Freitag, 28.9.2009
„Findest
du nicht, dass es endlich an der Zeit wäre, mit deinen Eltern Kontakt
aufzunehmen? Zwei Wochen, Edward“, seufzte meine Süße und zog sich
seufzend die Decke bis unter die Nase. „Zwei Wochen ohne irgendein
Lebenszeichen. So langsam mach ich mir Sorgen“.
„Ja, du hast
recht“. Ich stützte mich auf den rechten Ellenbogen und hauchte einen
Kuss auf ihre wundervollen, weichen Lippen. „Allerdings glaube ich
nicht, dass ich die Kraft habe, Dad anzurufen. Es ist … fuck, ich wüsste
nicht, was ich sagen sollte“. Nun war es an mir, tief zu seufzen. Ich
setzte mich auf und vergrub die Finger in meinem Haar. Ob ich mir das
jemals abgewöhnen könnte?
Bella erhob sich nun ebenso,
streichelte sanft über meinen Rücken und kuschelte sich an meine
Schulter. „Dann sprich erst mal mit deiner Mom. Ich bin mir sicher, dass
sie Kontakt zu Carlisle hat und uns zumindest sagen kann, wie es ihm
geht“.
„Aber wir haben doch vereinbart, dass wir ihnen die Zeit
geben, die sie brauchen werden, um…“, versuchte ich, aus dieser
unangenehmen Sache noch irgendwie rauskommen, doch mein Mädchen ließ das
nicht zu.
„Und was, wenn sie darauf warten, bis sich einer von
uns meldet?“ Sie schaute mich eindringlich an, und ich versank sofort in
ihren dunkelbraunen Tiefen, die mich immer wieder aufs Neue
faszinierten. Zur Hölle, ich liebte diese Frau so sehr, dass es schon
beinahe schmerzte. Jedes Mal, wenn ich sie sah, konnte ich mein Glück
kaum fassen, aber dennoch tat es so weh, dass diese Liebe auf Kosten
meines Vaters ging. Ich wollte ihn doch nicht verletzen, niemals. Ich
seufzte tief und zog so fest an meinem Haar, dass ich zischte.
„Baby,
hör auf. Ich liebe die chaotische Pracht auf deinem Kopf, und wenn du
so weitermachst, wirst du irgendwann mit einer Glatze enden. Abgesehen
davon solltest du wissen, dass ich es liebe, beim Sex meine Finger in
deinem Haar zu vergraben, also – hör auf mit dem Scheiß“. Bella grinste
mich an und zwinkerte mir zu. Sofort folgte ich ihrem Wunsch und schlang
stattdessen meine Arme um sie, drückte sie nach hinten, sodass sie
wieder in die weichen Kissen fiel und rollte mich auf sie.
„Wie
Sie wünschen, Mrs. Cul…“, ich fühlte einen Stich in meinem Herzen und
war nicht mehr in der Lage, dieses eine Wort, diesen Namen zu Ende zu
bringen. Mein Kopf sank nieder auf ihren Hals, und ich vergrub mich in
ihrem duftenden Haar. „Fuck, Baby…“, nuschelte ich gegen ihre nackte
Haut, „…du hast recht. Wir müssen etwas unternehmen, das kann und darf
so nicht weitergehen. Du bist nach wie vor die Frau meines Vaters, und …
oh mein Gott, das ist alles so krank“.
Ich rollte mich zur
Seite, stand auf und lief zum Fenster. Dort hob ich meine Arme, legte
die Hände flach auf das kühle Glas und lehnte meine Stirn dagegen. „Ich
liebe dich so sehr, Isabella. Ich liebe, brauche und begehre dich über
alle Maßen, aber dieses Glück ist getrübt, solange ich nicht weiß, wie
es meinem Vater geht. Du hast recht, es muss etwas geschehen“, murmelte
ich mit geschlossenen Augen gegen das Fenster und stieß mich wieder ab.
Mit einem Ruck drehte ich mich zu Bella und suchte ihren Blick.
„Ich
werde Mom anrufen. Jetzt!“. Ein liebevolles und gottverdammt stolzes
Lächeln huschte über das schöne Gesicht meiner Liebsten, und war genau
das, was ich noch brauchte. Dankbar lächelte ich zurück, lief zu meinem
Nachttisch und schnappte mein Handy. Während ich per Kurzwahl die Nummer
meiner Mutter anwählte, setzte ich mich aufs Bett. Bella krabbelte
sofort an meine Seite, legte ihren Arm um meine Schulter und kuschelte
sich an mich.
„Ich bin so stolz auf dich“, flüsterte sie, und ich
drückte einen Kuss auf ihr Haar. Mein Herz schlug mir bis zum Hals, als
ich das Tuten des Freizeichens vernahm und auf die Stimme meiner Mutter
wartete. Nach dem fünften nerv tötenden Geräusch wollte ich auflegen,
doch plötzlich hörte ich ihre Stimme.
„Edward?“, krächzte sie ins Telefon, und ich erschrak. Verdammt, sie hörte sich schrecklich an. War sie krank?
„Mom … hi“, begann ich leise und verlegen. „Geht es dir … gut? Bist du erkältet oder sowas?“.
„Nein, bin ich nicht“, krächzte sie weiter und schluchzte auf. Fuck, sie weinte…
„Was ist passiert? Was ist los mit dir? Bitte, Mom, was…“
„Es
ist … nichts“, unterbrach sie mich schluchzend, und mir brach das Herz.
Verdammt, ich konnte es nicht ertragen, wenn jemand weinte, und wenn es
um jemanden ging, den ich liebte, drehte ich beinahe durch.
„Du
weinst also wegen nichts, ja? Lüg mich bitte nicht an“, bat ich sie in
einem liebevollen, ruhigen Ton und hoffte zutiefst, dass sie mit mir
sprechen würde. „Geht es um Paolo? Lässt dich dieser Drecksack noch
immer nicht in Ruhe?“. Gott, nun wurde ich ernsthaft wütend, und mein
Ton wurde dementsprechend laut. „Sag nur ein Wort, und ich werde diesem
gottverdammten Arschloch jeden einzelnen beschissenen Knochen brechen,
den ich in seinem verfluchten Körper finden kann“, zischte ich wütend
ins Telefon, während sich Bella aufsetzte und mir entsetzt in die Augen
sah.
