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Freitag, 23. Dezember 2011

(14) Heiße Anwältin, cooler Italiener



26.7.2009



JasperPOV


Hier stand ich also. Vor dem Büro von dieser Brandon … Alice. Und ja, verdammt, dieses Mal würde ich pünktlich sein.
Grinsend warf ich einen Blick auf meine Uhr. Es waren genau noch zwanzig Sekunden, bis es zehn war, und ich würde exakt dann an ihre Tür klopfen, wenn der Sekundenzeiger auf die Zwölf gerutscht war. Yeah, mit mir nicht, Lady. Eigentlich sollte ich sie nicht provozieren, denn das war nicht gut fürs Geschäft, aber mir saß heute einfach der Schalk im Nacken, und dieser ganze Scheiß amüsierte mich zutiefst.

Punkt zehn. Ich klopfte.

„Ja?“, hörte ich gedämpft hinter der Tür, und ich trat vorsichtig ein. Alice  stand am Fenster und riss ihren Kopf in meine Richtung.

„Oooh, Mr. Cullen, wie schön, dass Sie auch schon hier sind“, zickte sie mir entgegen, und ich konnte leider nicht umhin, schelmisch zu grinsen.

„Wenn Sie einen Blick auf die Uhr riskieren würden, könnten Sie sehen, dass ich überpünktlich bin, so wie Sie es verlangt haben. Also – wo liegt das Problem?“. Verdammt, ich sollte mich lieber benehmen, als hier einen auf Spacko zu machen. Immerhin hing meine Zukunft ab von dieser Frau, zumindest ein großer Teil davon.

Woah, sie funkelte mich zornig an, stemmte ihre Arme in die Hüften und warf tatsächlich einen schnellen Blick auf die große, viereckige Uhr, die sich über der Tür befand.

„Okay, ich lass das mal ausnahmsweise durchgehen, nehmen Sie bitte Platz“, erwiderte sie mit gerunzelter Stirn und deutete mit dem Kopf zum ovalen Besprechungstisch, der sich auf der rechten Seite ihres großräumigen Büros befand.

Nachdem ich den ersten Aufenthalt in diesen Räumlichkeiten nahezu ausschließlich mit Schmollen verbracht hatte, schaute ich mich mal ein wenig um. Eine riesige Palme beugte ihre dunkelgrünen Wedel gegen das Licht, ein großer und mehrere kleinere flauschige Teppiche befanden sich am polierten Parkettboden, das gesamte Büro machte dem Betrachter sofort bewusst, dass sich hier drin tagtäglich eine Frau befand. Der ganze Raum war sehr gemütlich, obwohl sich auf der linken Seite massenhaft Bücher in einem Regal befanden, welches beinahe bis zur Decke reichte. Ein zartes Lindgrün in Verbindung mit einem cremigen Weiß dominierte das sonnendurchflutete Büro, die Möbel waren aus hellem Holz. Auf dem wuchtigen Schreibtisch türmten sich diverse Unterlagen, wirkten jedoch so, als hätte die Anwältin alles im Griff.

„Heute noch, wenns geht. Ich sagte schon beim letzten Mal 'Zeit ist Geld', Mr. Cullen, und das meinte ich auch so. Also?“. Sie setzte sich auf einen der acht Stühle, schlug das rechte Bein über das linke und wackelte damit ungeduldig hin und her. Kopfschüttelnd knallte sie eine dunkelblaue Mappe auf den Tisch, öffnete sie und blätterte eine Weile in den darin befindlichen Unterlagen herum.

Fuck, die Chemie zwischen uns stimmte aber sowas von gar nicht. Wie sollten wir bloß zu einer guten Zusammenarbeit finden, wenn wir uns so dermaßen anpissten, dass ich für meinen Teil am liebsten gleich wieder abhauen würde?

Um sie nicht noch wütender zu machen, nahm ich also ihr gegenüber Platz, legte meine Unterarme auf den Tisch, verschränkte meine Finger und schaute sie erwartungsvoll an.

„Nun, Mr. Cullen …“. Waren wir denn nicht schon bei Jasper und Alice? Naja, mir egal, bin auf diesen Scheiß nicht angewiesen. „Jaaa, Ms. Brandon?“ Ich grinste sie an und stellte fest, dass sie ihr Haar ausgesprochen lustig trug. Es war wirklich kohlrabenschwarz, nicht allzu lang, aber es stand in perfekt geformten Stacheln ab und passte irgendwie perfekt zu ihrem schmalen, blassen Gesicht.

„Gucken Sie mich nicht so an, das kann ich nicht leiden“, stoppte sie meine Glotzerei. Ich erschrak, setzte mich ruckartig auf und sah in ihre wütend funkelnden, tiefblauen Augen. Eine wirklich krasse Kombination, dieses schwarze Haar und die blauen Augen. Äußerst ungewöhnlich, aber naja, vielleicht ist sie ja auch eine von jenen, die regelmäßig zum Friseur rennen, um ein wenig nachzuhelfen. Könnte ja sein.

Ihre Haut war sehr blass, aber dennoch glatt und rein, da gab es wirklich nichts zu meckern, und diese süße, kleine Stupsnase passte perfekt. Okay, aber was hilft schon so ein schönes Gesicht, wenn die Besitzerin eine blöde Zicke ist? Ich grinste in mich hinein und erschrak beinahe zu Tode, als sie mich schon wieder beim Starren ertappte und förmlich mit mir schrie.

