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Donnerstag, 19. Januar 2012

(21) Just married ... or not?




Samstag, 18.August 2009


EdwardPOV


Der Tag X.

Er war da.

Ich konnte es nicht verhindern, er war einfach gekommen und machte mich kaputt.
Verdammt ja, ich hatte es versucht. Mit all meinen kaum noch vorhandenen Kräften hatte ich es versucht, Isabella in den letzten neun Tagen aus dem Weg zu gehen, und es war mir auch gelungen. Mit Müh und Not. Ich nahm mir ernsthaft vor, sie gehen zu lassen, so schwer es mir auch fiel.

Geflissentlich mied ich DEN Fahrstuhl im Bürogebäude, um nicht wieder über sie herzufallen, denn ich wusste, es würde passieren, wenn ich sie dort treffen würde. Also nahm ich entweder die Treppen, was eher selten der Fall war, oder ich entschied mich für den anderen Lift. Vorsicht ist doch immerhin die Mutter der Porzellankiste…

Zum gestrigen Junggesellenabschied meines Vaters sollte ich eigentlich um acht Uhr abends in Forks sein, und obwohl Isabella ohnehin bei Rose die Nacht auf heute verbracht hatte, wollte ich mein Elternhaus nicht früher betreten, als es unbedingt notwendig war. Ich konnte es nicht ertragen. Mittlerweile reichte es mir schon, wenn ich sie nur roch, wie würde es also sein, wenn ich sie sah? In ihrem weißen Kleid, glücklich lächelnd als strahlende Braut...

Seit Tagen ernährte ich mich nur noch von Kaffee, Whiskey, Bier und massenweise Zigaretten, etwas anderes kam nicht mehr in Frage. Ununterbrochen quälte mich eine schleichende Übelkeit, ob vom Hunger oder vom ständigen Besaufen, wusste ich nicht mehr. Ich schlief kaum noch, suhlte mich in meinem Selbstmitleid und machte meinem Bruder das Leben schwer.

So wie ich mit ihm, litt er nun mit mir, doch er konnte mir nicht helfen. Niemand konnte das. Zu allem Überfluss war er wahnsinnig glücklich mit seiner kleinen Hexe, die ihn vergötterte und ständig bei uns war. Natürlich hatten die beiden die Lass-uns-mit-dem-Sex-noch-ein-bisschen-warten-Schwelle längst überschritten und vögelten, wann immer sie Zeit dafür hatten. So sehr ich mich für Jasper und Alice auch freute, so sehr tat es mir weh. Also verkrümelte ich mich  die wenige Zeit, die ich nicht im Büro verbrachte, in meinem Zimmer und naja … ertränkte meinen Frust in allem alkoholischen Zeug, welches ich finden konnte, und das war genug.

Natürlich hatte ich mich gestern im Zuge des Junggesellenabschiedes ordentlich weggebeamt, in der Hoffnung, diesen Rausch mit dem beschissenen Sektfrühstück bereits so auffrischen zu können, dass ich die Hochzeit ertragen konnte, und tatsächlich, meine Rechnung ging auf.

„Edward, ist alles klar mit dir?“. Ich riss meinen Kopf in die Richtung, aus welcher ich diese Stimme vernahm und schaute meinem Dad ins Gesicht. Fuck, er strahlte und war so gottverdammt glücklich, dass ich es kaum ertragen konnte. Ich quälte mir ein Lächeln ins Gesicht und nickte.

„Yeah, Dad, alles in Ordnung. Warum denn auch nicht?“

„Nun, ich habe den Eindruck, dass du … naja … nicht ganz nüchtern bist“.

„Das bin ich auch nicht“, lachte ich sarkastisch auf und schüttelte sogleich den Kopf, „aber das hat wohl damit zu tun, dass ich gestern Abend zu tief ins Glas geschaut habe“. Ich zwinkerte ihm zu und nahm erleichtert zur Kenntnis, dass er liebevoll lächelte und mir väterlich die Schulter drückte.

„Ja, das hast du wohl“, gluckste er und wurde von seinem Bruder Alec gerufen, zu welchem er sich auch gleich gesellte, nachdem er sich bei mir entschuldigt hatte. Ich kippte mir einmal mehr an diesem Morgen eine Dosis Champagner in die Kehle, stellte das Glas vielleicht eine Spur zu laut auf den nächstbesten Tisch, schlenderte leicht wankend auf die Terrasse und fiel in einen von diesen Rattan-Stühlen mit den weichen Polstern drauf.

Ich ließ meinen Kopf gegen die Lehne fallen, schloss die Augen und versuchte, ganz ruhig zu atmen, als ich eine Hand auf meiner Schulter spürte, die vorsichtig darüber strich. Träge öffneten sich meine Lider und sahen in das hübsche Gesicht von Rosalie, die sich neben mich hockte und mit einem traurigen Lächeln bedachte.

„Es geht dir beschissen, oder?“, fragte sie leise, obwohl niemand sonst in der Nähe war.

„Jap“, erwiderte ich mit einem lauten Plopp am Schluss.

„Warum sagst du ihr nicht, dass du sie liebst?“. Erschrocken fuhr ich hoch und starrte sie an.

„Was … wie meinst du das?“

„Edward, ich bitte dich. Ein Blinder sieht, dass du Bella liebst, nur seltsamerweise nicht dein Vater“. Für einen Moment hielt sie inne, schaute mit gerunzelter Stirn in den blitzblauen und fast wolkenlosen Himmel und widmete sich wieder mir. „Ich weiß nicht, ob das so gut ist, dass Carlisle nicht den blassesten Schimmer hat, was zwischen euch vor sich geht. Wie könnt ihr bloß damit leben?“. Nun wurde ihr Blick leicht vorwurfsvoll, doch ich konnte das nicht ertragen. Also schloss ich meine Augen und ließ meinen Kopf wieder gegen die Lehne sinken.