„Du meine Güte, Edward, dein Wortschatz ist entsetzlich“,
erwiderte Elayne ... ähm ... Mom. Ich konnte in ihrer Stimme direkt ein
kleines Schmunzeln ausmachen, doch ich fand das überhaupt nicht witzig.
Ich würde dieses Dreckschwein suchen, finden und so lange auf ihn
einschlagen, bis er sich nicht mehr rührte. Wenn er noch einmal meiner
Mutter weh tun würde, noch ein einziges Mal … verflucht, dann Gnade ihm
Gott. Was sollte dieser Scheiß überhaupt? Hatte er denn nicht im ‚Wild
Ginger‘ geschnallt, dass er gefälligst die Finger von meiner Mom…
„Es
geht nicht um Paolo, Edward“, riss mich Mom aus meinen blutrünstigen
Gedanken. Ich runzelte die Stirn und verdrängte von einer Sekunde auf
die andere diesen Arsch. Bella schaute mich noch immer verwirrt und
entsetzt an, also schüttelte ich erst mal den Kopf, um meinen
Wutausbruch zu entschärfen.
„Und warum weinst du dann? Zur Hölle,
ich kann förmlich durch das Telefon fühlen, wie beschissen es dir geht.
Was ist los? Kann ich dir irgendwie helfen? Bitte sprich mit mir“,
flehte ich sie wieder an und bekam als Antwort ein tiefes Seufzen.
„Es geht um Carlisle“. Fuck.
Augenblicklich
fühlte ich, wie sich mein Herz verkrampfte, und ich hatte kaum noch die
Kraft, weiterzusprechen, doch ich hatte keine Wahl.
„Was … ist
mit ihm?“, fragte ich leise und kniff die Augen zusammen, weil ich eine
verdammte Angst vor der Antwort hatte. Bellas Umarmung wurde fester und
sie schmiegte sich seufzend an mich. Ich schlang einen Arm um sie und
zog sie so nah an mich, wie nur möglich. Es war, als würde ich mich an
ihr festhalten müssen, um das zu ertragen, was jetzt kam.
„Seit
dieser Aussprache vor zwei Wochen spricht er nicht mehr mit mir. Ich hab
gerade eben wieder versucht, ihn zu erreichen, doch er hebt nicht
einmal ab. Er will niemanden sehen, hat er nach diesem verhängnisvollen
Abend gesagt. Wir sollten ihn einfach in Ruhe lassen. Alle. Nun vergräbt
er sich in seinem Haus, geht nicht zur Arbeit, weil er offiziell Urlaub
braucht, und lässt niemanden an sich heran. Absolut … niemanden“,
schluchzte sie, atmete tief durch und fuhr fort. „Ich war noch zwei Mal
bei ihm, hab etwas zu essen mitgebracht, wollte einfach nur für ihn da
sein, aber er hat nicht einmal die Tür geöffnet und nur gesagt, ich soll
verschwinden. Er möchte allein sein, will niemanden sehen … er hat mich
aus seinem Leben verbannt, Edward“. Nun weinte sie wirklich heftig, und
mein Herz krampfte sich immer mehr zusammen. Ich musste zu ihr. Jetzt.
„Mom, hör zu. Bleib, wo du bist. Bitte geh nicht weg. Ich spring schnell unter die Dusche und komm dann zu dir. In Ordnung?“.
„O – Okay“, schluchzte sie und legte auf.
„Baby,
ich werde zu meiner Mutter fahren. Es geht ihr sehr schlecht, sie
braucht mich“, sagte ich, nachdem ich das Gespräch beendet und mein
Handy auf das Bett geschmissen hatte. Ich stand auf und lief ins Bad.
Sofort
hörte ich das Tapsen von Bellas nackten Füßen, die mir folgten, und
wenige Sekunden später stand mein Mädchen neben mir. Ihre Augen
funkelten traurig, als sie zu mir hochsah und leise die Frage stellte,
die ihr wohl auf der Zunge brannte. „Was ist mit Carlisle? Ist etwas …
passiert?“
„Es geht ihm beschissen. Er will niemanden sehen, hat
sogar Mom aus seinem Leben gedrängt. Sie war zwei Mal bei ihm, wollte
ihm etwas zu essen bringen und für ihn da sein, aber er öffnete nicht
einmal die Tür“. Ich stützte meine gestreckten Arme auf das Waschbecken,
mein Kopf sank zwischen die Schultern, und meine Lider klappten zu.
„Verdammte Scheiße, Baby, ich hab das Leben meines Vaters ruiniert. Nun
ist genau das eingetroffen, was ich niemals wollte, ich hab alles kaputt
gemacht, es ist alles meine…“
„EDWARD!!“, schrie mich Bella an.
Ich zuckte vor Schreck förmlich zusammen, mein Kopf schoss in ihre
Richtung, und ich starrte sie an.
„Jetzt hör aber sofort auf damit“,
fuhr sie fort. „ICH bin diejenige, die für diese ganze Scheiße hier
verantwortlich ist. ICH konnte meine Finger nicht von dir lassen und ICH
habe Carlisle geheiratet, nur um nicht mehr allein zu sein. Verstehst
du das? Du solltest wirklich nicht die Schuld bei dir suchen, denn ich
allein habe dieses Chaos verursacht, ich allein. Nicht du…“, stellte sie
fest. Ihre Stimme wurde immer leiser, und während der letzten Worte
begann sie zu weinen.
Ich schlang meine Arme sofort um ihren
wundervollen, nackten Körper und zog sie so eng wie möglich an mich.