„SIE SOLLEN DAMIT AUFHÖREN, HAB ICH GESAGT!!“. Wenn Sie meine Hilfe wollen, was Ihre Scheidung betrifft, dann benehmen Sie sich. Wenn nicht – dort ist die Tür“. Sie deutete mit dem Kopf dorthin, wo ich kurz zuvor den Raum betreten hatte, lehnte sich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. (Beta-A/N: Du alte untervögelte Ziege sprichst nicht so mit MEINEM Jazz. IST.DAS.KLAR? --> *looooooooooool*)
„Okay, okay“, lenkte ich ein und hob meine Hände besänftigend hoch,  „tut mir leid“. Ich schenkte ihr meinen besten Dackelblick, und es funktionierte. Natürlich tat es das. Mein Bruder und ich waren schon immer die Besten, was DAS betraf. Wir wussten ganz genau, wie wir mit der weiblichen Spezies umgehen mussten, und offensichtlich wirkte es auch hier.

„In Ordnung“, sagte sie und lächelte mich an. „Irgendwie hab ich den Eindruck, dass wir beide keinen guten Start hatten, oder?“ Ich zuckte mit den Schultern und nickte. „Diesen Eindruck hab ich auch“.

„Nun – ich bin Alice“, sagte sie plötzlich und streckte ihren rechten Arm über den Tisch, „Lassen Sie uns neu beginnen, denn so kommen wir nie auf einen grünen Zweig, und schon gar nicht zu einer guten Zusammenarbeit“.

„Einverstanden. Jasper“, erwiderte ich grinsend und schüttelte ihre Hand.

„Also, Jasper“, sie lächelte mich wieder an, und ich hatte tatsächlich den Eindruck, dass nun alles bestens laufen würde und die anfänglichen Schwierigkeiten ausgemerzt wären. Aufmerksam hörte ich ihr zu. „Erzählen Sie mir nochmal von Ihrer Frau und begründen Sie bitte ihren Scheidungswunsch, nur fürs Protokoll“. Nun legte sie das linke Bein über das rechte, verschränkte wieder die Arme vor ihrer Brust und bedeutete mit einem Nicken, dass ich einfach frei von Leber weg erzählen sollte, was ich auch gleich tat.  Zwar wunderte ich mich ein wenig über diese Aufforderung, da ich ihr doch bereits im Zuge unseres ersten Termins alles erzählt hatte, aber okay, dann mal los.

„Jessica – meine Frau – macht mir seit Wochen das Leben schwer. Sie denkt gar nicht daran, sich einen Job zu suchen, doch ihr Haupthobby ist shoppen. Sie wirft ununterbrochen mein hart verdientes Geld zum Fenster raus, unser Appartement ist gerammelt voll mit Sachen, die kein Mensch braucht. Alles, was ich tue, ist schlecht, ich reiche ihr nicht mehr. Wir streiten den lieben, langen Tag, sie legt sich sogar schon mit meiner Familie an, geht ihre eigenen Wege und behandelt mich wie den letzten Dreck. Mich interessiert dieser Scheiß nicht mehr...“, redete ich mich in Rage, und Alice begann leise zu kichern.

„Aaaber...“, unterbrach ich sie leicht angepisst. Sie sollte mich gefälligst nicht auslachen, verdammt nochmal. Sofort war sie still und bedachte mich mit einem entschuldigenden Blick. „...ich habe mit meinem Bruder einen Plan ausgeheckt, welcher sicher für Sie von Bedeutung ist“. Yeah, DAS war neu, und DAS wusste sie noch nicht.

„Ach ja?“, erwiderte sie interessiert, setzte sich kerzengerade hin und nahm einen Stift, mit dem sie begann, sich ständig Notizen zu machen. Wieso tat sie das nicht an ihrem PC? Nun, mir egal.

„Nachdem meine Ich-bin-die-Schönste-auf-der-ganzen-Welt-Frau jeden Job bis auf das Modeln verweigert – denn alles andere ist zu schlecht für sie - , haben wir uns folgendes ausgedacht:
Die zukünftige zweite Frau meines Vaters suchte ein Gesicht für die PR-Kampagne ihrer Kosmetikfirma. Jessica wurde dieser Job angeboten, und freudig stimmte sie zu. Sie zerfließt seither beinahe vor Stolz. Die Werbung wiederum läuft über meine Firma und die meines Bruders. Das  bedeutet nun, dass wir das im Zuge der Scheidung so präsentieren können, dass ICH so großzügig bin und ihr diesen tollen Job verschafft habe. Können Sie mir folgen?“

„Nein“. Sie lachte und schüttelte den Kopf. „Bitte nochmal, das ist alles ein wenig verwirrend, oder nicht?“. Ich schmunzelte und begann von vorn. Langsam, überdeutlich und laut.

Die nächsten dreißig Minuten verbrachte ich ausschließlich damit, ihr bis ins kleinste Detail unseren Plan zu erklären, und wir feilten präzise daran herum, bis sie euphorisch in die Hände klatschte und ich vor Schreck fast vom Stuhl gefallen wäre.

„Das ist brillant!!“, rief sie aus und klatschte nochmal. Ich keuchte, starrte sie aus weit aufgerissenen Augen an und drückte meine rechte Hand aufs Herz. „Entschuldigung“, sagte sie leise, „ich bin eben so, daran müssen Sie sich gewöhnen“. Dann kicherte sie eine Weile vor sich hin, schüttelte den Kopf und war plötzlich wieder der staubtrockene Rechtsverdreher,  den ich  kennengelernt hatte.

„Gut, mit diesen Informationen lässt sich ein perfekter Schlachtplan ausarbeiten, ich hab die Taktik bereits im Kopf“. Sie beugte ihren Oberkörper ein wenig nach vorn und grinste schon wieder. Gott, diese Frau überforderte mich, aber echt. „Jasper, wir werden Sie vor Gericht als Helden darstellen, der seine Frau niemals verlassen würde, ohne bestens für sie zu sorgen. Mit diesem sicherlich gut dotierten Job kann Jessica keine allzu hohen Unterhaltszahlungen fordern, und nachdem Sie ihr sogar das Appartement überlassen, sieht es – so denke ich – ganz gut für Sie aus. Ich bin zufrieden“, murmelte sie noch hinterher, machte sich noch ein paar Notizen und sprang urplötzlich auf, sodass ich das dritte Mal erschrak.