„Ich habe keine Ahnung, Rose. Offensichtlich kann ich damit leben, ja, aber ...“, verdammt, ich wusste einfach nicht, was ich noch sagen sollte, und außerdem war mir schlecht.

„Ach, vergiss es. Das müsst ohnehin ihr beide wissen, ich misch mich da nicht  ein. Ich weiß nur, dass du Bella liebst, und sie...“

„Da bist du ja, Baby. Ich such dich schon die ganze Zeit. Alice und Bella werden gleich herunter kommen, dann geht es schon auf in die Kirche“, stresste Emmett, drückte seiner Liebsten einen lauten Kuss auf die Wange und grinste mich an. „Alles klar, Alter?“

Ich nickte und richtete meinen Blick intensiv auf Rose. „Was??“, flüsterte ich in ihre Richtung, in der Hoffnung, sie würde ihren Satz zu Ende bringen, doch sie tat es nicht und lächelte mich nur traurig an. Kaum merkbar schüttelte sie den Kopf, schmiegte sich an Emmetts Brust und schaute ihn liebevoll an. „Dann lass uns mal auf die Braut warten“, sagte sie zu ihm, schenkte mir noch einen mitleidigen Blick und ging mit ihrem Freund ins Wohnzimmer, aus welchem ich gerade ein eindeutiges Tuscheln vernahm. Die Braut...


CarlislePOV


„Bruderherz, mach dich bereit. Ich sehe da oben schon etwas Weißes blitzen, das kann nur deine Bella sein“, sagte Alec lächelnd, packte mich an den Schultern und drehte mich ruckartig in die Richtung der Treppe, über welche mein Mädchen bald zu uns stoßen und mich zum glücklichsten Mann der Welt machen würde.

Mein Mädchen … ja, im Gegensatz zu mir war sie ein Mädchen. Sie war sehr jung … ob mir diese Tatsache irgendwann das Genick brechen und meine Ehe kaputt machen würde? Gott, immer wieder belastete mich der doch sehr große Altersunterschied, obwohl ich spürte, obwohl ich WUSSTE, dass sie mich liebte, doch es war einfach so. Ich konnte es nicht ändern. Dennoch – heute war endlich der Tag unserer Hochzeit, und wenn sie mich nicht lieben würde, wäre sie doch nicht hier, oder?

„Hey, Carlisle, bitte etwas mehr Konzentration“, sagte Emmett grinsend und boxte mir leicht gegen den Arm. Yeah, ich mochte die Freunde meiner Söhne sehr gern, auch Alice und Rosalie waren mir ans Herz gewachsen. Jasper hatte endlich sein großes Glück gefunden, wie es schien, nur um Edward machte ich mir Sorgen.

Er sah nicht gut aus in der letzten Zeit, aß kaum etwas und verbrachte fast seine gesamte Zeit im Büro. Als ich ihn vor ein paar Tagen gefragt hatte, ob Leah zur Hochzeit kommen würde, erzählte er mir, dass sie nun mit Jacob zusammen wäre. Ob das der Grund für seine seltsame Stimmung war? Natürlich fragte ich ihn danach, doch er zuckte nur mit den Schultern, kippte sich einen Whiskey in die Kehle und ging weg. Wird wohl so ein. Es ist nie schön, wenn man seine Freundin an einen anderen Mann verliert, noch dazu an einen, mit dem man gut befreundet ist.

Des Öfteren schweiften meine Gedanken auch zu Esme. Wie es ihr wohl ging? Ich wusste von meinen Söhnen, dass sie frisch verliebt war, aber ich hatte das untrügliche Gefühl, dass die beiden mehr wussten als ich. Ich kannte meine Jungs, und meine Alarmglocken schrillten, als ich den Ausdruck auf ihren Gesichtern sah, wenn sie über diesen … wie hieß er noch mal? Nun, wenn sie über diesen Italiener sprachen. Eines nahm ich mir allerdings vor – würde dieser Typ sie irgendwie verletzten, dann hätte er die vermeintliche Ehre, mich kennenzulernen, verdammt. Ich schätzte meine Ex-Frau immer noch sehr, da wir doch viele schöne Jahre gemeinsam verbracht hatten, und niemand hatte das Recht, ihr weh zu tun. NIEMAND!!

„Sie kommt. Gott, sie ist wunderschön“, flüsterte Alice neben mir, und verwundert sah ich sie an. War ich tatsächlich so in Gedanken versunken, dass ich unsere kleine Hexe gar nicht die Treppe runterkommen sah? Rasch blickte ich mich um und stellte fest, dass dafür Rosalie fehlte. Gott, ich musste wirklich abwesend gewesen sein. Rose war ja Bellas Trauzeugin, und tatsächlich – beide erschienen im ersten Stock und gingen langsam und vorsichtig die Treppen nach unten.

Sofort bildete sich ein Spalier, an dessen Ende ich stand. Himmel, ich konnte die Schönheit meiner Braut einfach nicht fassen. Ihr Kleid war ein Traum aus weißem Chiffon mit Ärmeln aus reinster Spitze und edlen Stickereien auf dem weiten Rock. Ihr Haar war wunderschön hochgesteckt und kleine, weiße Blüten befanden sich darin, während ich auf ihrem Hinterkopf einen Schleier ausmachen konnte, der bis zu ihrem Rücken fiel.

Die Wangen meiner Liebsten waren zart gerötet und die Augen leicht geschminkt, sonst befand sich keinerlei Make-Up in ihrem perfekten Gesicht. Ein zartes Collier schmiegte sich um ihren Hals, die dazu gehörigen Ohrringe rundeten diese wundervolle Erscheinung ab, und ich wusste, dass das der Schmuck war, den ich ihr vor ein paar Wochen geschenkt und mich damit für ihre Liebe bedankt hatte. Himmel, sie war das schönste, lieblichste und begehrenswerteste Wesen, welches ich jemals gesehen und welches ich mir jemals gewünscht hatte. Ich liebte sie, so sehr.