„Shhhh, bitte weine nicht, Liebes. Wir alle haben mächtig Mist gebaut,
doch die Zeit ist gekommen, vielleicht einiges davon wieder gut zu
machen. Bitte komm mit zu meiner Mom, sie hasst dich nicht, das kann ich
spüren. Lass uns gemeinsam stark sein. Wir müssen uns diesem Problem
stellen und alles daran setzen, es aus der Welt zu schaffen. Weinen
hilft uns nicht weiter. Weder dir, noch mir oder Mom und Dad. Also, was
meinst du?“. Ich drückte sie ein kleines Stück von mir weg und zwang mir
ein mutiges und zuversichtliches Lächeln aufs Gesicht. (Beta-A/N: *flüstert, damit Jazz sie nicht hört* Edward ist gerade ein Traum, oder?)
„Okay“,
flüsterte sie, nahm zärtlich mein Gesicht in ihre Hände und hauchte
einen Kuss auf meinen Mund. „Lass es uns zumindest versuchen. Wenn …
sollte deine Mom mich nicht dabei haben wollen, kann ich ja immer noch
im Auto auf dich warten. Also … machen wir uns mal fertig“, sagte sie
leise und versuchte, dabei entschlossen und mutig zu klingen, doch ich
spürte ihre Unsicherheit und die Angst, die sie vor diesem
Zusammentreffen hatte.
„Danke, Baby. Ich liebe dich so sehr,
vergiss das niemals, ja? Ganz egal, was nun geschehen wird, du bist
jetzt mein Leben. Auch, wenn das bedeutet, dass …“, ich schluckte hart
und holte tief Luft, „…dass ich meinen Vater verlieren werde … ich
brauche dich, Bella. Mehr als alles andere auf dieser verflucht
komplizierten Welt“.
„Ich lieb dich doch auch“, seufzte sie an
meiner Brust und schlang mit so einer Kraft ihre Arme um mich herum,
dass ich leise kichern musste.
„Au, du tust mir weh“, gluckste ich, und diese bedrückende Traurigkeit war vorübergehend besiegt.
Wir
sprangen schnell unter die Dusche, zogen uns an und saßen eine knappe
dreiviertel Stunde später in meinem Aston. Dicke, graue Wolken zogen
träge über den Himmel, was unsere Stimmung wieder an den absoluten
Tiefpunkt brachte. Ein wenig Sonne wäre vielleicht nicht schlecht
gewesen, aber gut, wir waren eben nicht in der Karibik und mussten mit
diesem Wolken-Scheiß vorlieb nehmen.
„Ich hab Angst“, sagte mein
Mädchen neben mir und legte ihre zittrige Hand auf meinen Oberschenkel.
Ich nahm sie sanft in meine und drückte sie leicht. „Ich auch“.
„Aber
Baby, hör mir zu. Wir werden alles Menschenmögliche unternehmen, um Mom
und Dad zu helfen, in Ordnung?“. Ich schaute kurz nach rechts und
lächelte, so gut ich eben konnte.
„In Ordnung“.
Schweigen.
„Edward?“
„Hm?“
„Meinst du, deine Mom liebt Carlisle? Schon wieder oder noch immer?“
„Ja“
Bella
keuchte auf, drückte fest meine Hand und riss ihren Kopf zu mir.
„Wirklich?“, rief sie beinahe, sodass ich fast ein wenig erschrak. „Ich
meine … wir haben das ja vor vierzehn Tagen bereits festgestellt, aber
dennoch – ich war mir nicht sicher, ob wir uns das nicht doch nur
eingebildet haben. Vielleicht war das nur eine Art Mitgefühl oder Trost,
und wir haben das falsch interpretiert oder so…“.
„Nein,
Liebling. Ich kenne meine Mom, sie liebt ihn. Ob noch immer oder schon
wieder, weiß ich nicht, aber schon als sie Paolo kennenlernte, hatte ich
das Gefühl, dass ihr Dad lieber wäre als dieser italienische Arsch“.
„Oooh…“, keuchte Bella und sank zurück in ihren Sitz.
Schweigen.
Wenige
Minuten später waren wir an unserem Ziel. Unwillig und träge kletterten
wir aus meinem Vanquish, und ich schloss ihn per Knopfdruck ab. Ein
kurzer, intensiver Blick, ein mutmachendes, zärtliches Lächeln, und
langsam bewegten wir uns auf die Haustür zu.
Plötzlich gerieten
Bellas Schritte ins Stocken, und sie schüttelte den Kopf. „Was ist
los?“, wollte ich wissen und runzelte die Stirn. Meine Süße war sehr
blass und zitterte.
„Ich … ach, ich denke, es ist nicht richtig,
wenn ich mit hinein gehe. Glaubst du nicht, dass deine Mom mit dir
allein sein möchte? Verdammt, ich gehöre nicht hier her“.
„Baby“,
begann ich, legte meine Hände an ihr Gesicht und hauchte einen Kuss auf
ihren Mund. „Du gehörst zu MIR, und nichts anderes zählt. Meine Mutter
hat vor vierzehn Tagen gesehen und letztendlich auch begriffen, wie sehr
ich dich liebe, sie weiß also Bescheid. Es wird nichts passieren, das
kann ich dir versprechen, also komm“. Ich küsste sie noch einmal kurz,
nahm sie an der Hand und zog sie mit mir.
„Wie du meinst“, sagte sie leise und folgte mir zur Haustür meiner Mom.
Ich
klopfte und fühlte förmlich, wie mein Herz in die Hose rutschte und
sich kleine Schweißperlen auf meiner Stirn sammelten. Fest umklammerte
ich die Hand meiner Bella, die hinter mir stand und sich dort ängstlich
versteckte. Unmittelbar nach dem Klopfen hörten wir Schritte, die sich
unaufhaltsam der Tür näherten, welche nach wenigen Sekunden aufgerissen
wurde.
„Edward“, schluchzte Mom und fiel mir weinend um den Hals.
„Ich … bin so froh, dass du da bist, … weiß nicht mehr, was ich tun
soll, mach mir so große Sorgen um … Carlisle … ich … liebe ihn doch so
sehr“, schluchzte sie an meinem Hals und zuckte zusammen, als sie sah,
wer bei mir war.
„Isabella…“, keuchte sie, wurde plötzlich
gottverdammt blass, wich mit weit aufgerissenen Augen zurück und
taumelte gegen die Wand. „Oh Mist, das … es tut mir leid. Bitte denken
Sie jetzt nicht falsch von mir … oh mein Gott, Sie sind doch seine Frau,
und … Himmel, was …“. Mom stotterte wirres Zeug und senkte peinlich
berührt ihren Blick, als Bella an meine Seite trat und sie vorsichtig am
Oberarm berührte.
