuschelte sie, wischte sich tatsächlich ein paar Lachtränchen aus den Augen und zuckte förmlich zusammen. „Wie konnte ich nur, es ist … scheiße, es tut mir leid“. Das schlechte Gewissen schien sie gerade zu erdrücken.

Raschen Schrittes eilte ich auf sie zu, zog sie hoch und schlang meine Arme um ihren fantastischen Körper. „Hey, ist doch nichts passiert. Keine Panik, so hab ich das doch nicht gemeint. Ich dachte nur, du wolltest etwas mit Rosalie besprechen wegen heute Nachmittag. Deshalb ist sie doch hier, oder?“

„Natürlich“, sagte meine Süße leise und senkte verlegen den Blick. „Rose …“, sie drehte sich zu ihrer Freundin, atmete tief durch und ging ein paar Schritte auf sie zu. „Dieser Termin heute um 17:30 Uhr, du weißt schon, Mr. Jenkins … könntest du den bitte für mich übernehmen? Wir müssen dringend nach Forks, Carlisle will unbedingt, dass wir …“

„Ist was passiert?“, unterbrach Rosalie Bellas leises Gestammel und legte einen Arm um ihre Schultern. „Ich dachte, ihr hättet euch ausgesprochen und es wäre alles in Ordnung?“

„Ja, das dachten wir auch“, sagte meine Süße kleinlaut und zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung, was schon wieder los ist, aber er wünscht sich auf alle Fälle, dass wir heute alle um achtzehn Uhr in Forks sein sollen. Du bist informiert über die geschäftlichen Details, was Mr. Jenkins betrifft, und ich bitte dich …“

„Ich kümmere mich drum, Liebes. Mach dir keine Gedanken. Ich will doch auch nur, dass es dir gut geht und du endlich mit Mr. Pavillon glücklich sein kannst“, gluckste Rosalie. Sie wollte mit dieser spitzen Bemerkung wohl Bellas trübe Stimmung heben, und das war ihr auch eindrucksvoll gelungen.

„Danke, hast was gut bei mir“, schmunzelte meine Süße amüsiert, und Rosalie zwinkerte mir zu. „Du hast verdammt gute Ideen, mein Lieber. Respekt“. Lachend boxte sie mir gegen den rechten Oberarm und drehte sich weg. „Mrs. Elroy wird jeden Moment an meine Tür klopfen, ich muss los, Schatz. Also – mach dir keine Gedanken, du kannst ruhig früher Schluss machen heute. Ich halte die Stellung und werde mich um Mr. Jenkins kümmern, okay? Bye Edward. Und Bella …“, sie schaute über ihre Schulter, hob ihre rechte Hand und wackelte mit dem gestreckten Zeigefinger hin und her, „…morgen krieg ich einen Live-Bericht, ja?“

„Klar, Süße“, versicherte mein Mädchen, und kurz darauf waren wir allein.

Ich versprach Bella, dass ich sie um fünfzehn Uhr abholen würde, küsste sie noch ein weiteres Mal um den Verstand und machte mich wieder auf den Weg nach oben. Leider konnten wir heute die Mittagspause nicht miteinander verbringen, da Jazz und ich ab halb zwölf ein wichtiges Meeting hatten, welches wir unmöglich verschieben oder gar absagen konnten.

Es ging um einen verdammt wichtigen Kunden, und wir waren drauf und dran, einen megageilen Auftrag an Land zu ziehen. Mrs. Winter - die Inhaberin einer noblen Boutiquen-Kette - war schwer daran interessiert, über unsere Firma eine groß angelegte, internationale Werbekampagne zu starten. Aber hey – die Frau war über fünfzig und scharf auf Jasper und mich, dass die Hälfte schon reichen würde. Egal –  Augen zu und durch. Ein bisschen Flirten könnte nicht schaden, und das war es doch, was wir am besten konnten.

„Und? Wie sieht es aus mit Alice?“, fragte ich meinen Bruder, nachdem ich sein Büro betreten hatte. Ich schmiss die Tür geräuschvoll hinter mir zu und setzte mich auf den erstbesten Stuhl.

„Yeah, sie ist dabei“, sagte er erleichtert. „Meine Kleine hat zwar einen Termin bei Gericht, aber sie hat mir versichert, um fünfzehn Uhr bei uns zu sein. Und Bella?“

„Sie hätte eigentlich eine Kundenbesprechung gehabt, aber Rose springt für sie ein. Also würde ich sagen, wir werden auf unsere Mädels warten und dann gleich aufbrechen, in Ordnung?“. Ich erhob mich, schob den Stuhl ordentlich an seinen Platz zurück und ging Richtung Tür.