Rosalie sah toll aus in ihrem fliederfarbenen Kleid und strahlte über das ganze Gesicht, als sie die nicht übertriebene, aber doch vorhandene Schleppe von Bellas Kleid vorsichtig in die Höhe hielt. Gott, meine Süße sah bezaubernd aus.

„Hallo, schöner Mann“, hauchte meine wunderschöne Braut, als sie vor mir zum Stillstand kam und drückte mir einen kleinen Kuss auf den Mund. Mmmh … sie schmeckte so gut.

„Du siehst atemberaubend aus, Bella. Ich liebe dich“, flüsterte ich, während das Tuscheln um uns herum immer lauter wurde. Es dauerte keine Minute, bis alle Gäste um uns herum standen, Bella versicherten, wie schön sie doch wäre und wie gut wir zusammen passen würden. Naja, und ich war so stolz, dass ich kurz davor war, zu explodieren.

Edward irritierte mich zwar ein wenig, da er plötzlich wie von der Tarantel gestochen nach oben rannte und im ersten Stock verschwand, doch als ich ihm nachgehen wollte, hielt  Jasper mich auf.

„Bleib du bei deinen Gästen und deiner Braut. Ich denke, dieser Idiot hat wohl gestern zu viel gesoffen, und den Scheiß gerade eben frischfröhlich aufgewärmt“, sagte mein Sohnemann, verdrehte grinsend die Augen und schüttelte leise lachend den Kopf. „Vermutlich hat er gerade ein Date mit der Kloschüssel“.

„Okay, danke, mein Lieber. Ich hoffe, es geht ihm gut“, erwiderte ich mit gerunzelter Stirn. Natürlich sorgte ich  mich um meinen Älteren, außerdem hätte ich ihn schon ganz gern bei meiner Hochzeit dabei.

„Aber sicher, mach dir keine Sorgen, Dad. Er ist doch ein großer Junge“, gluckste Jasper, murmelte noch ein „Bin gleich wieder da“ und folgte Edward in den ersten Stock.


EdwardPOV


Fuck, es war also genau das eingetroffen, was ich befürchtet, aber immerhin bewusst herbeigeführt hatte. Der viele Alkohol in Verbindung mit der durchaus mangelhaften Ernährung brach mir nun das Genick.

Natürlich war es sehr einfach, mich auf den Alkohol rauszureden, um meine Übelkeit zu erklären, doch der wahre Grund dafür war vermutlich dieses anbetungswürdige Wesen, welches in einem atemberaubenden Kleid die Treppe herunterkam und liebevoll meinen Vater küsste. Verdammt, sie war so schön, dass ich ihren Anblick kaum ertragen konnte, und ich wünschte mir nichts sehnlicher, als an der Stelle meines Dads zu sein. Sie sollte MICH küssen, MICH lieben und MICH heiraten, und nicht IHN.

Würgend und leise vor mich hin fluchend rannte ich nach oben, riss die Tür zu meinem Zimmer auf, schmiss sie geräuschvoll hinter mir zu und hetzte ins Bad. Dort hechtete ich förmlich zur Kloschüssel, beugte mich darüber, doch kotzen konnte ich nicht. Ich fühlte mich einfach gottverdammt schlecht, zitterte, und der kalte Schweiß drückte sich durch jede einzelne verfluchte Pore.

Ein paar Minuten saß ich würgend und so unglücklich wie noch nie zuvor in meinem ganzen Leben neben dem Klo, bis ich Schritte hörte und kurz darauf Jasper neben mir auf den Boden sank.

„Fuck, Edward…“, sagte er entsetzt und schaute mich verzweifelt an. Der mitleidige Blick, den er mir nun schenkte, machte mich nur noch trauriger, und seufzend senkte ich den Kopf.

„Scheiße Man, was ist los? Ist dir schlecht?“, fragte er mich leise und legte einen Arm um meine Schultern. Ich beantwortete seine Frage mit einem wortlosen Nicken und versuchte, tief durchzuatmen, um die Übelkeit und das Würgen zu bekämpfen, und vorübergehend gelang mir das auch.

„Jazz, ich … ich kann das nicht. Es bringt mich um, ich …“, brachte ich noch hervor, doch dann übermannte mich all der Scheiß, der in mir tobte und ich musste mich heftig übergeben. Ich hatte so eine verdammte Angst vor dieser Hochzeit, dass ich absolut nicht mehr wusste, was ich tun sollte. Die Übelkeit, der ganze Alkohol .. Gott, ich fühlte mich so schlecht, doch nachdem ich mit Kotzen fertig war, hatte ich ein neues Problem.

Ich konnte die Tränen, die schon länger in meinen Augen lauerten, nicht mehr davon abhalten, den Weg an die Freiheit zu finden und begann, so lautlos wie möglich zu weinen. Ich fühlte mich so schwach, so unglaublich schwach…

„Tut mir leid“, flüsterte ich beschämt und sah Jasper entschuldigend an, während ich mich ungeschickt hochzog und mir einmal grob über den Mund wischte. Jazz schaute mich so verzweifelt an, dass ich momentan gar nicht wusste, was ich eigentlich tun sollte, also ging ich erst mal zum kleinen Schrank unter dem Fenster, holte aus der rechten Schublade eine der Gästezahnbürsten und packte sie aus. Gott sei Dank war auch immer eine Zahncreme vorhanden, somit putzte ich erst mal meine Zähne und  eliminierte diesen schrecklichen Geschmack.

Jasper verfolgte mich zwar auf Schritt und Tritt, sagte und tat jedoch nichts. Natürlich, was sollte er denn auch schon großartig sagen oder tun? Niemand konnte mir helfen, auch nicht er, so sehr er sich auch bemühte.