„Es ist in Ordnung, Mrs. Cullen. Ja, ich bin
Carlisles Frau, aber nur noch auf dem Papier. Machen Sie sich keine
Gedanken, es … macht mir nichts aus“, sagte meine Süße, hob ihren Kopf
und schaute mich an. In ihren Augen funkelte so ein Übermaß an
hingebungsvoller Liebe, dass ich nicht anders konnte, als ihr einen
kurzen, aber sehr zärtlichen Kuss auf die Lippen zu drücken. Ich
streichelte liebevoll über ihre Wange, und wir lächelten uns an.
„Wisst
ihr…“, schniefte Mom ein letztes Mal auf, schien sich aber endlich ein
wenig zu beruhigen, „…das alles ist so … so … verrückt, und ich bin nach
wie vor dermaßen verwirrt, dass ich manchmal nicht mehr weiß, wo mir
der Kopf steht“. Sie verdrehte die Augen und seufzte tief. „Aber kommt
doch erst mal rein“. Meine Mutter wich ein paar Schritte zur Seite, bat
uns mit einer ausschweifenden Handbewegung in ihren Flur und schloss die
Tür hinter mir. „Darf ich euch etwas anbieten?“.
Dabei fiel mir
erst auf, dass wir bereits frühen Nachmittag und Bella und ich nach vor
nichts gegessen hatten. Wie auf Kommando knurrte mein Magen, als hätte
ich einen Grizzly-Bären verschluckt, was Mom ein wissendes Schmunzeln
entlockte. Gott sei Dank ging es ihr nun wieder besser, und das machte
mich sehr froh.
„Habt ihr heute überhaupt schon etwas zu euch
genommen? Wenigstens ein Frühstück?“. Leicht verlegen schüttelten wir
den Kopf, doch plötzlich wurde mir bewusst, dass Mom immer in der
Mehrzahl sprach. Mein Herz machte einen entzückten Sprung, als ich
tatsächlich realisierte, dass meine Mutter Bella akzeptierte, ja
vielleicht sogar ein bisschen … mochte? Wie auch immer. Ich war in
diesem Moment einfach so glücklich wie schon seit zwei Wochen nicht mehr
und hatte tatsächlich das Gefühl, dass alles gut werden würde. Bald.
„Setzt
euch doch, bitte“, riss mich Mom aus meinen süßen Träumen. „Ich habe
zwei Rinderfilets im Kühlschrank, die werd ich euch schnell zubereiten.
Gemüse müsste ich auch noch haben, und ein paar Kroketten. Das geht ganz
schnell, bin gleich wieder da“. Yeah, wenn sie jemanden bekochen
konnte, war sie glücklich und zufrieden. Ich grinste breit und setzte
mich nicht, sondern eilte zu Mom und fiel ihr um den Hals.
„Danke“,
sagte ich leise und gottverdammt glücklich, doch unmittelbar darauf
versteifte ich mich, da ich an unser Gespräch zurückdachte, welches vor
vierzehn Tagen in Forks stattgefunden hatte. Jasper hatte unsere Mutter
genau so umarmt, wie ich in diesem Moment. Doch sie hatte die Umarmung
nicht erwidert. Gott, wenn sie nun … verdammt, ich könnte es nicht
ertragen.
Kaum hatte ich meine Zweifel zu Ende gebracht, fühlte
ich, wie sich ihre Arme um meinen Oberkörper legten und ihre Hände sanft
meinen Rücken streichelten. Fuck, ja, ich war ein erwachsener Mann,
aber ich denke, das war die schönste Umarmung, die ich jemals von meiner
Mutter bekommen hatte, und sie brachte mich tatsächlich zum Schnurren.
Wie eine beschissene Katze.
Mom kriegte das natürlich mit und
begann, leise zu glucksen. „So gut?“, fragte sie leise und klopfte
liebevoll auf mein linkes Schulterblatt.
„Ja, Mommy. Ich hab das fucking vermisst“, erwiderte ich grinsend und strahlte sie an.
„Gott,
Schatz, wenn du nicht immer so widerlich fluchen würdest, hätte mich
das jetzt wirklich berührt“, sagte sie und lachte leise vor sich hin.
„Bella
liebt es, wenn ich fluche. Sie meint, das ist sexy“, erwiderte ich
gedankenlos und zuckte zusammen. Warum konnte ich auch nicht ein
einziges Mal meine vorlaute Klappe halten? Ich verzog mein Gesicht,
kniff die Augen zusammen und blinzelte verlegen zu Mom. Sie lachte noch
immer. Dann sah ich zu Bella, doch die wirkte nur belustigt und funkelte
mich an. Nun lachte ich auch, und wenige Augenblicke später war das
Wohnzimmer meiner Mutter von einer lockeren und sehr gelösten Stimmung
erfüllt.
„Ich bin dann mal weg, macht es euch gemütlich. Edward,
wenn ihr durstig seid, melde dich, ja?“. Mom schenkte uns – ja,
tatsächlich UNS – einen liebevollen Blick und verschwand in der Küche.
„Sie ist eine tolle Frau“, sagte meine Süße leise, nachdem wir auf der Couch Platz genommen und es uns gemütlich gemacht hatten.
„Ja,
das ist sie“, stimmte ich zu. Ich legte meinen rechten Arm um die
Schultern meiner Süßen und zog sie ganz nah zu mir. Wie ein Tier
schnüffelte ich an ihrem Haar und strich mit meiner Nase ihren Hals
entlang.
„Gott, du lenkst mich ab“, kicherte sie gelöst.
Wahrscheinlich war sie genau so froh wie ich, weil wir die erste Hürde
so bravourös gemeistert und Mom bereits auf unsere Seite gezogen hatten.