„Okay, dann bis halb zwölf“, murmelte mein Bruder vor sich hin, während er sich bereits wieder um seine Arbeit kümmerte und angespannt auf den Bildschirm sah.

Da ich ihn nicht stören wollte, verließ ich leise sein Büro und sank kurz darauf in meinen Sessel. Als erstes checkte ich wieder einmal meine Mails und verdrehte die Augen bei dem, was ich zu sehen bekam. SIE hatte mich angeschrieben, um den Termin zu bestätigen.

Gott, diese Boutiquen-Tussi nervte mich zu Tode. Ihre Anmache war dermaßen billig, dass mir bei jedem Meeting beinahe das Kotzen kam. Und mal ganz im Ernst – was erwartete sie denn von uns? Was sollten wir mit einer Fünfzigjährigen? Wir hatten doch unsere heißen Schnitten, die uns das Leben versüßten!

„Lieber Edward, Lieber Jasper! Ich freu mich schon auf unseren Termin und hoffe, dass wir uns einigen können. Bis später. Mit den allerliebsten Grüßen, Dolores Winter“, las ich laut und schüttelte den Kopf. Nachdem sie eine Antwort ohnehin nicht mehr erreichen würde, löschte ich die Mail und machte meinen Job.



Gegen vierzehn Uhr war der Deal perfekt. Wir hatten tatsächlich diesen Megaauftrag an Land gezogen und waren unglaublich stolz. Jasper und ich flirteten wie die Berserker, wickelten Dolores gekonnt um den Finger und besiegelten unsere Kampagne mit einem Glas Champagner. Nachdem sie ausgetrunken und auf ihrem Glas einen fetten, dunkelroten Lippenstiftrand hinterlassen hatte, hauchte sie uns beiden einen Kuss auf die Wange und grinste uns lasziv ins Gesicht. Verdammt, war mir schlecht.

Nun hatten wir es aber hinter uns und naja … feierten uns selbst. Jazz und ich lümmelten auf meiner Couch und nippten zufrieden an einem weiteren Glas des edlen Gesöffs, doch da uns dieses Zeug nicht wirklich schmeckte, blieb es auch dabei.

Plötzlich spitze Jasper aufreizend die Lippen, klimperte mit den Wimpern und schaute mich verführerisch an. „Es ist mir immer wieder eine Freude, mit Ihnen Geschäfte zu machen, meine Hübschen“, wisperte er mit verstellter Stimme, machte einen auf Dolores und spielte neckisch mit seinem Haar.

Ich konnte diesen Anblick und seine Stimme kaum ertragen, stellte mein Glas auf den Boden und lachte mich beinahe tot. Kurz darauf wurden wir  jedoch plötzlich todernst, als uns einfiel, wohin unser Weg uns heute noch führen würde. Bro und ich starrten uns gerade ratlos an, als die Tür aufging, wieder zuflog und Alice auf uns zuhopste. Gott, ich konnte mir nicht helfen, ganz dicht war sie nicht.

„Hi Jungs, mein Mandant ist nicht erschienen, die Verhandlung ist geplatzt. Darum hab ich mir gedacht, ich komm gleich vorbei“, säuselte sie und flackte sich geschmeidig auf Jaspers Schoß. Sofort legte sie einen Arm um seine Schultern und drückte ihm einen Kuss auf den Mund. (Beta-A/N: grrr *killerblickaufsetz*)

„Tut mir leid, kleine Hexe. Da gibt es etwas, das du wissen solltest“, fing ich leise an und seufzte tief. Gott, was war ich auch für ein durchtriebenes Arschloch.

„Was ist denn los?“. Sie runzelte die Stirn und schaute misstrauisch zwischen Jazz und mir hin und her. Auch mein armes Brüderchen wusste natürlich nicht, worum es ging, also ähnelte sein Blick dem von Alice, und ich konnte mir das Lachen kaum verkneifen.

„Es ist, also … er hat mich gebeten, es dir zu sagen, denn er schafft es einfach nicht. Jasper … verdammt, Alice, es tut mir so leid, aber er hat sich verliebt“. Die Augen meines Bruders fielen schon beinahe aus ihren Höhlen und sein Mund klappte auf, doch ich ließ mich davon nicht beirren und fuhr fort. „Sie heißt Dolores, ist eine wundervolle Frau, und Kleines – er liebt ihren Lippenstift“.