„Ich sagte doch, dass Sie sich daran gewöhnen sollten“, gluckste sie, ging mit kleinen, eleganten Schritten zu ihrem Schreibtisch und sank in ihren cremefarbenen Ledersessel, in dem sie fast verschwand. Ich blieb einfach sitzen und beobachtete sie dabei, wie sie ihren PC traktierte. Ihre Finger flogen regelrecht über die Tastatur. Vollkommen gelassen grinste sie auf den Bildschirm und las mit, was sie schrieb.

„So ...“, sagte sie und grinste mich zufrieden an, „... und nun lassen Sie uns was essen gehen“.

„Was?!“ Vollkommen perplex starrte ich sie an.

„Meine Güte, jetzt tun Sie doch nicht so. Es ist bald halb zwölf, und ich hab Hunger. So einfach ist das. Wenn Sie wollen, kommen Sie mit, wenn nicht, dann eben nicht. Mir egal“. Sie zuckte gleichgültig mit den Schultern und griff zu ihrem Telefon. „Lizzy, ich bin dann mal weg...ja, danke, dir auch. Mahlzeit“, dann legte sie wieder auf.

„Also – kommen Sie nun mit, oder nicht? Wir könnten noch weitere Details wegen Ihrer Scheidung besprechen, ich finde die Idee ganz gut“. Sie lächelte mich an, und ich kam einfach wieder zu dem Entschluss, dass mich diese Frau schlicht und ergreifend überforderte. Mein Magen allerdings schien sich bereits entschieden zu haben und grummelte leise vor sich hin. Alices Kopf schoss in meine Richtung, ihre Augen glitten über meinen Bauch und sie lachte laut auf. „Hören Sie auf Ihren Körper“, gluckste sie und machte sich tatsächlich auf den Weg zur Tür.

Ich stand nach wie vor wie ein Vollidiot herum und glotzte sie an. Unglaublich, diese Frau.

„Man, Jasper, haben Sie verlernt, sich zu bewegen?“. Nein, natürlich nicht. Warum sollte ich eigentlich nicht mit ihr essen gehen und die Zeit dafür nutzen, meine Scheidung zu besprechen? Irgendwie war sie mir mittlerweile sympathisch, obwohl sie einen ziemlich durch geknallten Eindruck auf mich machte, aber okay. Egal.

Während ich mich daran machte, das Büro zu verlassen, griff ich nach meinem Handy und rief Edward an.

„Hey, Bruder, du lebst noch? Wie nett. Hat sie dich also doch nicht gekillt“, gluckste er ins Telefon, doch ich unterbrach ihn sofort. .

„Ja, du Idiot, ich lebe noch“. Ich lachte kurz auf und fuhr fort. „Hör mal zu, ich werde mit Alice essen gehen und komm dann wieder in die Firma, ja? In Ordnung?“

„Oooooh, ihr geht zusammen essen?“, verarschte er mich, „Jasper Cullen  macht sich ein paar schöne Stunden mit einer geheimnisvollen Frau?“ .

„Moooment, Alter, du bist für die geheimnisvollen Frauen zuständig, nicht ich“. Er lachte und ich schloss mich ihm an.

„Schon okay, Jazz. Lass es dir schmecken und tu nichts, was ich nicht auch tun würde“.

„Niemals würde ich das tun, was du tust...“, erwiderte ich glucksend, während ich die Augen verdrehte und danach auf Alice richtete, die schon nervös neben mir herum zappelte, „....also hör auf mit dem Scheiß. Bis dann“.

„Jawohl, Chef, bis später“. Als ich das Handy von meinem Ohr wegbewegte, hörte ich Edward noch eine Weile lachen, doch dann legte ich auf.

„Scherzkeks“, murrte Alice und runzelte die Stirn. „Wenn ich hier verhungere, können Sie sich eine perfekte Scheidung wohl in die Haare schmieren“. Lachend verließen wir das Haus und machten uns auf den Weg zu einem kleinen, aber feinen Restaurant, welches Alice empfahl.

Das Ambiente in diesem Lokal war einfach bezaubernd, ich liebte es sofort. Wir setzten uns an einen Tisch am Fenster und beschäftigten uns gerade ausführlich mit der Speisekarte, als mein Blick daran vorbei huschte und mein Herz für einen Augenblick den Dienst quittierte. Ich keuchte auf, und das mit weinrotem Leder eingebundene Ding in meiner Hand fiel auf meinen Schoß.

„Was ist denn los? Haben Sie einen Geist gesehen?“, fragte mich Alice erschrocken und folgte meinem Blick.

„Sowas Ähnliches. Die zwei da drüben...“, nuschelte ich vollkommen durcheinander und deutete mit dem Kopf auf ein knutschendes Paar, „...der weibliche Teil davon ist meine Mom“.

„Wow, DAS nenne ich doch mal eine Überraschung“, witzelte Alice und ich fragte mich wirklich, ob diese Frau überhaupt irgendetwas ernst nehmen würde.

„Das ist es auch“, stimmte ich ihr zu und stand auf. „Entschuldigen Sie mich bitte einen Moment, ich muss mal ganz dringend etwas klären“. Langsam schlich ich auf meine Mutter und diesen … Typen zu, blieb unmittelbar an ihrem Tisch stehen, und starrte grinsend auf die beiden herab. „Hi, Mom“.

Augenblicklich löste sie sich aus SEINER Umarmung, und ihr Kopf schoss hoch. „Jasper, Schatz, was machst DU denn hier?“ Ihre Augen waren weit aufgerissen, die Lippen leicht geschwollen und ihre Wangen rot.