„Geht’s dir nun ein bisschen besser?“, fragte er mich vorsichtig, nachdem ich meinen Mund ausgespült und abgetrocknet hatte. Ich zuckte lediglich mit den Schultern, stützte meine Hände am Waschtisch ab und betrachtete mich für eine Weile wortlos im Spiegel. Mit einem angepissten „Fuck“ ließ ich den Kopf sinken und begann, ihn langsam zu schütteln.

„Ich kann das nicht, Jazz, was soll ich denn tun?“, begann ich dann zu sprechen, sah ihn jedoch nicht dabei an. „Nichts liegt mir ferner, als Dads Hochzeit zu sprengen, aber ich schaffe es einfach nicht, mit in die Kirche zu kommen, um zuzusehen, wie mein Mädchen ihm das Ja-Wort gibt. Der Scheiß macht mich kaputt, Bro. Ich hab keine Ahnung, wie ich damit umgehen und das alles überstehen soll“. Ich seufzte tief, und ich sah Jasper an, dass er etwas sagen und mir helfen wollte, doch offensichtlich fand er nach wie vor keine Worte, die mir Trost spenden würden.

Er stellte sich neben mich, legte seinen rechten Arm um meine Schultern und strich beruhigend über meinen Rücken. „Hey, Edward“, begann er leise, „du musst dich jetzt zusammenreißen. Dad würde nur unangenehme Fragen stellen, wenn du nicht mitkommen würdest, und das wollen wir doch nicht, oder?“. Ich schüttelte den Kopf und konnte ein tiefes, verzweifeltes Seufzen nicht unterdrücken, als er selbst seufzte und weitersprach. „Bitte, Bro, spring über deinen Schatten und komm mit. Dad wäre sehr traurig, wenn du während seiner Hochzeit nicht bei ihm wärst, es bedeutet ihm so viel.“

„Hast ja recht“, sagte ich so leise, dass ich es selbst kaum hören konnte, hob meinen Kopf und schaute ihn an. Jazz keuchte, als er mir in die Augen sah. Vermutlich fand er darin all die Gefühle, die in mir tobten – Kälte, Leere, Schmerz und diese tiefe Traurigkeit, die ich von Isabella kannte und sie so sehr hasste. Ja, er konnte es sehen, sein Blick sagte mehr als tausend Worte. Dennoch bemühte er sich, mir aus diesem tiefen Loch zu helfen und war wohl zufrieden über die Zustimmung, die ich soeben ausgesprochen hatte.

„Braver Junge“, sagte er grinsend und klopfte mir anerkennend auf den Rücken. Tatsächlich huschte ein leichtes Schmunzeln über meine Lippen, und Jaspers Grinsen wandelte sich in ein glückliches Lächeln. „Na los, lass uns gehen. Wahrscheinlich warten eh schon alle auf uns“.  Zufrieden packte er mich ein wenig fester an der Schulter und zog mich einfach mit.

Natürlich musste ich noch rasch im Spiegel checken, ob ich mich erneut unter die Gäste mischen konnte, ohne einen Hinweis darauf zu geben, was soeben geschehen war. Nachdem ich mich also vergewissert hatte, wieder einigermaßen gut auszusehen, murmelte ich ein ziemlich gequältes „Auf in den Kampf“ und folgte meinem Bruder, der sich gerade über meine Eitelkeit amüsierte und mich kopfschüttelnd aus dem Zimmer schob.

Nun hieß es also stark sein. Ich hatte keine andere Wahl, als den Tatsachen ins Auge zu blicken. Fakt war, dass ich kurz davor war, Isabella zu verlieren und ebenso stand fest, dass ich absolut nichts dagegen tun konnte. Ich war dazu verdammt, dabei zuzusehen, wie sie meinem Vater das Ja-Wort gab.

„Mach mal, Bro“, flüsterte Jazz neben mir und gab mir einen leichten Schups, sodass ich die Treppe runter stolperte, was mich tatsächlich leise zum Lachen brachte, und glucksend landete ich neben Dad.


CarlislePOV


„Man, Edward, da bist du ja, ich hab mir schon Sorgen gemacht. Geht es dir gut?“, fragte ich meinen Sohnemann, als dieser verdammt blass um die Nase die Treppe hinunter stolperte und glucksend neben mir zum Stehen kam.

„Hab seit gestern Abend vermutlich zu viel Alkohol in meinen Körper gepumpt“, erwiderte er grinsend, doch irgendwas war … falsch. So kannte ich meinen Edward nicht. Sein Blick war leer, und dieses Grinsen erreichte seine Augen nicht. Nicht im Geringsten.

„Hey Leute, wir müssen dann los“, rief Alice laut und euphorisch in die Menge. Das vorherrschende Gemurmel wurde ein wenig lauter, als sich unsere Gäste Richtung Haustür bewegten, doch ich wollte unbedingt noch etwas klären.

„Geh schon mal vor, Liebes. Bin gleich bei dir, möchte nur noch schnell mit Edward sprechen. Ich denke, es geht ihm nicht gut“, sagte ich zu meiner bildhübschen Braut und hauchte ihr einen Kuss auf den Mund.

„Ist in Ordnung, Schatz“, erwiderte sie, sah kurz zu Edward, senkte den Kopf und verließ seufzend das Haus. Naja, Bella hatte wahrscheinlich mehr Input, was seine Trennung von Leah betraf. Mein Sohn und meine Verlobte verstanden sich mittlerweile wirklich gut, und ich ging mal davon aus, dass sie mehr wusste, als ich. Vermutlich litt er sehr darunter, dass ihn dieses schwarzhaarige Gift wegen eines anderen verlassen hatte, also wollte ich unbedingt noch mit ihm sprechen, bevor wir zur Kirche fuhren.

„Ist es wegen Leah?“, fragte ich ihn leise, nachdem ich Edward am Arm gepackt und ihn daran gehindert hatte, mit den anderen aus dem Haus zu gehen. „Geht es dir deshalb so schlecht?“ Er zuckte mit den Schultern und schaute mich an, doch sein Blick gefiel mir nicht.