Alice schnaufte, in mir brodelte die nächste Lachattacke, und Jasper boxte mir fest in den Arm. „Halt doch die Klappe, du Arsch“, fuhr er mich an, doch dann passierte etwas, was ich kaum für möglich gehalten hatte.

„Ach ja? Lippenstift?“, fauchte die kleine Hexe, sprang förmlich von Jaspers Schoß und stellte sich in die Mitte des Raumes. Dort verschränkte sie die Arme vor Brust, atmete schwer und tötete meinen Bruder mit wahnwitzigen Blicken. „Seit wann stehst du auf Lippenstift? Und überhaupt, was soll der Scheiß? Warum kannst du mir nicht selber sagen, wenn du genug von mir hast?“. Nun bekam ich aber wirklich ein ungutes Gefühl.

„Hey, Süße, das war doch nur ein Scherz. Edward verarscht dich, merkst du das denn nicht?“, besänftige Jasper seine Kleine, stand auf und ging langsam auf sie zu. „Dolores ist diese Boutiquen-Tussi, mit der wir gerade den Deal unseres Lebens abgeschlossen haben, du weißt doch Bescheid. Sie ist über fünfzig und trägt widerlichen, dunkelroten Lippenstift, und…“. Hektisch schaute er sich um, lief hastig zum Besprechungstisch, holte Dolores’ Glas und hielt es Alice unter die Nase. „Da! Schau!“ Er tippte mit dem Zeigefinger auf den fettigen, roten Fleck und verschlang seine Süße mit einem flehenden Blick.

Gleich darauf warf er mir einen zu, aber der war weniger flehend. Vielmehr … naja … mörderisch. ‚Du gottverdammtes, saudummes Arschloch’ signalisierten mir seine Augen, bevor er seinen Kopf wieder zu Alice drehte und weiter sprach. „Glaub mir, Baby, das ist alles nur Spaß. Edward ist ein Idiot. Bitte…“. Gerade, als die Hexe den Mund aufmachte, um etwas zu sagen, klopfte es an meiner Tür und – ich konnte es nicht fassen – Dolores trat ein.

„Hallo, meine Hübschen. Entschuldigt bitte, wenn ich euch störe, aber kann es sein, dass ich mein Handy …“, säuselte sie daher, „….ah, da ist er ja, der kleine Ausreißer“. Schnurstracks lief sie zum Tisch, bückte sich leicht, fasste auf einen Stuhl und drückte kurz darauf einen Kuss auf ihr wiedergefundenes Telefon.

Wir drei waren absolut sprachlos, starrten ihr hinterher und verdrehten die Augen, als sie glucksend auf dem Display herumwischte. „Küsse nie dein Handy, wenn du Lippenstift trägst“, sagte sie mehr zu sich selbst und zwinkerte Alice zu. „Sie sind die Freundin von Jasper? Ja? Passen Sie gut auf ihn auf, er ist ein Goldstück“, trällerte Dolores und drehte sich zu mir. „Und Edward ist noch zu haben?“

„Nein, ist er nicht“, kam es plötzlich angepisst von der Tür. Unsere Köpfe flogen nach links, und unsere Augen sahen eine wütende Bella, die mit zusammen gepressten Lippen auf mich zukam und sich besitzergreifend auf meinen Schoß fallen ließ.

Ich wusste momentan absolut nicht, wie ich auf diese unglaubliche Situation reagieren sollte, schlang jedoch fürs Erste die Arme um meinen Schatz.

„Tja, wie Sie sehen, sind wir beide vergeben, tut mir wirklich leid, Dolores“, sagte Jasper und versuchte sich an einem kleinen Lächeln.

„Das ist überhaupt kein Problem“, lachte die Angesprochene und schüttelte den Kopf. „Ich könnte eure Mutter sein, war doch nur Spaß“. Sie fummelte noch einmal über ihr Display und ging wieder zur Tür. „So, nun will ich das junge Glück aber nicht weiter aufhalten. Wir sehen uns nächste Woche, um die Details der Kampagne zu klären, ja? Ich wünsch euch noch einen schönen Tag, meine Lieben“, und dann war sie weg.

„Was.War.Das?“, fauchte meine Süße und schaute mich an.

„Das.Würde.Ich.Auch.Ganz.Gern.Wissen.“, zischte Alice im selben Tonfall wie Bella und richtete ihren Blick auf Jazz.

Kaum traf mein Blick auf den meines Bruders, brachen wir in schallendes Gelächter aus. Der Scheiß war gerade so skurril, dass wir uns überhaupt nicht mehr einkriegten. Wenige Sekunden später schlossen sich unsere Mädels an, und minutenlang lachten wir durch.