„Weißt du…“, Bella löste sich ein wenig aus meiner Umarmung und
strahlte mich an. „… auch, wenn es verdammt irre und geschmacklos
klingt, aber ich würde mich wahnsinnig freuen, wenn Carlisle und Esme
wieder … nun ja … zusammenkommen würden. Was meinst du?“
„Ja, ich
bin ganz deiner Meinung. Dass Mom ihn noch liebt, ist also klar, aber
wie sieht es bei ihm aus? Das wissen wir nicht genau“. Ich zuckte mit
den Schultern und stahl mir einen ganz schnellen Kuss. Bella kicherte
und kuschelte sich an meine Brust. „Dann sollten wir es herausfinden“.
„Was? Wie meinst du das?“
Sie
setzte sich wieder aufrecht hin und grinste mich an. „Du kannst dich
doch noch an dieses Essen erinnern, welches Alice und Jazz für uns beide
eingefädelt hatten, obwohl wir nichts davon wussten“. Ich nickte und
runzelte die Stirn. „Nun – sowas in der Art werden wir auch für deine
Eltern organisieren. Wir müssen die beiden einfach dazu bringen, dass
sie sich in Ruhe zusammen setzen und ein bisschen Zeit mit einander
verbringen. Alles Weitere wird sich dann zeigen“. Gott, was für eine
verfahrene Situation. Ich konnte einfach nicht umhin und begann, so
richtig laut zu lachen.
„Was ist da dran so dermaßen lustig?“,
fragte mich meine Süße mit einem leicht angepissten Unterton in der
Stimme. Ich versuchte, mich wieder zu beruhigen und drehte mich zu ihr.
„Was
daran so lustig ist? Unser Leben ist schlimmer als ein kitschiger
Hollywood-Film, pass auf. Du heiratest Carlisle Cullen, vögelst und
liebst aber seinen Sohn, der dich wiederum genauso liebt. Nun sitzen wir
bei Carlisles Ex-Frau und seine zweite Frau versucht, Carlisle Cullen
wieder mit seiner ersten Frau zu verkuppeln. Also, wenn DAS nicht krank
ist, was dann?“ Wieder musste ich herzlich lachen, und Bella stimmte mit
ein.
Wir lachten eine Weile über diesen ganzen verwirrenden
Scheiß, doch plötzlich verstummte Bella und wurde ernst. „Eigentlich ist
das gar nicht so lustig, und wir haben überhaupt nicht das Recht, uns
darüber so zu amüsieren. Gott, Edward, was tun wir denn hier? Carlisle
geht es verflucht schlecht, und wir lachen uns die Seele aus dem Leib.
Fühlst du dich denn gar nicht beschissen dabei?“ Fuck, sie hatte recht.
„Doch“,
murmelte ich leise und senkte verlegen den Kopf. „Tut mir leid“.
Minutenlang saßen wir schweigend neben einander, beschämt wegen unserer
Lachattacke und in Sorge um meinen Dad.
„Ich werde deine Mom
und Carlisle wieder zusammen bringen, und wenn es das Letzte ist, was
ich tue“, durchbrach meine Süße die bedrückende Stille, und mein Kopf
zuckte zu ihr. „Guck nicht so, ich meine das ernst“. Sie zog eine
Augenbraue hoch und musterte aufmerksam mein überraschtes Gesicht.
„Hilfst du mir dabei?“
„Natürlich helfe ich dir“, versicherte ich
sofort. „Ich wünsche mir doch selber nichts sehnlicher, als dass Mom
und Dad wieder glücklich werden“. Yeah, dieses Mal konnte ich das mit
ruhigem Wissen und Gewissen sagen, denn mein früherer sehnlichster
Wunsch ist bereits in Erfüllung gegangen. Bella war mein.
„Gut“.
Mein Mädchen bekam einen hochkonzentrierten Ausdruck auf ihrem
wunderschönen Gesicht und starrte gedankenverloren zum Fenster raus.
„Ich denke, wir werden Jasper und Alice in unseren Plan einbeziehen. Die
beiden haben oft tolle Ideen und könnten sehr hilfreich sein. Hier darf
nichts danebengehen, dieses Treffen zwischen deinen Eltern muss genau
geplant und ausgeführt werden, wir können uns keine Fehler leisten“.
Dann schaute sie mich wieder an und erwartete meine Reaktion.
„Yeah,
hört sich gut an. Bin mit allem einverstanden, Mata Hari“, sagte ich
grinsend, zog sie zu mir und drückte meine Lippen auf ihre. Ich wusste,
dass Mom noch eine Weile in der Küche beschäftigt war, also vertiefte
ich den Kuss, denn zur Hölle, ich brauchte meine Bella. Jetzt.
Mit
einem leisen Stöhnen vergrub sie die Finger in meinem Haar und stieß
ihre Zunge in meinen Mund, während sich meine Hand selbständig machte
und über ihren Schenkel glitt. Der Kuss wurde immer leidenschaftlicher,
mein Streicheln immer intensiver, und ich wünschte mir augenblicklich
nichts mehr, als mich in Bella zu verlieren, doch …
„Was wollt ihr denn nun trin … oh, Man. Tut mir leid“. (Beta-A/N:
Ja, Esme guck dir an, was du da großgezogen hast. Zum Glück hast du
noch einen anderen Sohn, der weiß, was sich gehört.)
Als
wäre soeben eine 10.000 Volt-Ladung durch unsere Körper gejagt, schossen
wir auseinander und starrten schwer atmend auf meine Mom, die mit
hochrotem Kopf im Wohnzimmer stand und mit weit aufgerissenen Augen auf
uns nieder starrte. „Gott, wenn das Carlisle sehen würde“, sagte sie
leise, schüttelte seufzend den Kopf und ging zurück in die Küche,
vermutlich, um sich wieder zu sammeln. Etwa eine Minute später war sie
nämlich wieder bei uns, tat so, als wäre nichts geschehen und fragte uns
erneut, was wir denn nun trinken wollten.
„Wasser, bitte“, kam es völlig synchron aus unseren Mündern, und wir grinsten uns an.
„Ihr
gehört wahrscheinlich wirklich zusammen“, sagte Mom, während ein
verschmitztes Lächeln über ihren Mund huschte, und sie ließ uns wieder
allein.