„Mach dir keine Sorgen, Dad. Es geht mir gut. Das wird schon wieder, glaub mir“, erwiderte er und lächelte mich an. „So, und jetzt auf in die Kirche. Du willst doch deine wunderschöne Braut nicht warten lassen, oder?“. Sofort konzentrierten sich alle meine Gedanken wieder auf meine geliebte Bella, und verdammt ja, er hatte recht.

„Du weißt, dass ich immer für dich da bin, Edward, ja?“ Er nickte.

„Danke“, sagte er leise, während eine tiefe Traurigkeit über sein Gesicht huschte, die ich verdammt noch mal nicht deuten konnte. Am liebsten wäre ich auf der Stelle zu dieser Leah gefahren, um ihr anständig meine Meinung zu sagen, doch erstens hatte ich für sowas nun wirklich keine Zeit, und zweitens konnte ich mich doch nicht so in das Leben meines erwachsenen Sohnes einmischen. Also beließ ich es dabei, legte ihm den Arm um die Schulter und lächelte ihn an. „Na komm schon, bis zum Heiraten ist alles vorbei“, witzelte ich glucksend, und ging mit ihm zur Tür.

„Man, geht’s noch? Ich bin frisch geschieden. Hör mir bloß auf mit diesem Heirats-Scheiß“, erwiderte er und begann, herzlich zu lachen. Gott sei Dank!

Kurz bevor wir das Haus verlassen hatten, hörte ich Alice, die lautstark nach dem Bräutigam rief. Schmunzelnd verdrehte ich die Augen und schüttelte den Kopf.

„Leicht nervig, unsere kleine Hexe, was?“, kommentierte Edward amüsiert ihren Schrei, und ich hatte nun wirklich den Eindruck, dass sich seine miese Laune gravierend gebessert hatte.

„Du sagst es“, stimmte ich zu, „aber ich mag sie trotzdem“.

„Ich auch“, sagte er und zwinkerte mich an.

„Dann mal los. Wir wollen doch unsere Gäste nicht warten lassen“. Ich legte meinen Arm um seine Schultern und nickte mit dem Kopf in die Richtung, aus  welcher gelöstes Lachen und gute Laune an unsere Ohren drang.

„Yeah. Auf in den Kampf“. Ich grinste ihn an und, und er öffnete die Tür.


BellaPOV


Verdammt, war dieses Kleid zu eng? Hatte ich zugenommen, oder warum zur Hölle bekam ich keine Luft?
'Jaja, Bella, genau. Belüg dich selbst. Du weißt genau, warum du diesen Druck auf der Brust und den Schmerz bis tief in deine Seele fühlst', flüsterte diese böse Stimme in meinem Kopf, und einmal mehr an diesem Tag schnürte sich meine Kehle zu.

Gerade, als ich in die staunende und entzückte 'Ah's' und 'Oh's' murmelnde Menge eintauchte, sah ich mein zukünftigen Mann am Ende eines romantischen Spaliers stehen, und er strahlte mich stolz und glücklich an. Wie von Geisterhand löste sich der Knoten in meiner Brust, und ich konnte wieder atmen. Verdammt ja, ich brauchte meinen Carlisle, bekam ohne ihn keine Luft. Okay, ich bekam wieder Luft, aber dieser seltsame Schmerz tief in mir drin, der blieb.

Warum genau ich ihn fühlte und woher er kam, wusste ich nicht. Ebenso wenig, wie ich ihn bekämpfen oder verschwinden lassen konnte. Was war nur mit mir los?

„Du siehst atemberaubend aus, Bella. Ich liebe dich“, flüsterte Carlisle und lächelte mich liebevoll an. Ich fühlte mich so gottverdammt wohl und geborgen an seiner Seite, dass ich es mit Worten kaum ausdrücken konnte. Ich brauchte ihn. So sehr. Mein Liebster hätte sich sicher gut mit Charlie verstanden, die beiden waren wie aus einem Holz geschnitzt.

Charlie … mein Dad. Wie schön wäre es, wenn er heute bei mir sein könnte? Gott, ich vermisste ihn so sehr. Ich richtete meinen traurigen Blick auf meinen Liebsten, und sofort fühlte ich mich gut. Er war mein Zuhause, hier gehörte ich hin. Bei ihm fand ich seit jeher das, was ich seit Charlies Tod vermisste, und heute war es also soweit. Ich würde ihn heiraten, um für immer an seiner Seite zu sein. Für immer Liebe, Geborgenheit, Schutz und diese wohlige Wärme, nach der ich mich so sehnte. Ja, ich liebte ihn.

Während meine Gedanken gleichermaßen in die Zukunft, wie auch in die Vergangenheit schweiften, sah ich aus dem Augenwinkel, dass Edward die Treppen nach oben stürmte und im ersten Stock verschwand. Was war nur mit ihm los?

Wir hatten uns die vergangenen neun Tage nicht gesehen und ich dachte, er wäre über mich … über uns hinweg. Er ignorierte mich und ließ mich weder mit Worten, geschweige denn mit Taten fühlen, dass da noch etwas war.

In der Gewissheit, ihn für immer verloren zu haben, kümmerte ich mich um die Hochzeit, traf mich immer wieder mit Alice, die voll darin aufging, an den Planungen teilzuhaben und verbrachte jede freie Sekunde mit Rose. Sie und meine kleine Hexe – wie Jasper sie immer nannte – verstanden sich sehr gut, und ich liebte sie beide wie Schwestern, die ich nie hatte. Auch das Verhältnis zu Jasper und Emmett war mittlerweile perfekt, nur Edward … er gehörte irgendwie nicht dazu.

Ich vermisste ihn so sehr. Seine Nähe, seine samtige, tiefe Stimme, diesen wundervollen, sinnlichen Duft, mit dem er mich verrückt machen konnte. Ich vermisste sein Lachen, das tiefgründige Strahlen seiner unglaublich grünen Augen … Gott, ich vermisste IHN.