„Sie war immerhin … sehr chic gekleidet“, warf Alice japsend ein und hielt sich den Bauch.

„Natürlich. Deshalb ist sie vermutlich auch die Chefin einer florierenden Boutiquen-Kette“. Jazz schlang die Arme um seinen sich langsam beruhigenden Schatz. „Verzeihst du mir?“, fragte er mit einem belustigten Grinsen und hauchte seiner Hexe einen Kuss auf den Mund.

„Nur, wenn ich auch so einen tollen Lippenstift krieg“, erwiderte sie frech und Scheiße, wir lachten schon wieder.

„Wir sollten dann los“, warf meine Süße ein, und plötzlich war es totenstill. Fuck, wie konnten wir nur immer wieder dieses Treffen mit Dad vergessen? Der heutige Tag lief so fucking gut, dass er besser nicht hätte sein können. Dieser Großauftrag würde uns zigtausende Dollar einbringen, und eigentlich gab es für uns Grund zum Feiern, aber nein. Wir mussten nach Forks, um wieder einmal Probleme zu klären, von denen wir eigentlich gar nichts wussten.

„Yeah, du hast recht“, stimmte ich ihr tief seufzend zu, und zwanzig Minuten später verließen wir das Haus. Da Jasper eigentlich geplant hatte, nach der Arbeit Alice abzuholen, war er selber gefahren, also hatten wir platztechnisch auch keine Probleme. Mit zwei Wagen brachen wir somit  auf nach Forks.

Auf halbem Weg quälte mich natürlich wieder einmal meine Aufregungspisse, also hielten wir an. Ich beglückte ein unschuldiges Gebüsch, beruhigte mich mit einer Lucky Strike, und weiter ging’s.

Etwas zu früh waren wir vor Ort. Schwitzend, am Ende mit den Nerven und leicht zitternd klopfte ich zaghaft gegen die Tür.

„Auf in den Kampf“, murmelte Bella.

„Schon wieder“, seufzte Jazz.

„Augen zu und durch“. Alice.

„Haltet die Klappe, sonst fall ich um“, zischte ich meinen drei Begleitern zu. Bella drückte fest meine Hand und zuckte leicht zusammen, als die Tür geöffnet wurde.

„Hi, meine Lieben“. Mom strahlte über das ganze Gesicht, fiel zuerst mir, dann Jasper um den Hals und drückte uns beiden einen Kuss auf die Wange. Gleich darauf schnappte sie sich Alice, begrüßte sie liebevoll mit Küsschen rechts, Küsschen links, und dann …

„Hallo Bella“. Meine Mutter lächelte sie an, küsste ebenfalls beide Wangen und schaute glücklich von einem zum anderen. Zur Hölle, was war hier los?

Wir kamen beinahe um vor Angst, und sie wirkte so glücklich wie schon lange nicht mehr??

Wir zitterten, sie strahlte?

Wir litten, sie lächelte?

Wir hätten uns verdammt noch mal beinahe angeschissen, und sie tat, als wäre nie etwas gewesen??

„Mom…“, begann ich vollkommen verwirrt, runzelte die Stirn und schaute sie an, „…ich freu mich wirklich sehr über diese liebevolle Begrüßung, aber bitte – was genau geht hier ab? Diese SMS von Dad, was…“

Sie verdrehte die Augen, während ein kleines, aber gottverdammt amüsiertes Grinsen über ihr Gesicht huschte. „Frag ihn doch selbst“. Dann drehte sie sich um und ging Richtung Wohnzimmer. „Kommt doch endlich rein“, rief sie noch und war weg.

Wir vier starrten uns einfach nur an. Planlos, verwirrt und total durcheinander trafen sich immer wieder unsere Blicke, bis Jasper mit den Schultern zuckte und als Erster seine Stimme wiederfand. „Was auch immer hier vor sich geht, hören wir erst mal auf, hier Wurzeln zu schlagen. Hinein mit euch“. Er zog Alice an der Hand in den Flur, Bella und ich trotteten hinterher.

Wir zogen unsere Jacken und Schuhe aus, und in diesem Moment bemerkte ich erst, dass es herrlich duftete. Mom hatte gekocht?? Wieso??

„Hier riecht es nach …“, Alice hob ihre Nase und schnupperte wie ein läufiger Hund durch die Luft, „…Lasagne. Wetten?“

„Gott, ich liebe Lasagne“, seufzte meine Bella und lächelte selig vor sich hin.

„Und ich liebe DICH“, entgegnete ich und hauchte meiner Süßen einen Kuss auf den Mund.