„Das könnte ich ebenso dich fragen, oder?“, war meine Antwort, doch böse war ich nicht. Warum denn auch? „Willst du uns denn nicht vorstellen?“ Ich lächelte zwischen ihr und diesem Typen hin und her.

Er dürfte Ende 40 gewesen sein und wirkte unglaublich elegant in seinem edlen, schwarzen Zwirn, einem weißen Hemd und einer schmalen, schwarzen Krawatte. Sein Haar war kurz, dunkel und akkurat zurück gekämmt, und seine blau-grauen Augen funkelten mich freundlich an. Er nahm sofort die Finger von meiner Mom, stand auf und streckte mir seinen Arm entgegen.

„Hi, Jasper, ich bin Paolo. Es freut mich sehr, Sie kennen zu lernen, hab schon viel von Ihnen und Ihrem Bruder gehört. Ist er denn auch hier?“ Neugierig bewegte er seinen Kopf und schaute rechts und links an mir vorbei.

„Nein, ist er nicht, aber ich freue mich auch, … Paolo“. Ich mochte ihn sofort. Die Tatsache, sich gleich mit dem Vornamen bekannt zu machen, faszinierte mich irgendwie, und wirklich positiv überrascht schüttelte ich seine Hand.

„Setzen Sie sich doch eine Weile zu uns“, bot er mir lächelnd an, doch ich schüttelte den Kopf. „Vielen Dank, aber ich muss wieder zu meiner Begleitung zurück“. Ich deutete mit dem Kopf in Alices Richtung, sah sie kurz an und musste schmunzeln, da sie mit einem breiten Grinsen in unsere Richtung winkte. „Aber ich würde ganz gerne ein paar Worte mit meiner Mutter wechseln, wenn es Ihnen nichts ausmacht“.

„Kein Problem, bin schon weg. Muss ohnehin mal zur Toilette“, sagte er, erhob sich sofort, drückte Mom einen schnellen Kuss auf den Mund, hauchte ein „Lauf mir nicht weg, schöne Frau“, und war weg. Wow...

„Jasper, ich...“, begann meine Mutter, war offensichtlich furchtbar nervös und nestelte an ihrer dunkelblauen Serviette herum.

„Mom, bitte...“, stoppte ich sie, „...komm mir jetzt nicht mit einer Entschuldigung oder irgendwelchen pseudo-peinlichen Erklärungen. Ich freue mich für dich, wirklich. Paolo scheint sehr nett zu sein. Seit wann kennt ihr euch? Wer ist er? Was macht er? Seit wann trefft ihr euch?“ Erleichtert atmete sie tief durch, und ein strahlendes Lächeln überzog ihr Gesicht. Kleine Lachfältchen drängelten sich um ihre grünen Augen, welche so glücklich funkelten, wie schon lange nicht mehr. Yeah, Mommy war verliebt. Wie süß.

„Danke, mein Schatz“, hauchte sie vollkommen überwältigt und fuhr fort. „Sein Name ist Paolo Rizzante, er ist Geschäftsmann, gebürtiger Italiener, und ich habe ihn bereits vor ein paar Wochen in der Galerie kennengelernt. Wir unterhielten uns stundenlang, und es war schön. Naja, seit einer Woche wich er kaum von meiner Seite, und seit drei Tagen sind wir ein Paar. Es ist noch nichts passiert, weiß du, aber er … küsst so gut...“. Verträumt und absolut verknallt schweifte ihr Blick gedankenverloren durch das Lokal, doch dann strahlte sie mich wieder an. „Abgesehen davon ist er heiß...“, dann lachte sie herzlich auf und nahm meine Hand.

„Kannst du … wirst du Edward von ihm erzählen? Ich hoffe, dass er das auch so sieht wie du“, sagte sie leise und bedachte mich mit einem ernsten Blick.

„Aber sicher, Mom. Wir lieben dich doch und freuen uns, wenn du glücklich bist“. Ich beugte mich hinab, legte sanft meine Hände auf ihre Schultern und hauchte ihr einen liebevollen Kuss auf die Stirn. „Danke“, flüsterte sie und lächelte mich glücklich an.

„Und mit wem bist du unterwegs?“ Grinsend bewegte sich ihr Kopf in Alices Richtung, dann schaute sie mich erwartungsvoll an. Ich richtete mich wieder auf, drehte mich um und warf einen Blick zu meiner Begleitung. Schmunzelnd sah ich ihr ein paar Sekunden dabei zu, wie sie wild gestikulierend mit dem Kellner debattierte, bevor der sich kopfschüttelnd vom Acker machte und sie ihm triumphierend hinterher grinste.

„Ach, mach dir keine falschen Hoffnungen. Das ist meine Scheidungsanwältin, Ms. Alice Brandon. Ich hatte gerade einen Termin bei ihr, und wir haben beschlossen, gemeinsam essen zu gehen, um unseren Schlachtplan auszufeilen. That's all, Mom, sorry“. Ich kicherte wegen ihres enttäuschten Gesichtsausdruckes, doch dieser war gleich wieder weg.

„MISS, huh? Sie ist hübsch…“.

„Ja, ich weiß. Bin ja nicht blind“. Ich verdrehte die Augen und sah leicht genervt auf meine grinsende Mutter nieder.

„Sie mag dich“

„Woher...“

„Schatz…“, stoppte sie abrupt meine unvollendete Frage, „…du stehst mit dem Rücken zu ihr und siehst die Blicke nicht, die sie dir die ganze Zeit zuwirft“. Sie zwinkerte. Oh Man...

„Moooom...“, stöhnte ich genervt und fuhr mir durchs Haar. Yeah, ein altes Cullen-Leiden. „Wir zicken uns die ganze Zeit an. Da läuft nichts, wirklich“.

„Was sich liebt, das neckt sich“, kicherte sie, und ich dankte Gott, als ich Paolo  auf uns zukommen sah.