Ich wusste, dass meine Mutter eine ausgezeichnete
Köchin war, aber diese Filets waren einfach fantastisch, und für eine
Sekunde bereute ich es sogar, nicht mehr mit ihr unter einem Dach zu
wohnen. Der Gedanke, wieder jeden Tag von ihr bekocht zu werden,
zauberte mir ein verträumtes Lächeln auf die Lippen, doch dieses gefror
sofort, als meine Süße meinte, dass sie unbedingt nach Forks fahren
wollte. Jetzt.
„Ich muss einfach wissen, ob alles in Ordnung ist.
Bitte, Edward. Mir ist klar, dass er wahrscheinlich nicht einmal die
Tür öffnen, geschweige denn mit uns sprechen wird, aber ich will mich
nur vergewissern, dass er … lebt“, sagte sie immer leiser werdend, und
beim letzten Wort sammelten sich Tränen in ihren wundervollen Augen.
Mom
sah Bella traurig an und senkte den Kopf. „Bitte gebt mir Bescheid,
wenn ihr ihn gesehen oder sogar mit ihm gesprochen habt, ja?“. Sie erhob
sich und begann, das schmutzige Geschirr in die Küche zu räumen. Mein
Mädchen sprang sofort hoch und half ihr dabei, während ich sitzen blieb
und einen auf Pascha machte.
Die beiden Ladies verschwanden in
der Küche, doch Bella kam nicht zurück. Vermutlich hatte Mom sie in ein
Gespräch verwickelt. Neugierig, wie ich nun mal war, stand ich auf und
ging leise zur Tür, die natürlich offen war. Ich lehnte mich daneben
gegen die Wand, verschränkte meine Arme vor der Brust und lauschte.
„…und Sie hassen mich wirklich nicht?“, fragte Mom. Boah…
„Nein,
Mrs. Cullen. Wirklich nicht. Ganz im Gegenteil. Ich dachte, dass Sie
mich hassen würden. Immerhin bin ich an diesem ganzen Schlamassel
schuld, und…“
„Also, erst mal – nennen Sie mich bitte Esme,
Bella. Und ja, ich muss Ihnen leider recht geben. Sie sind wohl die
Hauptschuldige an diesem Problem, aber Sie sind kein schlechter Mensch,
das weiß ich nun. Sie lieben meinen Sohn und machen ihn sehr glücklich,
und dafür danke ich Ihnen. Natürlich haben Sie mei …“, Mom räusperte
sich und begann diesen Satz noch mal. „Natürlich haben Sie Carlisle sehr
weh getan, und er scheint furchtbar zu leiden, aber das ist noch immer
besser, als wenn Sie über Jahre hinweg die perfekte Ehefrau gespielt
hätten, während Sie mit Edward …“, sie brach ab. Kurze Pause. „Boah, wie
gruselig, ich will gar nicht daran denken“. Kurzes Schweigen.
„Ich
weiß, dass Sie recht haben, Esme, und es tut mir so leid. Ich hätte gar
nie Ja sagen dürfen, und das alles ist so gottverdammt…“.
„Ach
du meine Güte, er hat Sie tatsächlich angesteckt mit seinem Gefluche“,
unterbrach Mom das Schuldgeständnis meiner Süßen und ich hörte ein
klatschendes Geräusch. Vermutlich traf gerade ihre flache Hand auf die
Stirn.
„Naja, nicht wirklich. Erste Ansätze waren schon da, bevor
ich Edward kennenlernte. Aber verstärkt hat er es allemal“. Bella
gluckste und Mom lachte. Na toll, die beiden amüsierten sich also auf
meine Kosten.
Plötzlich verstummten meine Mädels, und ich lauschte weiter.
„Möchten Sie mitkommen, Esme? Nach …Forks?“
Mom schien eine Weile zu überlegen.
„Nein,
Bella. Ich denke, diesen Weg sollten Sie und Edward alleine gehen. Wenn
die Zeit reif ist, werde ich meinen Ex-Mann sehen, doch irgendwie hab
ich das Gefühl, es ist noch nicht soweit. Er … will mich nicht“, und sie
weinte. Fuck, das sollte sie nicht.
Mein Herz krampfte sich
wieder einmal zusammen, und ich wollte unbedingt in die Küche, um meine
verzweifelte Mutter zu trösten. Ich stieß mich von der Wand ab und war
gerade dabei, den Raum betreten, doch was ich dort zu sehen bekam,
drückte mir beinahe selbst die Tränen in die Augen.
Bella hatte
Mom in den Arm genommen und streichelte über ihr Haar, während sie ihr
immer wieder leise etwas zuflüsterte, was ich leider nicht verstehen
konnte. Mom hatte ihr Arme um meine Süße gewickelt und hielt sich
weinend an ihr fest. Gott, dieses Bild war der Wahnsinn und rührte mich
so sehr, dass ich kaum atmen konnte.
Nun trat ich aber doch ein und umarmte die zwei wichtigsten Frauen in meinem Leben.
„Es
wird alles gut“, sagte ich leise und drückte Mom einen Kuss auf den
Kopf. Sie löste einen Arm von Bella, legte ihn mir um die Hüfte und zog
mich so nah wie möglich an sie heran.
„Ich danke euch“, schniefte
meine Mutter und gab uns plötzlich frei. „So, nun aber los. Kümmere
dich um deinen Vater“, sagte sie mit leicht zittriger Stimme, aber
dennoch sehr bestimmend und irgendwie ruhig. „Und Edward – melde dich
dann bei mir, ja? Bitte …“. Seufzend wischte sie sich die Tränen von den
Wangen und schaute mich flehend an.
„Natürlich. Mach dir keine
Sorgen. Alles wird gut“. Ich küsste sie auf die Wange und nahm mein
Mädchen an der Hand. „Lass uns fahren“, sagte ich zu ihr und konnte
förmlich sehen, wie jegliche Farbe aus ihrem Gesicht entwich.
„In
Ordnung“, hauchte mein Mädchen ziemlich verzweifelt, doch sie hatte
keine Wahl. Obwohl ich mir selbst fast in die Hosen machte vor Angst,
mussten wir diesen Weg gehen. Wir machten uns alle Sorgen um Dad, und
verdammt, ich wollte wissen, wie es ihm ging.