„Kommt ihr heute noch?“, hörten wir Mom’s Stimme aus dem Wohnzimmer, und der Lasagne/Liebes-Zauber war wieder vorbei.

„Dann mal los. Auf in die Höhle des Löwen“, knurrte Jazz. Langsam folgten wir unserer Mutter ins Wohnzimmer und erstarrten, als wir sahen, was hier vor sich ging.

Mom und Dad standen eng umschlungen und grinsend neben dem wundervoll dekorierten Esstisch. Perfekt polierte Weingläser und unser feinstes Silberbesteck funkelten um die Wette. Schmale, dunkelrote Kerzen steckten in einem fünfarmigen Leuchter, deren Flammen tanzten im leichten Windhauch hin und her. Ein ebenso rotes Tischtuch hing fast bis zum Boden, Servietten standen kunstvoll drapiert auf unserem besten Geschirr.

Jasper, Alice, Bella und ich standen wie vier Vollidioten mitten im Raum. Wir wussten nicht, wie uns geschah, hatten keine Ahnung, was hier vor sich ging, bis Dad das Wort ergriff.

„Ich gehe mal davon aus, dass ihr heute noch nichts gegessen habt?“, brachte er als Frage hervor und schaute von einem zum anderen. Fuck, erst in diesem Moment fiel mir auf, wie recht er doch hatte. Die Aufregung, das Meeting mit Dolores … ich hatte tatsächlich noch keinen einzigen Krümel zu mir genommen, und es war mir nicht einmal aufgefallen. Also schüttelte ich den Kopf. Ebenso wie Bella, Jazz und die kleine Hexe.

„Gut, denn es gibt Lasagne, die mögt ihr doch so gern“, warf Mom ein, löste sich von Dad, gab ihm einen Kuss und marschierte Richtung Küche. „Setzt euch, meine Lieben. Freie Platzwahl“, gluckste sie und war weg.

Mein belustigt vor sich hin lächelnder Vater ließ sich auf ein Stuhl sinken, der sich am Kopfende des Tisches befand, nahm seine Serviette, schüttelte sie kurz durch und legte sie auf seinen Schoß. „Was ist? Wollt ihr hier Wurzeln schlagen?“, sagte er in unsere Richtung und griff nach einer Flasche Wein, die bereits entkorkt in einem silbernen Kübel stand.

„Ich hoffe, rot ist für euch in Ordnung. Passt irgendwie so gut zum Tischtuch“, gluckste er und füllte seelenruhig ein Glas nach dem anderen.

Irgendwie machte mich dieses Szenario plötzlich unglaublich wütend. Bella umschloss fest meine Hand und schaute mich besorgt an, weil sie vermutlich fühlte, wie angespannt ich war.

„Was genau soll der Scheiß?“, zischte ich meinem Dad entgegen. Er hob jedoch nur kurz seinen Kopf, lächelte mich frech an und senkte ihn wieder, um mit dem Eingießen des Weins fortzufahren.

„Ihr seid hiermit zum Essen eingeladen“, erklärte er. „Wir freuen uns, dass ihr gekommen seid. Ach, und Edward – entschuldige bitte die SMS, ich hab das einfach gebraucht“. Als hätte er gerade etwas ganz, ganz Schlimmes angestellt, grinste er vor sich hin und hatte tatsächlich die Frechheit, leise zu kichern.

„Fuck, Dad“, sagte ich nun vielleicht eine Spur zu laut. „Du schickst mir eine Kurzmitteilung, wegen der wir uns vor Aufregung beinahe in die Hosen gemacht hätten, und machst dann hier einen auf Friede-Freude-Eierkuchen? Weißt du eigentlich, wie es uns den ganzen Tag gegangen ist?“. Gut, soooo schlimm war es dann auch wieder nicht, aber immerhin hat uns diese SMS wirklich schockiert. „Hättest du uns nicht auf eine normale und vor allem nette Art und Weise zum Essen einladen können, wenn dir soviel daran liegt? Und außerdem – warum ladet ihr uns ein?“

Erschöpft und nach wie vor verwirrt sank ich auf einen Stuhl und zog Bella einfach mit. Mit Schwung hob ich sie auf meinen Schoß und schlang haltsuchend meine Arme um sie. Sofort zuckten meine Augen zu Dad, doch der strahlte an mir vorbei. Langsam drehte ich meinen Kopf und folgte seinem Blick. Alles, was ich sehen konnte, war meine Mutter, die mit zwei üppigen Topflappen bewaffnet eine dampfende Auflaufform ins Wohnzimmer transportierte.