„Stör ich euch? Habt ihr alles besprochen? Sonst kann ich ja...“.

„Nein, nein, alles bestens“, fiel ich ihm dankbar ins Wort, „ich muss ohnehin mal wieder zurück an meinen Tisch. Es ist doch unhöflich, seine Begleitung so lange allein zu lassen“. Paolo nahm wieder Platz, sah meine Mutter liebevoll an und wir verabschiedeten uns.

Gerade, als ich mich umdrehte und wieder zu Alice gehen wollte, tänzelte sie geschmeidig auf dunkelblauen Stilettos an mir vorbei, stupste leicht gegen meinen Oberarm und funkelte mich an. „Dieser Idiot von Kellner wollte mich doch tatsächlich darüber belehren, welche Temperatur ein Rotwein haben sollte, ich fasse es nicht“, kicherte sie und schüttelte den Kopf. Dann riss sie selbigen in die Richtung meiner Mom und streckte ihr die rechte Hand entgegen. „Hi, Mrs. Cullen. Ich bin Alice Brandon, die Anwältin Ihres Sohnes. Keine Sorge, ich werde ihn rausboxen und seine Ex-Frau alt aussehen lassen“, sagte sie lächelnd, während sie sich ein wenig über den Tisch beugte und ihre Stimme etwas leiser werden ließ. Es sah aus und hörte sich an, als würde sie sich gerade mit meiner Mutter gegen Jessica verbünden.

Mom riss die Augen auf und war offensichtlich sehr überrascht von Alices Offenheit, doch sofort fing sie sich wieder, grinste meine Anwältin an und schüttelte ihre Hand. „Freut mich sehr, Miss Brandon. Ich bin davon überzeugt, dass sie wissen, was sie tun. Ich danke Ihnen schon jetzt“, sagte  sie, und sogleich ergriff Paolo das Wort.

„Paolo Rizzante“, sagte er freundlich und nickte. Sonst nichts. Was sollte er denn schon großartig sagen? Zur Familie gehörte er ja nicht. NOCH nicht. Dieser Mann war wirklich erstaunlich, und seine förmliche Vorstellung zeugte von großem Taktgefühl. Ich mochte ihn sehr und freute mich für meine Mom. Obwohl ihr bewusst war, dass die Ehe zwischen ihr und meinem Dad zu Ende war, sich einfach totgelaufen hatte, litt sie darunter und weinte ihm hinterher. Dennoch war die Trennung unvermeidbar, da es nie wieder so geworden wäre, wie es einmal war.

Umso mehr freute ich mich, sie nun endlich wieder glücklich zu sehen. Himmel, ja, ich vergönnte es ihr. Von ganzem Herzen.

„Ich muss dann mal wohin, sonst geschieht ein Unglück“, kicherte Alice und riss mich abrupt aus meinen Gedanken. „Ich habe uns einen WOHLTEMPERIERTEN Rotwein bestellt, bin gleich wieder da“, lachte sie nun leise, murmelte noch einen leisen Abschiedsgruß in die Richtung von Paolo und Mom und verschwand zu den Toiletten.

Aufmerksam ließ ich meine Augen über ihren kleinen, zarten Körper gleiten, bewunderte ihren knackigen Arsch und folgte den Bewegungen, mit denen sie geschmeidig durch das Lokal zu schweben schien.
Hm…ja, sie war definitiv heiß. Warum war mir das bloß noch nicht aufgefallen? Sie trug einen dunkelblauen Rock, der ihr bis zur Wade reichte, allerdings an der rechten Seite einen Schlitz bis zum Oberschenkel hatte, unter welchem ständig ihre nackte Haut hervorblitzte. Obenrum sah ich eine weiße Bluse, mehr konnte ich von hinten nicht erkennen. Aber ich nahm mir vor, sie genauer zu begutachten, wenn Alice von der Toilette zurückkommen würde.

„Gefällt dir, was du siehst?“, kicherte Mom und mein Kopf schoss zu ihr.

„Was?“

„Ach Schatz, ich hab dich genau beobachtet. Gib es doch zu, dass  du sie anziehend findest“. Fuck, war das wirklich so offensichtlich?

„Ich darf doch wohl noch einer Frau hinterher sehen, ohne sofort mit ihr verheiratet zu sein, oder?“, murmelte ich und grübelte eine Weile darüber, ob sie recht hatte oder nicht. Gefiel mir, was ich sah? Natürlich tat es das.
Miss Alice Brandon war ganz bestimmt ein heißer Feger, aber hatte ich wirklich Bock darauf, von einer Beziehung gleich in die nächste zu schlittern? Nein, das hatte ich nicht.

„Okay, ich werde dann gehen. Zu … meinem … unserem Tisch“, stotterte ich herum, wie der größte Vollidiot, und Mom grinste. Schon klar. Sie hatte es wieder einmal geschafft, mich mit ihrer weiblichen oder gar mütterlichen Intuition aus dem Konzept zu bringen. „Kommt uns doch mal besuchen. Du weißt, wo ihr uns finden könnt“, schlug ich vor, nachdem ich von meinem Wohnungswechsel erzählt hatte und sah meine Mutter dabei an.

„Gern, mein Schatz. Ich rufe vorher an. Danke für alles und liebe Grüße an Edward, ja? Wir sehen uns“. Nun verabschiedete ich mich aber wirklich, ließ Paolo noch ein vollkommen ernst gemeintes „Hat mich gefreut“ zukommen und schlenderte zu unserem Tisch.

Der Kellner kam, stellte zwei Gläser ab und präsentierte mir stolz eine Flasche Wein. Nachdem ich eher der Bierkenner war, nickte ich einfach anerkennend, und er goss gekonnt ein wenig davon ein. Gerade, als er die Flasche auf dem Tisch deponierte und sich wieder vom Acker machen wollte, kam Alice daher getänzelt, riss die rechte Hand nach oben und hielt ihn somit auf. „Eine Grillplatte für zwei Personen?“, fragte sie mich, und ich nickte wieder. Gute Idee. „Okay, also dann…“, sagte sie nun zum Kellner, der seinen Auftrag verstanden hatte und mit einem höflichen „Gern, Ma’am“ Richtung Küche verschwand.

Dies war die perfekte Gelegenheit, meine Begleitung mal von vorne zu betrachten, und ja, definitiv – mir gefiel, was ich sah. Die weiße Bluse war sehr schlicht, doch die obersten zwei Knöpfe standen offen und erlaubten einen perfekten Blick auf ein heißes Dekolleté. Um ihren schlanken Hals schmiegte sich eine edle Perlenkette, und sie … grinste mich an. Scheiße, ertappt.

„Nun, Mr. Cul … Jasper“, korrigierte sie sich und glitt geschmeidig auf ihren Stuhl, „dann mal los“.

Die nächsten zwei Stunden vergingen wie im Flug. Wir besprachen noch einmal bis ins kleinste Detail, wie wir Jessica in ihre Schranken verweisen würden, sie versicherte mir, wie nett meine Mutter und wie heiß ihr Verehrer wäre, und zu guter Letzt genossen wir die herrliche Grillplatte mit allem Drum und Dran. Auch die Flasche Wein war rasch geleert, und wir verstanden uns wirklich gut. Ich erzählte ihr von Edwards Blitz-Scheidung, und dass Tanja unmittelbar danach nach Europa ging.

Alice war eine wahrhaft tolle Zuhörerin und erzählte herrliche Geschichten über die Scheidungen, die sie bisher erlebt hatte. Natürlich war alles anonym, da sie ja der Schweigepflicht unterlag. Sie konnte sich auch an Emmett erinnern und sprach sogar in den höchsten Tönen von ihm. Ja, Em war wirklich ein toller Kerl, und ich nahm mir vor, ihn bald anzurufen, da wir ohnehin noch unsere Wohnung mit einer kleinen Party einweihen wollten. Dabei fiel mir ein …

„Ähm … Alice?“

„Hm?“ Sie stemmte ihren Zeigefinger gegen den Daumen und schnippte gekonnt einen Krümel vom Tisch.

„Edward und ich werden demnächst eine kleine Party geben, um unser gemeinsames Single-Dasein und den Einzug in unser Appartement zu feiern. Ich möchte Sie fragen, ob Sie vielleicht Lust hätten…“

„Gern“, unterbrach sie mich und strahlte mich an. Hm … ob Mom’s Theorie vielleicht doch stimmte? Könnte es tatsächlich sein, dass Alice mich mochte? Ein bisschen? „Meine Nummer haben Sie ja. Rufen Sie einfach an, wenn es soweit ist, ja? Ich werde da sein“. Ein hinreißendes Lächeln entblößte ihre strahlend weißen Zähne, und sie legte den Kopf leicht schief. „Ich freu mich“, hauchte sie, riss jedoch abrupt den rechten Arm in die Luft und winkte den Kellner herbei.

„Nein, das kommt überhaupt nicht in Frage. Ich werde bezahlen“, fuhr ich sie an, packte ihre Hand und drückte sie auf den Tisch. Ihr Blick folgte der Bewegung unserer Hände, und Alice starrte sie an. Dann hob sie langsam den Kopf und unsere Augen fanden zueinander. Für einen ganz kurzen Moment verfiel ich diesem tiefen Blau, ließ jedoch sofort von ihr ab, als sich der Kellner näherte und einen kleinen, silbernen, blank polierten Teller vor uns hinstellte, auf welchem sich die Rechnung befand.

„Nichts da. Geschäftsessen. Ich setze es ohnehin von der Steuer ab“, gluckste sie und reagierte so schnell, dass ich gar nicht mithalten konnte, auch, wenn ich es gewollt hätte. Mit einem breiten Grinsen im Gesicht lauschte ich ihren Worten, als sie den Kellner noch einmal darüber aufklärte, welche Temperatur ein Rotwein beim Servieren haben müsste und brach in lautes Gelächter aus, als er resigniert seufzte und kommentarlos ging. Ja, verdammt, ich mochte diese Frau. Sie tat mir gut, und ich liebte ihren Humor.

Lachend und sich köstlich über den angepissten Kellner amüsierend erhob sie sich und schlüpfte in eine dunkelblaue, tailliert geschnittene Jacke, welche offensichtlich Bestandteil eines Kostümes war, da sie perfekt zum Rock passte und genau dieselbe Farbe hatte. Verdammt, dabei fiel mir auf, dass ich Alice kaum angesehen hatte, bevor Mom mich darauf aufmerksam machte, dass sie mir seltsame Blicke zuwerfen würde.

Ich gab es also zu – meine Mutter hatte wieder einmal recht.

„Ich muss dann mal zurück ins Büro. Hab um drei einen Termin“. Schade.

„In Ordnung, kein Problem. Mein Bruder dürfte auch schon auf mich warten“, erwiderte ich, sah auf sie herab und lächelte sie an. „Es war mir eine Freude, Alice. Ich habe die Zeit mit Ihnen wirklich genossen und hoffe, dass wir uns bald wiedersehen“.

„Das hoffe ich auch. Ruf mich an“. Sie zwinkerte mir zu, lachte kurz auf, drehte sich um und ging weg.

‚Ruf mich an‘ … Wow, sie duzte mich also. Einfach so.

Verschmitzt lächelnd fuhr ich mir durchs Haar und schaute ihr nach. Ihr knackiger, kleiner Arsch wackelte sexy hin und her und bewegte sich im Takt mit ihren schmalen Hüften, die ich nur zu gerne packen würde, um sie … Moooment, STOPP!!

‚Gott, Cullen!!! Hast du nicht gerade eben festgestellt, dass du nicht von einer Beziehung in die nächste schlittern willst? Jetzt hör aber auf mit dem Scheiß!‘, tadelte ich mich selbst und fragte mich in dem Moment, ob Edward auch im weitesten Sinne mit sich selber sprach. Ich hoffte auf ein Ja, somit könnte ich diesen Scheiß auf einen familienbedingten Gendefekt schieben. Aber okay, ich hatte keine Zeit, mir darüber Gedanken zu machen, denn ich musste in die Firma. Zu Edward. Verdammt, ich war schon gespannt, wie er auf die Neuigkeit mit Mom reagieren würde und betrat wenige Minuten später sein Büro.

„Yo, Man, alles klar? Wie war dein Date? Ooooh, entschuldige bitte, ich meinte natürlich dein Termin“, sagte er und grinste mich an. Ich grinste zurück.

„Was würdest du sagen, wenn das wirklich so etwas Ähnliches wie ein Date gewesen wäre?“ Leise lachend nahm ich zur Kenntnis, dass sein Mund aufklappte und seine Augen weit aufgerissen in meine Richtung starrten.

„Das … wow, Bruder, im Ernst? Du verarschst mich doch, oder?“.

Ich schüttelte den Kopf und mein leises Lachen wurde zu einem irgendwie verträumten Lächeln. „Nein, nicht wirklich. Mom hat mich eigentlich drauf aufmerksam gemacht, dass…“

„Warte!“, unterbrach er mich „Mom? Du hast sie getroffen? Wie geht es ihr?“

„Ja“, bestätigte ich fürs Erste, und dabei fiel mir ein, dass ich ihm eigentlich zuerst von Paolo erzählen sollte, denn davon wusste er ja noch nichts.

„Hör zu, Edward, es gibt News, was unsere Mutter betrifft. Ich war zu Mittag mit Alice in einem Restaurant, und Mom war ebenfalls da. Allerdings nicht allein. Sie kennt schon länger einen Typen namens Paolo Rizzante und die beiden sind seit wenigen Tagen ein Paar. Er sieht gut aus, ist wirklich nett und scheint Mom ehrlich zu lieben. Sie tut es ganz bestimmt“. Ich beließ es mal dabei, hörte auf zu sprechen und fixierte leicht nervös das regungslose Gesicht meines Bruders.

Ein leichtes Blinzeln bestätigte mir kurz darauf, dass er noch am Leben war. Plötzlich wurde die Ganzkörperstarre mit einem breiten Grinsen beendet, und er griff hastig nach seinem Handy, welches sich auf dem Schreibtisch befand. „Ich ruf sie an“, murmelte er und hielt sich bereits das Telefon ans Ohr. Lächelnd blickte er in meine Richtung, und ich wusste, dass er sich genau so über die Neuigkeit freute, wie ich.

„Hi Mom, gratuliere!“, begann er das Gespräch, und mit einem zufriedenen Nicken ließ ich ihn allein. Ich ging erst mal zu Angela und Seth, um zu fragen, was es Neues geben würde, nahm Unterlagen wegen eines neuen Auftrages entgegen und machte mich auf den Weg in mein Büro. Dort schmökerte ich eine Weile in den soeben erhaltenen Papieren, machte mir ein paar Notizen und beschloss, nach Rücksprache mit Edward den Auftrag anzunehmen, als meine Tür aufgerissen wurde und mein grinsender Bruder den Raum betrat.

„Was für eine freudige Überraschung“, jubilierte er mir entgegen und schmiss sich auf meine dunkelgrüne Couch. Yeah, er hatte mit der roten die Arschkarte gezogen, während ich mich mit einer grünen abfinden musste. So war sie eben, unsere Mom. „Das ist doch fantastisch, oder? Ich freu mich echt, dass sie endlich von Dad losgekommen ist und die Liebe wieder gefunden hat“. Süß.

Ich erzählte ihm noch eine Weile von diesem Treffen, und auch alles, was Alice betraf. Leise lachend lauschte er meinen Worten, doch irgendwann runzelte er seine Stirn und begann, intensiv über etwas nachzudenken. Dann grinste er mich an und nannte mir den Grund seines Grübelns.

„Hey Jazz, was hältst du davon, wenn wir am Samstag ein wenig feiern? Lass uns ein paar Leute einladen, um unsere Freiheit zu zelebrieren“

„DU bist frei, ich noch nicht“, seufzte ich und senkte frustriert meinen Kopf.

„NOCH nicht, Bruder, NOCH nicht“, erwiderte er, schoss hoch und kam auf mich zu. „Scheinbar bahnt sich zwischen dir und Alice etwas an, das ist doch genial. Lade sie ein und schnapp sie dir“.

„Gott, Edward, ich hab sowas von genug von dieser Beziehungs-Scheiße. Abgesehen davon bin ich nach wie vor verheiratet. Meinst du wirklich, dass es klug wäre, mich gleich auf die nächste Frau einzulassen?“

„Das verlangt auch niemand von dir. Ihr könnt doch einfach einen schönen Abend miteinander verbringen und euch besser kennenlernen. Du musst doch nicht gleich in die Kiste mit ihr“, gluckste er und funkelte mich an. Seine Augen sprühten förmlich vor Begeisterung, und sofort wurde mir klar, dass ich aus dieser Sache nicht rauskommen würde, ohne mit seinem Vorschlag einverstanden zu sein.

„Okay, du hast gewonnen“, stimmte ich also zu, und er kommentierte dies mit einem euphorischen „YEZZ!“.

„Also, ich würde sagen, wir laden auf alle Fälle Jake und Alice ein…“, begann er zu überlegen, und hatte scheinbar gerade eine fabelhafte Idee. „Woah, Bro, lass uns Emmett anrufen, ja?“

„Einverstanden“, erwiderte ich begeistert, und Edward tippte bereits auf seinem Handy herum. Keine Minute später war das Gespräch vorbei und er grinste über das ganze Gesicht. „Er kommt. Samstagabend, acht Uhr“.

„Möchtest du … ich meine, wirst du Leah einladen?“, fragte ich vorsichtig und beobachtete  aufmerksam seine Reaktion.

„Ach, ich weiß nicht…“, studierte er und schien die Vor- und Nachteile abzuwiegen, kam jedoch bald zu einem Entschluss. „Okay. Wer weiß, wie sich der Abend entwickelt. Könnte ja sein, dass ich eine Dosis Sex brauchen könnte“, gluckste er, wurde jedoch sofort wieder ernst, fiel förmlich in sich zusammen, schlich geknickt zur Couch und ließ sich einfach fallen.

„Isabella wäre dir wohl lieber, hm?“. Fuck, er tat mir leid.

„Vermutlich, ja“. Tapfer zwang er sich ein Lächeln aufs Gesicht, und ich konnte regelrecht spüren, wie sehr er unter dieser ganzen Scheiße litt. Dann blockte er ab. „Ach, egal, wir machen uns einfach einen schönen Abend. Ich werde Leah fragen, ob sie kommen möchte, und aus“. Wieder  griff er zu seinem Handy, ging zum Fenster und rief sie an.

Während er telefonierte, verließ ich mein Büro, um unser gesamtes Team einzuladen, und dann klingelte mein Handy. Dad.

„Hi“, begrüßte ich ihn, hielt kurz inne und lehnte mich an die Wand.

„Hallo, Sohn“, erwiderte er meinen Gruß, und sofort bemerkte ich eine leichte Anspannung in seiner Stimme, die mich besorgt die Stirn runzeln ließ. „Hör mal, ihr müsst mir helfen“.

„Ist etwas passiert?“

„Nun … nein, nicht wirklich, es gibt da nur ein kleines Problem. Eigentlich wollte ich mir mit Bella ein schönes Wochenende machen, muss nun aber im Krankenhaus sein, da mir gleich zwei Kollegen ausgefallen sind. Sie ist nun ziemlich sauer, und da auch ihre Freundin Rosalie am Wochenende nicht in Seattle ist, möchte ich sie nicht ganz alleine lassen. Könntet ihr nicht am Samstag etwas mit ihr unternehmen? Kino, essen gehen, was weiß ich …bitte“. Er klang richtig verzweifelt, doch ich war es auch. Was sollte ich nun sagen? „Ich wollte das auch mit Edward besprechen, doch ich komm nicht durch, es ist ständig besetzt. Bitte sag ja, Jasper, ich möchte meinen Schatz nicht das ganze Wochenende alleine lassen“, flehte er schon beinahe, und ich musste eine Entscheidung treffen. Jetzt.

„Nun … wir feiern am Samstagabend ab acht Uhr eine kleine Party, um Edwards Scheidung und unseren gemeinsam Einzug in sein Appartement zu feiern. Wenn Bella möchte, kann sie gerne kommen“.

„Oooh, das ist toll. Warte, ich frag sie gleich“. Stille. Keine zwanzig Sekunden später war er wieder da. „Vielen Dank, Jasper, sie freut sich sehr  und wird um acht bei euch sein. Danke, ich bin euch was schuldig. Bis dann, ich muss schon wieder los“. Nach einer kurzen Verabschiedung beendeten wir das Gespräch, und mit einem lauten und entsetzten Keuchen knickten mir beinahe die Beine ein. Leah …

Ich gottverdammter Arsch, wie konnte ich das nur vergessen? Leah und Bella würden unweigerlich aufeinander treffen, und Edward … ach du heilige Scheiße, was hatte ich nun schon wieder angestellt?? Ich klatschte mir fest gegen die Stirn, verdrehte die Augen, ging zu unseren Leuten und lud sie ein. Um Alices Einladung würde ich mich später kümmern.


Jake, Angela, Seth, Sam und Vicky waren die perfekten Mitarbeiter für uns. Die Basis, auf welcher wir zusammen arbeiteten, war sehr freundschaftlicher Natur, und das war es, was uns so gefiel. Jake, Sam und Vicky sagten zu, Angela und Seth waren leider verhindert. Egal. Ich freute mich über die Zusage der Drei, atmete tief durch und schlich zu meinem Bruder zurück.

Dieser stand nach wie vor in meinem Büro am Fenster und beendete gerade das Gespräch, als ich das Zimmer betrat.

„Sie hat mir meine miese Laune von gestern verziehen und freut sich auf die Party“, sagte er grinsend, verdrehte die Augen und steckte sein Handy in die rechte Arschtasche seiner Jeans. „Und was ist mit dir? Du siehst aus, als hättest du gerade mächtigen Mist gebaut“. Misstrauisch verschränkte er die Arme vor seiner Brust, zog eine Augenbraue hoch und starrte mich an.

„Das hab ich auch“, nuschelte ich und blinzelte ihn ängstlich an.

„Was …“, nun wurde er nervös, doch ich unterbrach ihn sofort und begann mit meiner Beichte, die sich ohnehin nicht vermeiden ließ.

„Dad hat mich eben angerufen, weil er dich nicht erreichen konnte. Er muss über das Wochenende im Krankenhaus sein, und weil Bellas Freundin ebenso verhindert ist, hat er mich gebeten, ob wir am Samstagabend irgendwas mit Bella unternehmen könnten, damit sie nicht ganz allein sein muss“.

„Sag bitte nicht, dass du sie zur Party eingeladen hast. Bitte, Jazz, sag, dass du das nicht getan hast“ Er riss die Augen auf und sah mich flehend an.

„Doch, das habe ich. Sie freut sich darauf.  Tut mir leid“.

„Fuck“.

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