Scheiße, und nun wurde mir klar, woher dieser Schmerz kam, den ich tief in mir fühlte. Er hatte eindeutig mit Edward zu tun. Augenblicklich wurde mir bewusst, dass ich nicht im Geringsten über ihn hinweg war. Dieser Mann beschäftigte mich nach wie vor, doch ich konnte nun nichts mehr tun. Ich war ihm egal, er hatte mit mir und dem, was zwischen uns war, abgeschlossen, und ich musste damit leben. Aus.

Obwohl schon etliche Minuten verstrichen waren, befanden sich Edward und Jazz nach wie vor nicht unter den Gästen. Immer wieder blinzelte ich verstohlen zur Treppe, doch die beiden kamen einfach nicht. Ich machte mir bereits ernsthafte Sorgen, als ich erleichtert zur Kenntnis nahm, dass meine zukünftigen Stiefsöhne uns doch noch die Ehre erwiesen. Dennoch hatte ich den Eindruck, dass Edward sogar lieber beim Zahnarzt wäre, als uns in die Kirche zu folgen, und plötzlich fühlte sie alles hier so … falsch an. Ja, falsch.

Mein Kopf zuckte verwirrt in die Richtung meines zukünftigen Mannes, doch sofort musste ich lächeln, als sein Blick mit meinem verschmolz. Er wirkte so glücklich.

Dann suchte ich nach Edward und fand ihn auch. Gott, er sah scheiße aus, irgendetwas stimmte nicht. Ob es nach wie vor mit mir zu tun hatte? Nein, das konnte nicht sein. Die letzten neun Tage hatten doch bewiesen, dass das mit uns beendet war, worüber machte ich mir eigentlich Gedanken?

Nachdem Carlisle meinte, ich sollte vorausgehen, da er noch etwas mit Edward besprechen wollte, verließ ich mit den aufgekratzten und fröhlichen Gästen das Haus.

„Stell dich bitte genau DORT hin“, befahl mir Alice mit einem breiten Grinsen im Gesicht und  deutete auf eine wirklich romantische Stelle unter einem sattgrünen Baum, die sich im Halbschatten befand. An Stelle einer wortreichen Erklärung fuchtelte sie mit einer Digitalkamera in der Luft herum und machte eine eindeutige Handbewegung, wonach ich sofort ihrer Aufforderung nachkommen sollte, also tat ich es auch.

„Bräutigaaaaaaam“, brüllte sie, dass einige der sich unterhaltenden Gäste förmlich zusammen zuckten und funkelte zur Tür. Grinsend, als hätte er gerade einen geilen Insiderwitz angebracht, kam mein Liebster kurz darauf aus dem Haus. Sein Arm lag um Edwards Schultern, und in diesem Moment packte mich eine tiefe Wehmut, die mir für einen kurzen Moment den Atem raubte.

Das waren sie. Meine Männer. Herrgott noch mal, es hatte sich absolut nichts geändert. Ich liebte sie beide und würde alles dafür geben, wenn ich bloß … Oh mein Gott, was dachte ich denn da? Verdammt, ich hatte mich bereits für ein Leben mit Carlisle entschieden, da ich ohne ihn einfach nicht atmen konnte, und dennoch war ich mir keineswegs sicher, ob das richtig war, was ich hier tat.

Wieder fühlte ich diesen seltsamen Kloß in meiner Kehle, und leicht schwankend lehnte ich mich gegen den Baum.

„Bella? Geht es dir gut? Ist alles in Ordnung?“, fragte mich Rosalie, die sofort an meiner Seite war und ihren Blick misstrauisch und leicht nervös über mein Gesicht gleiten ließ. Alice war inzwischen ein paar Schritte auf Vater und Sohn zugegangen, trennte die beiden und forderte Carlisle auf, sich umgehen an meine Seite zu stellen, da sie vor der Abfahrt noch ein Foto von uns machen wollte.

„Jaja, alles gut. Hab nur gerade eben kurzfristig das Gleichgewicht verloren. Scheiß Heels“, erwiderte ich auf Rosalies besorgte Frage und grinste so aufrichtig wie möglich in ihr Gesicht.

„Na gut“, erwiderte diese, zog eine Augenbraue hoch und schaute mich misstrauisch an. „Es ist wegen Edw...“

„Psssst“. Carlisle war uns bereits verdammt nahe gekommen, und panisch hielt ich meine blonde Freundin in rechten Moment davon ab, etwas zu sagen, was besser im Geheimen blieb. Fuck, das hätte noch gefehlt.

Rose kniff sofort die Lippen zusammen, riss die Augen auf und wurde rot. Mein Liebster hatte allerdings – Gott sei Dank – nichts bemerkt und stellte sich neben mich. Liebevoll legte er seinen rechten Arm um meine Taille, zog mich ganz nah an sich und hauchte mir einen Kuss auf die Lippen. „Ich liebe dich“, sagte er leise, bevor er mich noch einmal küsste und Alice begeistert aufquietschte, weil das wohl ein entzückendes Foto werden würde.

„Ich dich auch“, erwiderte ich lächelnd und wäre genau in diesem Moment am liebsten weg gerannt. Weit weg, wo ich niemanden kannte, und mich niemand kannte. Weg. Dieses 'Ich dich auch' – es machte mich verrückt. Es war absolut wahr, ich liebte meinen Carlisle, und diese drei Worte fühlten sich so richtig an. Aber zur Hölle, irgendetwas stimmte nicht, war falsch.  Meine Gefühle waren in diesem Augenblick so verwirrend, dass sich mein Magen zusammen krampfte und ich laut keuchend die Arme um meinen Bauch schlang.

„Schatz, was ist los?“. Entsetzt starrte Carlisle mich an, streichelte mir über die Wangen, fühlte an meiner Stirn, ob sich meine Temperatur verändert hatte und  seufzte erleichtert auf.

„Liebling, ich hab doch kein Fieber“, gluckste ich, stellte mich wieder gerade hin und nahm glücklich zur Kenntnis, dass die Krämpfe plötzlich wie weggeblasen waren.

„Aber du bist so zusammengezuckt. Hast du Schmerzen? Fühlst du dich nicht wohl?“

„Frauenangelegenheiten“, erwiderte ich, verdrehte die Augen und grinste ihn an. Yeah, ich hatte tatsächlich gestern meine Tage bekommen. Was für ein beschissenes Timing für die Hochzeitsnacht, doch aufgeschoben ist nicht aufgehoben und wir beschlossen einfach, alles nachzuholen.

„Oooh, na dann...“. Leise lachend drückte er mir einen zärtlichen Kuss auf den Mund, nahm mich an der Hand und zog mich zum fetten, schwarzen Mercedes seines Bruders, welcher schon lautstark nach uns rief. Ich raffte so gut wie möglich mein Kleid zusammen und sank kurz darauf in den eleganten Wagen, während sich Carlisle neben mich setzte und einen sanften Kuss auf meine Hand drückte.

„Dann mal los, Mrs. Cullen“.


EdwardPOV


Ich hasste Kirchen. Schon als Kind fühlte ich mich in diesen düsteren, viel zu hohen und kalten Räumlichkeiten unbehaglich, fand sie unheimlich, gruselig und … tot. Yeah, eine Kirche hatte für mich nichts Lebendiges an sich, allein schon der Geruch hier drin machte mich krank.

Vom beschissenen Grund meiner noch beschisseneren Anwesenheit hier drin natürlich ganz zu schweigen. Toll, ich saß in der ersten Reihe. Als Sohn des Bräutigams gehörte es sich doch so. In Pole-Position, mit direktem Blick auf die glückliche Braut … Fuck.

Warum war ich nicht an der Stelle meines Dads?

Warum war nicht ICH derjenige, dem Isabella heute ein glückliches 'Ja' ins lächelnde Gesicht hauchen würde?

Warum durfte nicht ICH die Braut küssen, um sie hinterher zärtlich 'Mrs. Cullen' zu nennen.

Warum, verflucht noch mal, WARUM?

Jasper, Alice und Emmett sahen mich abwechselnd immer wieder mitleidig und traurig an. Ja, sie wussten natürlich Bescheid, welche Gefühle in mir tobten, und sie wussten genau, wie es mir ging. Ich quälte mir ein künstliches Lächeln aufs Gesicht und bemühte mich wirklich sehr, es auch beizubehalten, doch es gelang mir nicht.

Isabella und Carlisle trafen als Letzte ein und gingen langsam und bedächtig in Richtung Altar, wo Onkel Alec und Rosalie bereits ihre Trauzeugen-Posten bezogen hatten. Nachdem meine zukünftige Stiefmutter keine Angehörigen mehr hatte, die sie begleiten könnten, ließ mein Dad diesen Brauch außer Acht und führte sie selbst.

Zarte Orgelmusik ertönte von der Empore, und als alle aufstanden, tat ich es auch. Um meinen Blick nicht auf Isabella zu richten, ließ ich meine Augen über den festlich geschmückten Innenraum der Kirche gleiten und setzte mich wieder hin. Ich schloss mich einfach den anderen an und machte ihnen alles nach. Yeah, und nun war es an der Zeit, die gesamte Zeremonie zu ignorieren, abzuschalten und mich auf etwas anderes zu konzentrieren.

Dabei drifteten meine Gedanken zu Mom. Seit sie uns aus ihrem Haus geworfen hatte, war es uns unmöglich, wieder mit ihr in Kontakt zu treten. Sie ignorierte unsere Anrufe, wollte nichts von uns wissen und tat, als existierten wir nicht. Paolo ließ ihr scheinbar kaum Luft zum Atmen, ständig schlich er um sie herum. Wann immer die Zeit es zuließ, fuhr ich bei ihr vorbei, doch fast jedes Mal stand seine scheiß Karre vor dem Haus. Entweder war mein Timing so beschissen, oder er vernachlässigte seine Frau in Washington. Wie auch immer, Mom verschloss sich komplett, und ich überlegte, meine Anwesenheit in dieser Kirche dafür zu nutzen, um für sie zu beten. Beten, dass ihr dieses blöde Arschloch nicht schon längst einen Heiratsantrag gemacht und sie zugesagt hatte, ohne dass wir es verhindern konnten.

Allerdings hatte ich keinen wirklich guten Draht zu dem da oben, was ja auch kein Wunder war, denn er mochte mich anscheinend nicht. Würde er – Gott – mich mögen, würde ich vor dem Altar stehen und Isabella heiraten, und nicht mein Dad.  (Beta-A/N: Gott ist eh an allem Schuld. Immerhin hat er Alice erschaffen. Da muss er wohl nicht ganz nüchtern gewesen sein. --> *wegschmeiß*)

Verdammt, jetzt war ich also wirklich schon so weit und schob Gott die Schuld an der ganzen Scheiße in die Schuhe? Was war ich doch für ein Idiot. Ich murmelte ein gedankliches ‚Tschuldigung‘ an unseren Schöpfer und ignorierte weiterhin erfolgreich das, was sich vor mir abspielte, denn ich wollte nichts davon hören und sehen. Dennoch hatte ich das Gefühl, IHN für mein Versagen verantwortlich machen zu müssen, der ER hatte doch alle Fäden in der Hand, oder etwa nicht?

Seufzend hob ich meinen Kopf, den ich bewusst gesenkt hatte, um Isabella nicht in die Augen schauen zu müssen, und richtete meinen Blick auf einen Punkt hoch über mir. Tief in Gedanken versunken wendete ich mich wieder an Gott und fragte ihn stumm, was ich verbrochen hatte, um dies alles ertragen zu müssen. Welche schlimme Sünde schlich durch meine Vergangenheit, die es rechtfertigte, mit ansehen zu müssen, wie meine große Liebe meinem eigenen Vater das Ja-Wort gab? Womit hatte ich das alles verdient?

Ich senkte meinen Blick und richtete ihn auf Alice und Jazz. Die beiden saßen Händchenhaltend auf der harten, hölzernen Bank und hatten gerade einen sehr intensiven Blickkontakt. Boah, es erweckte den Eindruck, als würden sie jeden Moment über einander herfallen. Hallo, Leute, wir sind hier in einer Kirche!!

Links von mir befand sich Emmett, der seine verliebten Augen nicht von seiner Rosalie nehmen konnte. Auch Rose machte als Trauzeugin einen irgendwie unaufmerksamen Eindruck, da sie ständig in Emmetts Richtung sabberte und dieses breite Grinsen ihr Gesicht nicht verließ.

Hinter uns befanden sich weitere Gäste – Kollegen von Dad, diese Tussi, die ich seinerzeit am Empfang von BellaRose gesehen hatte und ihr Mann. Im Großen und Ganzen fuckte mich hier alles an, und am liebsten wäre ich kommentarlos aufgestanden, um diese scheiß Hochzeit zu verlassen, aber ich durfte ja nicht.

Ein lautes Räuspern riss mich aus meinen angepissten Gedanken, und mein Kopf schoss in die Richtung, aus der es kam. Der Reverend musterte mich mit einem strengen Blick, wohl genervt, weil ich so unaufmerksam war. Ich nickte ihm entschuldigend zu und lauschte seinen Worten, oder zumindest tat ich so.

Einerseits furchtbar gelangweilt und andererseits vollkommen abgefuckt nahm ich zur Kenntnis, dass sich die Eheschließung dem Ende neigte, und augenblicklich schlug mein Herz hart gegen meine Brust. Nun war es also soweit. Ich würde sie verlieren.


CarlislePOV


„....dann antworten Sie bitte mit Ja“, beendete der Reverend meine  verträumte Schwärmerei. Ich hatte von seinen Worten kaum etwas mitbekommen, da ich die Augen nicht von meiner wundervollen Bella nehmen konnte. Sie war so zart und zerbrechlich, doch andererseits auch so stark und gottverdammt schön.

Gerade noch rechtzeitig sickerten die Worte des Priesters in mein verliebtes Gehirn,  und nun gab es nur noch eines für mich.

„Ja“. Laut und deutlich hatte ich mich soeben für meine Bella entschieden, die seit ein paar Minuten weinte und mir unaufhörlich ein sanftes Lächeln schenkte. Gott, ich liebte sie, aber dennoch keimte wieder einmal die Sorge in mir, dass ich vielleicht zu alt für sie wäre. Ich konnte diesen widerlichen Gedanken einfach nicht aus meinem Körper verbannen. Ich hasste ihn so sehr, doch immer wieder suchte er mich heim.

Nein, ich redete mir das alles bloß ein. Bella liebte mich genauso wie ich sie. Ich musste einfach stärker sein und gegen diesen schwermütigen Gedanken ankämpfen, erst dann würde ich das gemeinsame Leben mit meiner Liebsten genießen können, davon war ich überzeugt.

Gedanklich schüttelte ich heftig meinen Kopf und konzentrierte mich auf den Reverend, der nun wieder das Wort ergriff.

„Wollen Sie, Isabella Marie Swan...


EdwardPOV


„… den hier anwesenden Carlisle Cullen lieben und ehren, in guten wie in schlechten Tagen, in Gesundheit und in Krankheit, bis dass der Tod euch scheidet, dann antworten Sie mit Ja“, murmelte der Gottesmann monoton vor sich hin, fixierte Isabella nach Beendigung seiner Worte, und dann geschah, was niemals passieren hätte dürfen.

Für einen ganz kurzen Augenblick löste sie ihre Augen von denen meines Vaters und starrte mich an. Dieser Blickkontakt war der schrecklichste, den ich bisher erlebt hatte, und doch verschmolz mein verzweifeltes Grün mit ihrem leeren Braun. Es war, als würde die Zeit still stehen, ich vergaß alles um uns herum, und doch – ich fühlte nichts. Absolut nichts.

Sie sah mich an, und irgendwas Flehendes huschte über ihr Gesicht. Was erwartete sie von mir? Was sollte ich tun? Sollte ich ihr schlicht und ergreifend sagen, dass ich sie liebte? Sollte ich?


BellaPOV


Oh mein Gott, nun war es also soweit. Der Reverend wartete wohl genauso auf mein ‚Ja‘ wie der wunderbare Mann, der vor mir stand und all jene, die in der Kirche waren. Bis auf … ihn.

Er erwiderte meinen Blick, doch es war, als wäre er nicht da. Ein kalter Schauer rieselte über meinen Rücken und ließ mich kurz erstarren. Die verwirrten Gefühle, die in mir tobten, machten mich beinahe verrückt, als sich der mich umgebende, bedrückende Nebel lichtete und mir eines klar wurde. Obwohl ich Carlisle vom tiefsten Grunde meines Herzens liebte und wirklich gerne seine Frau werden würde, liebte ich Edward mehr.

Es war eine andere Art der Liebe, das wurde mir soeben bewusst, aber ich brauchte auch Carlisle, da ich ohne ihn nicht atmen konnte. Unter Umständen würde ich beide verlieren, und damit könnte ich nicht leben, denn es würde mich töten.

Charlie hatte mich bereits im Stich gelassen, ich könnte es nicht ertragen, wieder ganz allein zu sein, also richtete ich meinen Blick für ein paar Sekunden auf Edward. Er sah mich ebenfalls an, während ich im Geiste mit ihm schrie.

‚Sag es. Sag die drei Worte, Edward. Sag, dass du mich liebst. Ich brauche Carlisle, ich brauche DICH, bitte lasst mich nicht allein. Ich kann nicht atmen. Aber bitte  – SAG ES, und … ich bin dein‘

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