Fuck, er schien so … glücklich. Glücklich, ausgeglichen und rundum zufrieden. Oh mein Gott, war mein letzter und fucking großer Wunsch tatsächlich in Erfüllung gegangen? Waren meine Eltern wieder ein Paar?

Dann checkte ich aufmerksam mein Mädchen, um zu wissen, ob sie gleich fühlte wie ich. Doch auch sie strahlte über das ganze Gesicht und hauchte mir ein kaum hörbares „I love you“ zu.

Jazz grinste, Alices Augen huschten verträumt zwischen Mom und Dad hin und her.

„Nein“, sagte mein Vater plötzlich und grinste mich an.

„Äääh … was?“ Verdammt, ich hatte komplett den Faden verloren und wusste überhaupt nicht mehr, worum es ging.

„Ich hätte euch nicht auf eine normale und vor allem nette Art und Weise zum Essen einladen können“, half er mir auf die Sprünge. „Das war eine süße, kleine Rache meinerseits, und du musst zugeben, dass sie verflucht gut war, oder?“. Lachend nahm er Mom die Lasagne ab, stellte sie auf den Tisch und setzte sich wieder hin.

„Du … du hast uns verarscht?“, keuchte Jazz und starrte ihn ungläubig an.

„Yeah“, erwiderte Dad, lehnte sich zurück, verschränkte die Arme vor der Brust und grinste zufrieden vor sich hin.

„Das glaub ich jetzt nicht“, meldete sich meine Bella wieder einmal zu Wort, schüttelte den Kopf und begann, leise zu lachen. Nachdem der Rest von uns den ersten Schock überwunden hatte, stimmten wir mit ein und lachten einfach mit.

Zur Hölle, hier war er wieder. Mein Dad, wie ich ihn kannte. Verspielt, hinterlistig, für jeden Spaß zu haben und der Typ, mit dem man Pferde stehlen konnte. Genau so liebte ich ihn, und nun hatte ich ihn endlich  zurück. Ich konnte es gar nicht fassen und drohte, vor Glück zu platzen, als er sich erhob, sein Weinglas elegant zwischen die Finger nahm und liebevoll durch die Runde schaute. Mom  hatte inzwischen auch Platz genommen, und aufmerksam lauschten wir dem, was nun kommen würde.

„Edward, Bella …“, seine Augen suchten erst meine und dann die meiner Süßen, „…es ist verdammt viel passiert in den letzten Wochen und Monaten, aber offensichtlich handelt es sich hier wahrlich um das berühmt-berüchtigte Schicksal. Leider Gottes haben wir alle drei zu spät erkannt, was dieses Schicksal für uns geplant hat, und leider Gottes waren wir zu blind, es anzunehmen. Ich weiß nun, wie sehr ihr beide euch liebt. Man kann es nicht nur hören oder sehen, sondern auch fühlen. Letztendlich  kann ich auch damit umgehen, und wisst ihr auch, warum?“. Während ich zärtlich die Hand meiner Bella drückte, senkte er seinen Kopf und lächelte glücklich meiner Mom ins noch glücklichere Gesicht. „Weil ich auch die Liebe wiedergefunden habe“, beantwortete er seine Frage und hob sein Glas. „Prost, Liebes“, sagte er leise, beugte sich nach unten und drückte ihr einen Kuss auf den Mund.

Diese Situation war sowas von unglaublich, dass ich es kaum fassen konnte. Zuerst die Anspannung und das ungute Gefühl, schon wieder etwas falsch gemacht zu haben. Dann das gelöste Lachen nach der Erkenntnis, kräftig verarscht worden zu sein, und nun diese Ansprache. Viel zu kitschig, viel zu romantisch und schmalzig, aber jedes einzelne Wort davon machte mich so unglaublich glücklich, dass ich nicht wusste, ob ich heulen, schreien oder lachen sollte.

Alice hatte sich längst seufzend an Jaspers Schulter gelehnt und hing mit einem verträumten Blick auf den Lippen meines Vaters. Jazz umarmte sie und streichelte verliebt über ihren Kopf.

Während ich abwechselnd die beiden, Mom und Dad beobachtete, erweckte Bella mit einem leisen Schluchzen meine Aufmerksamkeit. Erschrocken sah ich sie an, doch in ihren Augen konnte ich sehen, dass alles in Ordnung war. Mehr als das.

„Ach, und …“, ergriff mein strahlender Vater wieder das Wort, „… vielen Dank für euren gelungenen Kupplungsversuch. Das habt ihr verdammt gut gemacht. Versprechen können wir nichts, aber eure Mutter und ich wollen es noch einmal versuchen“. Wieder schaute er Mom überglücklich an und lächelte dann von einem zum anderen.