Wir bedankten uns
für das ausgezeichnete Essen, ich versprach weitere tausend Mal, mich
noch heute bei Mom zu melden, und wenige Minuten später waren wir in
meinem Vanquish auf dem Weg nach Forks.
Die Stimmung im Auto war düster und beklemmend.
Ich hatte Angst.
Bella hatte Angst.
„Was
auch immer jetzt passiert, ich liebe dich“, sagte ich zu meiner Süßen,
nachdem wir letztendlich unser Ziel erreicht hatten und ich den Motor
meines Aston abgestellt hatte. Bella schaute mich verzweifelt an und
nickte. „Ich dich auch“. Ich küsste sie zärtlich und lächelte sie an.
„Lass uns gehen“.
CarlislePOV
„Lasst
mich doch endlich mal in Ruhe, Herrgott noch mal“, fluchte ich vor mich
hin und ignorierte das Klopfen, welches von der Haustür kam.
Zwei
Wochen hatte ich mich erfolgreich in meinen vier Wänden vergraben, ohne
dass ich mit irgendjemanden sprechen musste, denn das wollte ich nicht.
Ich fühlte mich einfach beschissen und ließ mich so richtig gehen.
Natürlich
– Bella und Edward hatten mich sehr verletzt, doch die Schuld, die auf
meinen Schultern lastete, erdrückte mich jeden Tag mehr. Ich wusste,
dass diese Eheschließung niemals stattfinden hätte dürfen. Bellas Zögern
vor ihrem Ja-Wort … ich gottverdammter Idiot, warum hatte ich nicht
darauf reagiert?
Immer wieder kreisten meine Gedanken um diesen
verhängnisvollen und folgenschweren 18. August, und immer wieder fühlte
ich mich dermaßen schuldig, dass ich beinahe daran erstickte. Es musste
sich auf alle Fälle etwas ändern, wenn ich nur wüsste, was.
Es klopfte erneut.
„Jaaa
verdammt, ich komm ja schon“. Angepisst und wütend erhob ich mich nun
doch, stieg über ein paar leere Bierflaschen und schlenderte träge in
den Flur. Vielleicht waren es ja die Jungs von der Möbelfirma, die ich
herbestellt hatte, um dieses verfluchte Bett abzuholen, dessen Teile
noch immer originalverpackt in meinem Schlafzimmer lagen.
Vollkommen
davon überzeugt, dass es tatsächlich die Möbelpacker waren, die mich in
meiner selbst auferlegten Einsamkeit störten, riss ich die Haustür auf
und erstarrte, als ich sah, wer vor mir stand.
„Was wollt ihr hier?“, fragte ich und schaute nervös zwischen Edward und Bella hin und her.
„Oh
mein Gott“, flüsterte Bella, während sich ihre Augen mit Tränen füllten
und sie leicht zu taumeln begann. Mein Sohn schlang sofort einen Arm um
ihre Taille und hielt sie fest.
„Ja, ich weiß, ich sehe
beschissen aus“, nahm ich ihr sogleich den Wind aus den Segeln. „Ich
schlafe schlecht, esse kaum, hab in den letzten zwei Wochen fünf Kilo
abgenommen und mich vor etwa zehn Tagen das letzte Mal rasiert.
Zufrieden?“. Bella weinte nun heftig, und Edwards Augen funkelten so
dermaßen traurig, dass ich sofort ein schlechtes Gewissen bekam. „Tut
mir leid“, setzte ich leise nach und fuhr mit den Händen grob über mein
Gesicht.
Edward atmete tief durch, sammelte offensichtlich jedes
Fünkchen Kraft, welches sich irgendwo in seinem Körper verbarg und sah
mich an. Ängstlich, beinahe schüchtern und zögerlich suchte er meinen
Blick und hielt ihn fest.
„Wir wollten sehen, wie es dir geht, … Dad“. Himmel, er traute sich kaum, mich so zu nennen, was hatte ich getan?
„Nun,
wenn ich sagen würde, es ginge mir gut, würde ich wohl lügen, wie ihr
seht. Egal, kommt erst mal rein. Vermutlich wollt ihr auch Bellas Sachen
holen, die sich nach wie vor hier befinden, oder?“, sagte ich, wich ein
paar Schritte zur Seite und bat die beiden ins Haus.
„Nein…“,
schluchzte Bella mit tränenerstickter Stimme und blinzelte mich durch
ihre geröteten Augen an, „…darum geht es nicht. Ich habe eigentlich
alles, was ich brauche, aber wir wollten … nach dir sehen. Edward und
ich kommen gerade von Esme. Sie sorgt sich sehr um dich und ist
vollkommen verzweifelt, weil du nicht einmal ihre Anrufe entgegen
nimmst“.
Esme … sie sorgte sich um mich…
Ein warmes Gefühl
breitete sich in mir aus. Natürlich tat sie das, sonst hätte sie mich
nicht alle gefühlte zehn Minuten angerufen. Ich hatte – aus welchen
Gründen auch immer – nicht die Kraft, um mit ihr zu sprechen. Dieses
tiefe, schwarze Loch, in welches ich gestürzt war … es gab kein
Entrinnen, ich fand nicht heraus. Diese glitschige Masse aus
Verzweiflung und Schuld – sie hielt mich gefangen und blockierte alles,
was mich wieder ins normale Leben zurückführen könnte. Ich war absolut
verloren und der Meinung, dass nichts und niemand in der Lage wäre, mich
zu retten, doch wenn ich darüber nachdachte, musste ich mich fragen –
wollte ich das denn? Wollte ich gerettet werden?
„Dad? Ist alles in Ordnung?“. Edward unterbrach meine von Selbstmitleid zerfressenen Gedanken und schaute mich traurig an.
„Jaja,
alles gut“, log ich und stellte fest, dass wir noch immer im Flur
standen. „Lasst uns ins Wohnzimmer gehen“. Ich ging voraus und schämte
mich in diesem Moment fast zu Tode, weil ich seit Tagen nicht mehr
aufgeräumt hatte und das ganze Haus den Eindruck erweckte, als hätte
eine Bombe eingeschlagen.
Edward und Bella folgten mir
schweigend, doch ihre Augen weiteten sich, als sie ihre Blicke durch den
versauten Raum gleiten ließen. In diesem Moment fühlte ich mich
dermaßen mies, dass mich eine leichte Übelkeit überkam. Ich genierte
mich und konnte es kaum glauben, dass ich mich in den letzten zwei
Wochen derart gehen ließ. Verdammt, ich war ein erwachsener Mann und
führte mich auf wie ein störrisches Kind.
Rasch eilte ich ein
paar Schritte voraus, befreite die Couch von Decken, zerknüllten
Zeitungen und leeren Bierflaschen und bat die beiden, Platz zu nehmen,
doch nur Edward folgte meiner Bitte. Bella hingegen begann, wie ein
Wirbelwind durch das Haus zu schießen und räumte meinen Saustall auf.
„Bella,
das … du musst das nicht tun. Bitte setz dich, ich will nicht, dass
du…“, stotterte ich beschämt und verfolgte sie in die Küche, doch das,
was ich dort sah, brachte mein Herz zum Stillstand, und meine Augen
wurden feucht.
Meine … Frau stand vor dem Fenster, stützte sich
haltsuchend auf der Fensterbank ab und weinte. „Es tut mir so leid,
Carlisle, es tut mir so leid…“, schluchzte sie, während ihr Kopf
zwischen die Schultern sank und ihre Tränen unaufhörlich lautlos auf den
Boden patschten. „Ich wollte das nicht. Niemals … bitte glaube mir.
Wenn ich gewusst hätte…“.
„Shhh … bitte hör auf“, sagte ich leise
und nahm sie in den Arm. „Es ist auch meine Schuld. Ich hätte dich
nicht heiraten dürfen, Bella. Wir haben einen großen Fehler gemacht, an
dem ich nicht ganz unbeteiligt bin“, gestand ich und fühlte mich
augenblicklich besser. „Gib mir noch ein bisschen Zeit, dann können wir
über die Scheidung reden, okay? Es ist … ich weiß es nicht genau, aber
ich denke, ich muss erst mal mit mir selber ins Reine kommen, und dabei
brauche ich keine Hilfe, ich wüsste auch nicht, von wem. Glaube mir,
Bella, ich werde früher oder später mit dem Gedanken klar kommen, dass
du meinen Sohn liebst. Was viel mehr an mir nagt, ist meine eigene
Schuld. Auch ich hab vieles falsch gemacht, doch ganz ehrlich – ich weiß
nicht genau, warum. Ich habe keine Ahnung, warum ich dich förmlich in
Edwards Arme getrieben habe, und ich kann nicht nachvollziehen, aus
welchem Grund ich dich geheiratet habe – trotz deines Zögerns. Versteh
mich bitte nicht falsch, ich habe dich geliebt, Bella, sehr sogar. Doch
je länger ich darüber nachdenke, desto intensiver wird mir bewusst, dass
auch meine Motive die falschen waren. Gott, ich weiß nicht … bitte
verzeih, aber wie schon gesagt, ich muss mit mir selbst ins Reine
kommen, nur dann kann ich dies alles hinter mir lassen. Gibst du mir …
noch ein wenig Zeit?“
Meine Stimme wurde im Laufe meines
Monologes erstaunlich ruhig, und ein seltsames Gefühl machte sich in mir
breit. Es kam mir so vor, als hätte ich während meiner Rede an Bella
vieles aufgearbeitet, was mich in den letzten Tagen blockierte. Ich
fühlte mich wesentlich freier als zuvor und atmete erleichtert auf.
„Natürlich, Carlisle. Alle Zeit dieser Welt“, sagte Bella leise und lächelte mich traurig an.
„Ist alles in Ordnung bei euch?“, fragte Edward zögerlich, kam langsam in die Küche und blieb neben seiner Bella stehen.
Seiner
Bella … nun war es also soweit. Ich hatte offensichtlich die letzten
vierzehn Tage damit verbracht, meine Frau freizugeben, sie den Armen
meines Sohnes zu überlassen. Tatsächlich, ich hatte es geschafft.
Mein
Leben war zwar ein Trümmerhaufen aus Schuld, Verwirrung, Enttäuschung
und ein wenig Neid, aber ich würde damit zurechtkommen, davon war ich
nun überzeugt.
„Dad …“, holte mich Edward ins Hier und Jetzt
zurück, „…würdest du bitte …, ich meine, nur, wenn es dir nichts
ausmacht, … könntest du dir vorstellen, eventuell … Mom anzurufen?“,
stotterte Edward, während er Bellas Hand in seine nahm und mich nervös
anblinzelte.
„Nein, ich halte das für keine gute Idee“, erwiderte
ich, ohne auch nur eine Sekunde zu zögern. Ich wollte nicht schon
wieder eine Frau in meinem Leben, auch wenn Esme ein wunderbarer Mensch
und sehr wertvoll für mich war. Die Liebe zu ihr würde nie ganz
versiegen, dessen war ich mir bewusst, aber dennoch – ich war noch nicht
soweit und fragte mich ernsthaft, ob ich das überhaupt jemals wieder
wäre. „Bitte grüßt sie von mir und versichert ihr, dass es mir gut geht,
ja? Und sag deiner Mutter…“, eine tiefe Traurigkeit schnürte mir die
Kehle zu, doch es gab kein Zurück, „…sie soll nicht auf mich warten“.
Bellas
Augen füllten sich wieder mit Tränen, Edward bedachte mich mit einem
verzweifelten Blick. „Ich werde mich ab sofort zusammenreißen, ich
verspreche es, aber ich möchte euch nun bitten, zu gehen, lasst mich
bitte allein“, sagte ich noch leise und vollkommen ruhig. Ich drehte
mich ohne weiteren Kommentar um, schlenderte ins Wohnzimmer zurück, fiel
müde auf die Couch und machte den Fernseher an.
Wenige Augenblicke später hörte ich, wie die Haustür von außen zugezogen wurde, und ich war das, was ich wollte.
Allein.
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