„Alice…“, er hob das Glas und prostete in ihre Richtung, „…ich freue mich sehr, dich in unserer Familie begrüßen zu dürfen. Du machst meinen Jasper sehr glücklich, und dafür danke ich dir“. Bei diesem ‚meinen Jasper’ riss mein Brüderchen seine Augen auf und grinste sowas von dämlich vor sich hin, dass ich leise lachen musste. Mein Mädchen schluchzte nach wie vor und zitterte wie Espenlaub, aber nachdem ich wusste, dass dies keine Tränen der Traurigkeit waren, drückte ich sie einfach so fest wie möglich an mich.

„Alles in Ordnung?“, fragte ich sie sicherheitshalber, und ihre Antwort gefiel mir sehr.

„Ja, Baby. Mehr als das“. Sie hauchte einen nassen Kuss auf meine Lippen und erstarrte. Augenblicklich schoss ihr Kopf hoch, und ihre Augen suchten die von Dad. Dieser lächelte allerdings liebevoll auf uns herab und schüttelte den Kopf.

„Du kannst ihn ruhig küssen, Bella“, sagte er mit einem belustigten Schmunzeln. „Ich tu es doch auch“. Dann beugte er sich zu Mom, küsste sie und erhob sich wieder mit einem dermaßen breiten Grinsen im Gesicht, dass es nur noch eines gab. Lachen.

Gott, minutenlang lachten wir uns beinahe zu Tode. Das alles hier war so fucking genial, einfach unfassbar. Ich liebte es!

Nachdem wir uns wieder einigermaßen beruhigt hatten, standen wir alle auf, erhoben unsere Gläser und prosteten uns zu. „Auf eine gemeinsame Zukunft“, sagte Dad. Kurz darauf stieß Glas an Glas, und ein sanftes Klirren klang durchs Haus.

„So, nun lasst uns aber was essen. Die Lasagne wird doch kalt“, knurrte Mom und schaute mit gerunzelter Stirn auf ihre Auflaufform, deren Inhalt lang nicht mehr so dampfte wie zuvor.

Das ließen wir uns natürlich nicht zwei Mal sagen, also beendeten wir die Sülzerei, nahmen Platz  und beglückten unsere knurrenden Mägen.




Das Essen war einfach fantastisch. Meine Mutter war eine ausgezeichnete Köchin, und das wurde uns wieder einmal bewusst. Gott, wie lange war es her, dass wir als intakte Familie an diesem Tisch gesessen hatten und so viel lachten? Nun – eigentlich gab es so eine Situation noch nie. Ich hatte mit Bella meine Traumfrau gefunden, und auch Jaspers Suche war offensichtlich vorbei. (Beta-A/N:   Was? Wirklich? Ich dachte, ich hätte noch Chancen. *schluchz*)

Der Wein floss in Strömen, und die Stimmung war so ausgelassen und fröhlich, dass ich das Gefühl hatte, als wäre nie etwas passiert. Die vergangenen Wochen und Monate kamen mir total unwirklich vor. All die Angst, der Schmerz und der Kummer – weg, einfach weg. Genial.

„So, meine Lieben“, ergriff Dad wieder das Wort, richtete seinen Blick allerdings gezielt auf mein Mädchen, welches grinsend und satt an meiner Schulter lehnte. „Es gibt da noch einen Grund, warum wir euch heute eingeladen haben. Bella, Liebes…“. Yeah, er nannte sie Liebes, doch niemand störte sich daran. Fuck, was waren wir bloß für eine durchgeknallte Familie?? „Wir wissen beide, dass eine Annullierung unserer Ehe nicht möglich ist, da bereits zu viel Zeit vergangen ist. Allerdings gibt es am Gericht eine Familienrichterin, die ich ein bisschen besser kenne, und zwar von der Uni. Ich habe bereits mit ihr Kontakt aufgenommen, und sie hat zugesagt, uns bereits am Montag um neun Uhr vorzuladen. Ich nehme doch an, dass du keinerlei Ansprüche stellst?“, sagte er grinsend und zog eine Augenbraue hoch. Dann kam ein dafür-kriegst-du-eh-meinen-Sohn-Blick, und Bella schüttelte den Kopf. „Nein, natürlich nicht“, sagte sie lächelnd, „Ich wäre auch sehr froh darüber, wenn wir die Scheidung so schnell wie möglich über die Bühne bringen könnten“.

Dad nickte und seufzte. „Wir sind eindeutig die chaotischste Familie der ganzen Welt, aber nicht nur das – die vielen Scheidungen in dieser kurzen Zeit soll uns auch mal jemand nachmachen. Gott, wir sind total verrückt“, führte er aus und begann, leise zu lachen.

Wir stimmten mit ein und lachten uns einmal mehr an diesem Abend schlapp. Verdammt, er hatte recht. Seine Ex-Frau würde bald seine Schwiegertochter sein, und er selbst war wieder mit seiner Ex-Ex-Frau zusammen. Mmmmh…was hatte ich da eben gedacht? Schwiegertochter? Um das zu sein, müsste mich Bella doch heiraten. Wollte ich das denn? War ich soweit, ihr einen Antrag zu machen, um mit ihr den Rest meines Lebens zu verbringen? Kannte ich sie gut genug, um zu wissen, dass sie die Eine für mich war?

Ja, ja, und nochmals JA. Mein Mädchen war alles für mich, und nun wusste ich ganz genau, dass sie es war, die ich heiraten wollte und auch würde. Zumindest,  wenn sie das auch so sah wie ich. Darüber könnte ich mir aber später noch Gedanken machen, sie war ja noch nicht einmal geschieden, Herrgott noch mal.  Naja, egal, ich hatte ohnehin keinen Stress.

„Warum so nachdenklich, mein Hübscher?“, flüsterte die Frau meiner Träume ganz nah an meinem Ohr. Ich fühlte ihren warmen Atem an meinem Hals, und ein Schauer rieselte über meinen Rücken, als sie noch dazu mit ihrer Hand über meinen Oberschenkel strich. Verdammt, ich wollte sie, aber …

„Fuck“, keuchte ich plötzlich auf, „Wir haben alle zu viel getrunken, wir können doch nicht…“

„Kein Problem“, unterbrach mich Mom und grinste. „Ich hab eure Betten frisch bezogen. Also – es wäre uns eine Ehre, wenn ihr bei uns schlafen würdet. Außerdem hab ich mir gedacht … was haltet ihr von einem gemütlichen Brunch? Morgen, so gegen elf?“. Wow, sie hatte wohl wirklich an alles gedacht. Tja, so war sie eben, meine Mom. Die Beste.

Ich sah meiner Bella fragend in die Augen, doch ich konnte keine Zweifel darin erkennen. Lächelnd nickte sie, also sagte ich zu. „Gern, danke, wir sind dabei“.

„Wir auch“, sagte Jazz, Alice grinste breit und schien sich unglaublich wohl zu fühlen.

Der Rest des Abends war wahnsinnig gemütlich und locker. Während die Mädels sich mit Mom um das Geschirr und die Küche kümmerten, lümmelten wir Jungs mit Dad im Wohnzimmer herum. Wir genossen noch einen Whiskey, sprachen und lachten über die guten, alten Zeiten, blickten jedoch auch positiv in die Zukunft.

Unser Vater schien sehr glücklich zu sein, Esme wieder an seiner Seite zu haben. Er war sowas von verliebt, dass ich den Eindruck hatte, er wäre gerade mal fünfzehn geworden und Mom seine erste, große Liebe.

Plötzlich wurde er sentimental, setzte sich auf und klopfte auf die Plätze neben sich. Jazz und ich folgten leicht verwirrt seiner Bitte und nahmen rechts und links neben ihm Platz. Sofort schlang er seine Arme um unsere Schultern und seufzte tief.

„Es tut mir so leid, Jungs. Ich hab mich echt blöd benommen, und ich hoffe, dass ihr mir verzeihen könnt“. Jasper und ich wollten gerade beide etwas sagen, doch das ließ er nicht zu. „Ich will die ganze Geschichte nicht wieder aufwärmen, aber ich wollte euch nur sagen, dass ich mich irgendwie schäme für mein Verhalten. Außerdem bin ich sehr glücklich, weil ihr hier bei mir und Esme seid. Meine Familie ist endlich wieder komplett, und das freut mich wahnsinnig. Ich danke euch für alles“. Glucksend drückte er jedem von uns einen nassen Kuss auf die Wange, sprang auf und lief kichernd in die Küche.

Mein Bruder und ich wischten uns die Wange trocken und grinsten uns an.
„Die Scheidung wird lustig“, meinte er und grübelte schmunzelnd eine Weile vor sich hin.
„Yeah, das glaub ich auch“, stimmte ich zu, und ein hämisches Lachen erfüllte den Raum.

Oh ja, die wird lustig…

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen