Seiten

Donnerstag, 23. Februar 2012

(30) Der erste kleine Schritt nach vorn

Freitag, 28.9.2009


„Findest du nicht, dass es endlich an der Zeit wäre, mit deinen Eltern Kontakt aufzunehmen? Zwei Wochen, Edward“, seufzte meine Süße und zog sich seufzend die Decke bis unter die Nase. „Zwei Wochen ohne irgendein Lebenszeichen. So langsam mach ich mir Sorgen“.

„Ja, du hast recht“. Ich stützte mich auf den rechten Ellenbogen und hauchte einen Kuss auf ihre wundervollen, weichen Lippen. „Allerdings glaube ich nicht, dass ich die Kraft habe, Dad anzurufen. Es ist … fuck, ich wüsste nicht, was ich sagen sollte“. Nun war es an mir, tief zu seufzen. Ich setzte mich auf und vergrub die Finger in meinem Haar. Ob ich mir das jemals abgewöhnen könnte?

Bella erhob sich nun ebenso, streichelte sanft über meinen Rücken und kuschelte sich an meine Schulter. „Dann sprich erst mal mit deiner Mom. Ich bin mir sicher, dass sie Kontakt zu Carlisle hat und uns zumindest sagen kann, wie es ihm geht“.

„Aber wir haben doch vereinbart, dass wir ihnen die Zeit geben, die sie brauchen werden, um…“, versuchte ich, aus dieser unangenehmen Sache noch irgendwie rauskommen, doch mein Mädchen ließ das nicht zu.

„Und was, wenn sie darauf warten, bis sich einer von uns meldet?“ Sie schaute mich eindringlich an, und ich versank sofort in ihren dunkelbraunen Tiefen, die mich immer wieder aufs Neue faszinierten. Zur Hölle, ich liebte diese Frau so sehr, dass es schon beinahe schmerzte. Jedes Mal, wenn ich sie sah, konnte ich mein Glück kaum fassen, aber dennoch tat es so weh, dass diese Liebe auf Kosten meines Vaters ging. Ich wollte ihn doch nicht verletzen, niemals. Ich seufzte tief und zog so fest an meinem Haar, dass ich zischte.

„Baby, hör auf. Ich liebe die chaotische Pracht auf deinem Kopf, und wenn du so weitermachst, wirst du irgendwann mit einer Glatze enden. Abgesehen davon solltest du wissen, dass ich es liebe, beim Sex meine Finger in deinem Haar zu vergraben, also – hör auf mit dem Scheiß“. Bella grinste mich an und zwinkerte mir zu. Sofort folgte ich ihrem Wunsch und schlang stattdessen meine Arme um sie, drückte sie nach hinten, sodass sie wieder in die weichen Kissen fiel und rollte mich auf sie.

„Wie Sie wünschen, Mrs. Cul…“, ich fühlte einen Stich in meinem Herzen und war nicht mehr in der Lage, dieses eine Wort, diesen Namen zu Ende zu bringen. Mein Kopf sank nieder auf ihren Hals, und ich vergrub mich in ihrem duftenden Haar. „Fuck, Baby…“, nuschelte ich gegen ihre nackte Haut, „…du hast recht. Wir müssen etwas unternehmen, das kann und darf so nicht weitergehen. Du bist nach wie vor die Frau meines Vaters, und … oh mein Gott, das ist alles so krank“.

Ich rollte mich zur Seite, stand auf und lief zum Fenster. Dort hob ich meine Arme, legte die Hände flach auf das kühle Glas und lehnte meine Stirn dagegen. „Ich liebe dich so sehr, Isabella. Ich liebe, brauche und begehre dich über alle Maßen, aber dieses Glück ist getrübt, solange ich nicht weiß, wie es meinem Vater geht. Du hast recht, es muss etwas geschehen“, murmelte ich mit geschlossenen Augen gegen das Fenster und stieß mich wieder ab. Mit einem Ruck drehte ich mich zu Bella und suchte ihren Blick.

„Ich werde Mom anrufen. Jetzt!“. Ein liebevolles und gottverdammt stolzes Lächeln huschte über das schöne Gesicht meiner Liebsten, und war genau das, was ich noch brauchte. Dankbar lächelte ich zurück, lief zu meinem Nachttisch und schnappte mein Handy. Während ich per Kurzwahl die Nummer meiner Mutter anwählte, setzte ich mich aufs Bett. Bella krabbelte sofort an meine Seite, legte ihren Arm um meine Schulter und kuschelte sich an mich.

„Ich bin so stolz auf dich“, flüsterte sie, und ich drückte einen Kuss auf ihr Haar. Mein Herz schlug mir bis zum Hals, als ich das Tuten des Freizeichens vernahm und auf die Stimme meiner Mutter wartete. Nach dem fünften nerv tötenden Geräusch wollte ich auflegen, doch plötzlich hörte ich ihre Stimme.

„Edward?“, krächzte sie ins Telefon, und ich erschrak. Verdammt, sie hörte sich schrecklich an. War sie krank?

„Mom … hi“, begann ich leise und verlegen. „Geht es dir … gut? Bist du erkältet oder sowas?“.

„Nein, bin ich nicht“, krächzte sie weiter und schluchzte auf. Fuck, sie weinte…

„Was ist passiert? Was ist los mit dir? Bitte, Mom, was…“

„Es ist … nichts“, unterbrach sie mich schluchzend, und mir brach das Herz. Verdammt, ich konnte es nicht ertragen, wenn jemand weinte, und wenn es um jemanden ging, den ich liebte, drehte ich beinahe durch.

„Du weinst also wegen nichts, ja? Lüg mich bitte nicht an“, bat ich sie in einem liebevollen, ruhigen Ton und hoffte zutiefst, dass sie mit mir sprechen würde. „Geht es um Paolo? Lässt dich dieser Drecksack noch immer nicht in Ruhe?“. Gott, nun wurde ich ernsthaft wütend, und mein Ton wurde dementsprechend laut. „Sag nur ein Wort, und ich werde diesem gottverdammten Arschloch jeden einzelnen beschissenen Knochen brechen, den ich in seinem verfluchten Körper finden kann“, zischte ich wütend ins Telefon, während sich Bella aufsetzte und mir entsetzt in die Augen sah.

„Du meine Güte, Edward, dein Wortschatz ist entsetzlich“, erwiderte Elayne ... ähm ...  Mom. Ich konnte in ihrer Stimme direkt ein kleines Schmunzeln ausmachen, doch ich fand das überhaupt nicht witzig. Ich würde dieses Dreckschwein suchen, finden und so lange auf ihn einschlagen, bis er sich nicht mehr rührte. Wenn er noch einmal meiner Mutter weh tun würde, noch ein einziges Mal … verflucht, dann Gnade ihm Gott. Was sollte dieser Scheiß überhaupt? Hatte er denn nicht im ‚Wild Ginger‘ geschnallt, dass er gefälligst die Finger von meiner Mom…

„Es geht nicht um Paolo, Edward“, riss mich Mom aus meinen blutrünstigen Gedanken. Ich runzelte die Stirn und verdrängte von einer Sekunde auf die andere diesen Arsch. Bella schaute mich noch immer verwirrt und entsetzt an, also schüttelte ich erst mal den Kopf, um meinen Wutausbruch zu entschärfen.

„Und warum weinst du dann? Zur Hölle, ich kann förmlich durch das Telefon fühlen, wie beschissen es dir geht. Was ist los? Kann ich dir irgendwie helfen? Bitte sprich mit mir“, flehte ich sie wieder an und bekam als Antwort ein tiefes Seufzen.

„Es geht um Carlisle“. Fuck.

Augenblicklich fühlte ich, wie sich mein Herz verkrampfte, und ich hatte kaum noch die Kraft, weiterzusprechen, doch ich hatte keine Wahl.

„Was … ist mit ihm?“, fragte ich leise und kniff die Augen zusammen, weil ich eine verdammte Angst vor der Antwort hatte. Bellas Umarmung wurde fester und sie schmiegte sich seufzend an mich. Ich schlang einen Arm um sie und zog sie so nah an mich, wie nur möglich. Es war, als würde ich mich an ihr festhalten müssen, um das zu ertragen, was jetzt kam.

„Seit dieser Aussprache vor zwei Wochen spricht er nicht mehr mit mir. Ich hab gerade eben wieder versucht, ihn zu erreichen, doch er hebt nicht einmal ab. Er will niemanden sehen, hat er nach diesem verhängnisvollen Abend gesagt. Wir sollten ihn einfach in Ruhe lassen. Alle. Nun vergräbt er sich in seinem Haus, geht nicht zur Arbeit, weil er offiziell Urlaub braucht, und lässt niemanden an sich heran. Absolut … niemanden“, schluchzte sie, atmete tief durch und fuhr fort. „Ich war noch zwei Mal bei ihm, hab etwas zu essen mitgebracht, wollte einfach nur für ihn da sein, aber er hat nicht einmal die Tür geöffnet und nur gesagt, ich soll verschwinden. Er möchte allein sein, will niemanden sehen … er hat mich aus seinem Leben verbannt, Edward“. Nun weinte sie wirklich heftig, und mein Herz krampfte sich immer mehr zusammen. Ich musste zu ihr. Jetzt.

„Mom, hör zu. Bleib, wo du bist. Bitte geh nicht weg. Ich spring schnell unter die Dusche und komm dann zu dir. In Ordnung?“.

„O – Okay“, schluchzte sie und legte auf.

„Baby, ich werde zu meiner Mutter fahren. Es geht ihr sehr schlecht, sie braucht mich“, sagte ich, nachdem ich das Gespräch beendet und mein Handy auf das Bett geschmissen hatte. Ich stand auf und lief ins Bad.

Sofort hörte ich das Tapsen von Bellas nackten Füßen, die mir folgten, und wenige Sekunden später stand mein Mädchen neben mir. Ihre Augen funkelten traurig, als sie zu mir hochsah und leise die Frage stellte, die ihr wohl auf der Zunge brannte. „Was ist mit Carlisle? Ist etwas … passiert?“

„Es geht ihm beschissen. Er will niemanden sehen, hat sogar Mom aus seinem Leben gedrängt. Sie war zwei Mal bei ihm, wollte ihm etwas zu essen bringen und für ihn da sein, aber er öffnete nicht einmal die Tür“. Ich stützte meine gestreckten Arme auf das Waschbecken, mein Kopf sank zwischen die Schultern, und meine Lider klappten zu. „Verdammte Scheiße, Baby, ich hab das Leben meines Vaters ruiniert. Nun ist genau das eingetroffen, was ich niemals wollte, ich hab alles kaputt gemacht, es ist alles meine…“

„EDWARD!!“, schrie mich Bella an. Ich zuckte vor Schreck förmlich zusammen, mein Kopf schoss in ihre Richtung, und ich starrte sie an.
„Jetzt hör aber sofort auf damit“, fuhr sie fort. „ICH bin diejenige, die für diese ganze Scheiße hier verantwortlich ist. ICH konnte meine Finger nicht von dir lassen und ICH habe Carlisle geheiratet, nur um nicht mehr allein zu sein. Verstehst du das?  Du solltest wirklich nicht die Schuld bei dir suchen, denn ich allein habe dieses Chaos verursacht, ich allein. Nicht du…“, stellte sie fest. Ihre Stimme wurde immer leiser, und während der letzten Worte begann sie zu weinen.

Ich schlang meine Arme sofort um ihren wundervollen, nackten Körper und zog sie so eng wie möglich an mich. „Shhhh, bitte weine nicht, Liebes. Wir alle haben mächtig Mist gebaut, doch die Zeit ist gekommen, vielleicht einiges davon wieder gut zu machen. Bitte komm mit zu meiner Mom, sie hasst dich nicht, das kann ich spüren. Lass uns gemeinsam stark sein. Wir müssen uns diesem Problem stellen und alles daran setzen, es aus der Welt zu schaffen. Weinen hilft uns nicht weiter. Weder dir, noch mir oder Mom und Dad. Also, was meinst du?“. Ich drückte sie ein kleines Stück von mir weg und zwang mir ein mutiges und zuversichtliches Lächeln aufs Gesicht. (Beta-A/N: *flüstert, damit Jazz sie nicht hört* Edward ist gerade ein Traum, oder?)

„Okay“, flüsterte sie, nahm zärtlich mein Gesicht in ihre Hände und hauchte einen Kuss auf meinen Mund. „Lass es uns zumindest versuchen. Wenn … sollte deine Mom mich nicht dabei haben wollen, kann ich ja immer noch im Auto auf dich warten. Also … machen wir uns mal fertig“, sagte sie leise und versuchte, dabei entschlossen und mutig zu klingen, doch ich spürte ihre Unsicherheit und die Angst, die sie vor diesem Zusammentreffen hatte.

„Danke, Baby. Ich liebe dich so sehr, vergiss das niemals, ja? Ganz egal, was nun geschehen wird, du bist jetzt mein Leben. Auch, wenn das bedeutet, dass …“, ich schluckte hart und holte tief Luft, „…dass ich meinen Vater verlieren werde … ich brauche dich, Bella. Mehr als alles andere auf dieser verflucht komplizierten Welt“.

„Ich lieb dich doch auch“, seufzte sie an meiner Brust und schlang mit so einer Kraft ihre Arme um mich herum, dass ich leise kichern musste.

„Au, du tust mir weh“, gluckste ich, und diese bedrückende Traurigkeit war vorübergehend besiegt.


Wir sprangen schnell unter die Dusche, zogen uns an und saßen eine knappe dreiviertel Stunde später in meinem Aston. Dicke, graue Wolken zogen träge über den Himmel, was unsere Stimmung wieder an den absoluten Tiefpunkt brachte. Ein wenig Sonne wäre vielleicht nicht schlecht gewesen, aber gut, wir waren eben nicht in der Karibik und mussten mit diesem Wolken-Scheiß vorlieb nehmen.

„Ich hab Angst“, sagte mein Mädchen neben mir und legte ihre zittrige Hand auf meinen Oberschenkel. Ich nahm sie sanft in meine und drückte sie leicht. „Ich auch“.

„Aber Baby, hör mir zu. Wir werden alles Menschenmögliche unternehmen, um Mom und Dad zu helfen, in Ordnung?“. Ich schaute kurz nach rechts und lächelte, so gut ich eben konnte.

„In Ordnung“.


Schweigen.


„Edward?“

„Hm?“

„Meinst du, deine Mom liebt Carlisle? Schon wieder oder noch immer?“

„Ja“

Bella keuchte auf, drückte fest meine Hand und riss ihren Kopf zu mir. „Wirklich?“, rief sie beinahe, sodass ich fast ein wenig erschrak. „Ich meine … wir haben das ja vor vierzehn Tagen bereits festgestellt, aber dennoch – ich war mir nicht sicher, ob wir uns das nicht doch nur eingebildet haben. Vielleicht war das nur eine Art Mitgefühl oder Trost, und wir haben das falsch interpretiert oder so…“.

„Nein, Liebling. Ich kenne meine Mom, sie liebt ihn. Ob noch immer oder schon wieder, weiß ich nicht, aber schon als sie Paolo kennenlernte, hatte ich das Gefühl, dass ihr Dad lieber wäre als dieser italienische Arsch“.

„Oooh…“, keuchte Bella und sank zurück in ihren Sitz.


Schweigen.



Wenige Minuten später waren wir an unserem Ziel. Unwillig und träge kletterten wir aus meinem Vanquish, und ich schloss ihn per Knopfdruck ab. Ein kurzer, intensiver Blick, ein mutmachendes, zärtliches Lächeln, und langsam bewegten wir uns auf die Haustür zu.

Plötzlich gerieten Bellas Schritte ins Stocken, und sie schüttelte den Kopf. „Was ist los?“, wollte ich wissen und runzelte die Stirn. Meine Süße war sehr blass und zitterte.

„Ich … ach, ich denke, es ist nicht richtig, wenn ich mit hinein gehe. Glaubst du nicht, dass deine Mom mit dir allein sein möchte? Verdammt, ich gehöre nicht hier her“.

„Baby“, begann ich, legte meine Hände an ihr Gesicht und hauchte einen Kuss auf ihren Mund. „Du gehörst zu MIR, und nichts anderes zählt. Meine Mutter hat vor vierzehn Tagen gesehen und letztendlich auch begriffen, wie sehr ich dich liebe, sie weiß also Bescheid. Es wird nichts passieren, das kann ich dir versprechen, also komm“. Ich küsste sie noch einmal kurz, nahm sie an der Hand und zog sie mit mir.

„Wie du meinst“, sagte sie leise und folgte mir zur Haustür meiner Mom.
Ich klopfte und fühlte förmlich, wie mein Herz in die Hose rutschte und sich kleine Schweißperlen auf meiner Stirn sammelten. Fest umklammerte ich die Hand meiner Bella, die hinter mir stand und sich dort ängstlich versteckte. Unmittelbar nach dem Klopfen hörten wir Schritte, die sich unaufhaltsam der Tür näherten, welche nach wenigen Sekunden aufgerissen wurde.

„Edward“, schluchzte Mom und fiel mir weinend um den Hals. „Ich … bin so froh, dass du da bist, … weiß nicht mehr, was ich tun soll, mach mir so große Sorgen um … Carlisle … ich … liebe ihn doch so sehr“, schluchzte sie an meinem Hals und zuckte zusammen, als sie sah, wer bei mir war.

„Isabella…“, keuchte sie, wurde plötzlich gottverdammt blass, wich mit weit aufgerissenen Augen zurück und taumelte gegen die Wand. „Oh Mist, das … es tut mir leid. Bitte denken Sie jetzt nicht falsch von mir … oh mein Gott, Sie sind doch seine Frau, und … Himmel, was …“. Mom stotterte wirres Zeug und senkte peinlich berührt ihren Blick, als Bella an meine Seite trat und sie vorsichtig am Oberarm berührte.

„Es ist in Ordnung, Mrs. Cullen. Ja, ich bin Carlisles Frau, aber nur noch auf dem Papier. Machen Sie sich keine Gedanken, es … macht mir nichts aus“, sagte meine Süße, hob ihren Kopf und schaute mich an. In ihren Augen funkelte so ein Übermaß an hingebungsvoller Liebe, dass ich nicht anders konnte, als ihr einen kurzen, aber sehr zärtlichen Kuss auf die Lippen zu drücken. Ich streichelte liebevoll über ihre Wange, und wir lächelten uns an.

„Wisst ihr…“, schniefte Mom ein letztes Mal auf, schien sich aber endlich ein wenig zu beruhigen, „…das alles ist so … so … verrückt, und ich bin nach wie vor dermaßen verwirrt, dass ich manchmal nicht mehr weiß, wo mir der Kopf steht“. Sie verdrehte die Augen und seufzte tief. „Aber kommt doch erst mal rein“. Meine Mutter wich ein paar Schritte zur Seite, bat uns mit einer ausschweifenden Handbewegung in ihren Flur und schloss die Tür hinter mir. „Darf ich euch etwas anbieten?“.

Dabei fiel mir erst auf, dass wir bereits frühen Nachmittag und Bella und ich nach vor nichts gegessen hatten. Wie auf Kommando knurrte mein Magen, als hätte ich einen Grizzly-Bären verschluckt, was Mom ein wissendes Schmunzeln entlockte. Gott sei Dank ging es ihr nun wieder besser, und das machte mich sehr froh.

„Habt ihr heute überhaupt schon etwas zu euch genommen? Wenigstens ein Frühstück?“. Leicht verlegen schüttelten wir den Kopf, doch plötzlich wurde mir bewusst, dass Mom immer in der Mehrzahl sprach. Mein Herz machte einen entzückten Sprung, als ich tatsächlich realisierte, dass meine Mutter Bella akzeptierte, ja vielleicht sogar ein bisschen … mochte? Wie auch immer. Ich war in diesem Moment einfach so glücklich wie schon seit zwei Wochen nicht mehr und hatte tatsächlich das Gefühl, dass alles gut werden würde. Bald.

„Setzt euch doch, bitte“, riss mich Mom aus meinen süßen Träumen. „Ich habe zwei Rinderfilets im Kühlschrank, die werd ich euch schnell zubereiten. Gemüse müsste ich auch noch haben, und ein paar Kroketten. Das geht ganz schnell, bin gleich wieder da“. Yeah, wenn sie jemanden bekochen konnte, war sie glücklich und zufrieden. Ich grinste breit und setzte mich nicht, sondern eilte zu Mom und fiel ihr um den Hals.

„Danke“, sagte ich leise und gottverdammt glücklich, doch unmittelbar darauf versteifte ich mich, da ich an unser Gespräch zurückdachte, welches vor vierzehn Tagen in Forks stattgefunden hatte. Jasper hatte unsere Mutter genau so umarmt, wie ich in diesem Moment. Doch sie hatte die Umarmung nicht erwidert. Gott, wenn sie nun … verdammt, ich könnte es nicht ertragen.

Kaum hatte ich meine Zweifel zu Ende gebracht, fühlte ich, wie sich ihre Arme um meinen Oberkörper legten und ihre Hände sanft meinen Rücken streichelten. Fuck, ja, ich war ein erwachsener Mann, aber ich denke, das war die schönste Umarmung, die ich jemals von meiner Mutter bekommen hatte, und sie brachte mich tatsächlich zum Schnurren. Wie eine beschissene Katze.

Mom kriegte das natürlich mit und begann, leise zu glucksen. „So gut?“, fragte sie leise und klopfte liebevoll auf mein linkes Schulterblatt.

„Ja, Mommy. Ich hab das fucking vermisst“, erwiderte ich grinsend und strahlte sie an.

„Gott, Schatz, wenn du nicht immer so widerlich fluchen würdest, hätte mich das jetzt wirklich berührt“, sagte sie und lachte leise vor sich hin.

„Bella liebt es, wenn ich fluche. Sie meint, das ist sexy“, erwiderte ich gedankenlos und zuckte zusammen. Warum konnte ich auch nicht ein einziges Mal meine vorlaute Klappe halten? Ich verzog mein Gesicht, kniff die Augen zusammen und blinzelte verlegen zu Mom. Sie lachte noch immer. Dann sah ich zu Bella, doch die wirkte nur belustigt und funkelte mich an. Nun lachte ich auch, und wenige Augenblicke später war das Wohnzimmer meiner Mutter von einer lockeren und sehr gelösten Stimmung erfüllt.

„Ich bin dann mal weg, macht es euch gemütlich. Edward, wenn ihr durstig seid, melde dich, ja?“. Mom schenkte uns – ja, tatsächlich UNS – einen liebevollen Blick und verschwand in der Küche.

„Sie ist eine tolle Frau“, sagte meine Süße leise, nachdem wir auf der Couch Platz genommen und es uns gemütlich gemacht hatten.

„Ja, das ist sie“, stimmte ich zu. Ich legte meinen rechten Arm um die Schultern meiner Süßen und zog sie ganz nah zu mir. Wie ein Tier schnüffelte ich an ihrem Haar und strich mit meiner Nase ihren Hals entlang.

„Gott, du lenkst mich ab“, kicherte sie gelöst. Wahrscheinlich war sie genau so froh wie ich, weil wir die erste Hürde so bravourös gemeistert und Mom bereits auf unsere Seite gezogen hatten. „Weißt du…“, Bella löste sich ein wenig aus meiner Umarmung und strahlte mich an. „… auch, wenn es verdammt irre und geschmacklos klingt, aber ich würde mich wahnsinnig freuen, wenn Carlisle und Esme wieder … nun ja … zusammenkommen würden. Was meinst du?“

„Ja, ich bin ganz deiner Meinung. Dass Mom ihn noch liebt, ist also klar, aber wie sieht es bei ihm aus? Das wissen wir nicht genau“. Ich zuckte mit den Schultern und stahl mir einen ganz schnellen Kuss. Bella kicherte und kuschelte sich an meine Brust. „Dann sollten wir es herausfinden“.

„Was? Wie meinst du das?“

Sie setzte sich wieder aufrecht hin und grinste mich an. „Du kannst dich doch noch an dieses Essen erinnern, welches Alice und Jazz für uns beide eingefädelt hatten, obwohl wir nichts davon wussten“. Ich nickte und runzelte die Stirn. „Nun – sowas in der Art werden wir auch für deine Eltern organisieren. Wir müssen die beiden einfach dazu bringen, dass sie sich in Ruhe zusammen setzen und ein bisschen Zeit mit einander verbringen. Alles Weitere wird sich dann zeigen“. Gott, was für eine verfahrene Situation. Ich konnte einfach nicht umhin und begann, so richtig laut zu lachen.

„Was ist da dran so dermaßen lustig?“, fragte mich meine Süße mit einem leicht angepissten Unterton in der Stimme. Ich versuchte, mich wieder zu beruhigen und drehte mich zu ihr.

„Was daran so lustig ist? Unser Leben ist schlimmer als ein kitschiger Hollywood-Film, pass auf. Du heiratest Carlisle Cullen, vögelst und liebst aber seinen Sohn, der dich wiederum genauso liebt. Nun sitzen wir bei Carlisles Ex-Frau und seine zweite Frau versucht, Carlisle Cullen wieder mit seiner ersten Frau zu verkuppeln. Also, wenn DAS nicht krank ist, was dann?“ Wieder musste ich herzlich lachen, und Bella stimmte mit ein.

Wir lachten eine Weile über diesen ganzen verwirrenden Scheiß, doch plötzlich verstummte Bella und wurde ernst. „Eigentlich ist das gar nicht so lustig, und wir haben überhaupt nicht das Recht, uns darüber so zu amüsieren. Gott, Edward, was tun wir denn hier? Carlisle geht es verflucht schlecht, und wir lachen uns die Seele aus dem Leib. Fühlst du dich denn gar nicht beschissen dabei?“ Fuck, sie hatte recht.

„Doch“, murmelte ich leise und senkte verlegen den Kopf. „Tut mir leid“. Minutenlang saßen wir schweigend neben einander, beschämt wegen unserer Lachattacke und in Sorge um meinen Dad.

„Ich werde deine Mom und Carlisle wieder zusammen bringen, und wenn es das Letzte ist, was ich tue“, durchbrach meine Süße die bedrückende Stille, und mein Kopf zuckte zu ihr. „Guck nicht so, ich meine das ernst“. Sie zog eine Augenbraue hoch und musterte aufmerksam mein überraschtes Gesicht. „Hilfst du mir dabei?“

„Natürlich helfe ich dir“, versicherte ich sofort. „Ich wünsche mir doch selber nichts sehnlicher, als dass Mom und Dad wieder glücklich werden“. Yeah, dieses Mal konnte ich das mit ruhigem Wissen und Gewissen sagen, denn mein früherer sehnlichster Wunsch ist bereits in Erfüllung gegangen. Bella war mein.

„Gut“. Mein Mädchen bekam einen hochkonzentrierten Ausdruck auf ihrem wunderschönen Gesicht und starrte gedankenverloren zum Fenster raus. „Ich denke, wir werden Jasper und Alice in unseren Plan einbeziehen. Die beiden haben oft tolle Ideen und könnten sehr hilfreich sein. Hier darf nichts danebengehen, dieses Treffen zwischen deinen Eltern muss genau geplant und ausgeführt werden, wir können uns keine Fehler leisten“. Dann schaute sie mich wieder an und erwartete meine Reaktion.

„Yeah, hört sich gut an. Bin mit allem einverstanden, Mata Hari“, sagte ich grinsend, zog sie zu mir und drückte meine Lippen auf ihre. Ich wusste, dass Mom noch eine Weile in der Küche beschäftigt war, also vertiefte ich den Kuss, denn zur Hölle, ich brauchte meine Bella. Jetzt.

Mit einem leisen Stöhnen vergrub sie die Finger in meinem Haar und stieß ihre Zunge in meinen Mund, während sich meine Hand selbständig machte und über ihren Schenkel glitt. Der Kuss wurde immer leidenschaftlicher, mein Streicheln immer intensiver, und ich wünschte mir augenblicklich nichts mehr, als mich in Bella zu verlieren, doch …

„Was wollt ihr denn nun trin … oh, Man. Tut mir leid“. (Beta-A/N: Ja, Esme guck dir an, was du da großgezogen hast. Zum Glück hast du noch einen anderen Sohn, der weiß, was sich gehört.)

Als wäre soeben eine 10.000 Volt-Ladung durch unsere Körper gejagt, schossen wir auseinander und starrten schwer atmend auf meine Mom, die mit hochrotem Kopf im Wohnzimmer stand und mit weit aufgerissenen Augen auf uns nieder starrte. „Gott, wenn das Carlisle sehen würde“, sagte sie leise, schüttelte seufzend den Kopf und ging zurück in die Küche, vermutlich, um sich wieder zu sammeln. Etwa eine Minute später war sie nämlich wieder bei uns, tat so, als wäre nichts geschehen und fragte uns erneut, was wir denn nun trinken wollten.

„Wasser, bitte“, kam es völlig synchron aus unseren Mündern, und wir grinsten uns an.

„Ihr gehört wahrscheinlich wirklich zusammen“, sagte Mom, während ein verschmitztes Lächeln über ihren Mund huschte, und sie ließ uns wieder allein.



Ich wusste, dass meine Mutter eine ausgezeichnete Köchin war, aber diese Filets waren einfach fantastisch, und für eine Sekunde bereute ich es sogar, nicht mehr mit ihr unter einem Dach zu wohnen. Der Gedanke, wieder jeden Tag von ihr bekocht zu werden, zauberte mir ein verträumtes Lächeln auf die Lippen, doch dieses gefror sofort, als meine Süße meinte, dass sie unbedingt nach Forks fahren wollte. Jetzt.

„Ich muss einfach wissen, ob alles in Ordnung ist. Bitte, Edward. Mir ist klar, dass er wahrscheinlich nicht einmal die Tür öffnen, geschweige denn mit uns sprechen wird, aber ich will mich nur vergewissern, dass er … lebt“, sagte sie immer leiser werdend, und beim letzten Wort sammelten sich Tränen in ihren wundervollen Augen.

Mom sah Bella traurig an und senkte den Kopf. „Bitte gebt mir Bescheid, wenn ihr ihn gesehen oder sogar mit ihm gesprochen habt, ja?“. Sie erhob sich und begann, das schmutzige Geschirr in die Küche zu räumen. Mein Mädchen sprang sofort hoch und half ihr dabei, während ich sitzen blieb und einen auf Pascha machte.

Die beiden Ladies verschwanden in der Küche, doch Bella kam nicht zurück. Vermutlich hatte Mom sie in ein Gespräch verwickelt. Neugierig, wie ich nun mal war, stand ich auf und ging leise zur Tür, die natürlich offen war. Ich lehnte mich daneben gegen die Wand, verschränkte meine Arme vor der Brust und lauschte.

„…und Sie hassen mich wirklich nicht?“, fragte Mom. Boah…

„Nein, Mrs. Cullen. Wirklich nicht. Ganz im Gegenteil. Ich dachte, dass Sie mich hassen würden. Immerhin bin ich an diesem ganzen Schlamassel schuld, und…“

„Also, erst mal – nennen Sie mich bitte Esme, Bella. Und ja, ich muss Ihnen leider recht geben. Sie sind wohl die Hauptschuldige an diesem Problem, aber Sie sind kein schlechter Mensch, das weiß ich nun. Sie lieben meinen Sohn und machen ihn sehr glücklich, und dafür danke ich Ihnen. Natürlich haben Sie mei …“, Mom räusperte sich und begann diesen Satz noch mal. „Natürlich haben Sie Carlisle sehr weh getan, und er scheint furchtbar zu leiden, aber das ist noch immer besser, als wenn Sie über Jahre hinweg die perfekte Ehefrau gespielt hätten, während Sie mit Edward …“, sie brach ab. Kurze Pause. „Boah, wie gruselig, ich will gar nicht daran denken“. Kurzes Schweigen.

„Ich weiß, dass Sie recht haben, Esme, und es tut mir so leid. Ich hätte gar nie Ja sagen dürfen, und das alles ist so gottverdammt…“.

„Ach du meine Güte, er hat Sie tatsächlich angesteckt mit seinem Gefluche“, unterbrach Mom das Schuldgeständnis meiner Süßen und ich hörte ein klatschendes Geräusch. Vermutlich traf gerade ihre flache Hand auf die Stirn.

„Naja, nicht wirklich. Erste Ansätze waren schon da, bevor ich Edward kennenlernte. Aber verstärkt hat er es allemal“. Bella gluckste und Mom lachte. Na toll, die beiden amüsierten sich also auf meine Kosten.

Plötzlich verstummten meine Mädels, und ich lauschte weiter.

„Möchten Sie mitkommen, Esme? Nach …Forks?“

Mom schien eine Weile zu überlegen.

„Nein, Bella. Ich denke, diesen Weg sollten Sie und Edward alleine gehen. Wenn die Zeit reif ist, werde ich meinen Ex-Mann sehen, doch irgendwie hab ich das Gefühl, es ist noch nicht soweit. Er … will mich nicht“, und sie weinte. Fuck, das sollte sie nicht.

Mein Herz krampfte sich wieder einmal zusammen, und ich wollte unbedingt in die Küche, um meine verzweifelte Mutter zu trösten. Ich stieß mich von der Wand ab und war gerade dabei, den Raum betreten, doch was ich dort zu sehen bekam, drückte mir beinahe selbst die Tränen in die Augen.

Bella hatte Mom in den Arm genommen und streichelte über ihr Haar, während sie ihr immer wieder leise etwas zuflüsterte, was ich leider nicht verstehen konnte. Mom hatte ihr Arme um meine Süße gewickelt und hielt sich weinend an ihr fest. Gott, dieses Bild war der Wahnsinn und rührte mich so sehr, dass ich kaum atmen konnte.

Nun trat ich aber doch ein und umarmte die zwei wichtigsten Frauen in meinem Leben.

„Es wird alles gut“, sagte ich leise und drückte Mom einen Kuss auf den Kopf. Sie löste einen Arm von Bella, legte ihn mir um die Hüfte und zog mich so nah wie möglich an sie heran.

„Ich danke euch“, schniefte meine Mutter und gab uns plötzlich frei. „So, nun aber los. Kümmere dich um deinen Vater“, sagte sie mit leicht zittriger Stimme, aber dennoch sehr bestimmend und irgendwie ruhig. „Und Edward – melde dich dann bei mir, ja? Bitte …“. Seufzend wischte sie sich die Tränen von den Wangen und schaute mich flehend an.

„Natürlich. Mach dir keine Sorgen. Alles wird gut“. Ich küsste sie auf die Wange und nahm mein Mädchen an der Hand. „Lass uns fahren“, sagte ich zu ihr und konnte förmlich sehen, wie jegliche Farbe aus ihrem Gesicht entwich.

„In Ordnung“, hauchte mein Mädchen ziemlich verzweifelt, doch sie hatte keine Wahl. Obwohl ich mir selbst fast in die Hosen machte vor Angst, mussten wir diesen Weg gehen. Wir machten uns alle Sorgen um Dad, und verdammt, ich wollte wissen, wie es ihm ging.

Wir bedankten uns für das ausgezeichnete Essen, ich versprach weitere tausend Mal, mich noch heute bei Mom zu melden, und wenige Minuten später waren wir in meinem Vanquish auf dem Weg nach Forks.




Die Stimmung im Auto war düster und beklemmend.

Ich hatte Angst.

Bella hatte Angst.

„Was auch immer jetzt passiert, ich liebe dich“, sagte ich zu meiner Süßen, nachdem wir letztendlich unser Ziel erreicht hatten und ich den Motor meines Aston abgestellt hatte. Bella schaute mich verzweifelt an und nickte. „Ich dich auch“. Ich küsste sie zärtlich und lächelte sie an.

„Lass uns gehen“.


CarlislePOV


„Lasst mich doch endlich mal in Ruhe, Herrgott noch mal“, fluchte ich vor mich hin und ignorierte das Klopfen, welches von der Haustür kam.

Zwei Wochen hatte ich mich erfolgreich in meinen vier Wänden vergraben, ohne dass ich mit irgendjemanden sprechen musste, denn das wollte ich nicht. Ich fühlte mich einfach beschissen und ließ mich so richtig gehen.

Natürlich – Bella und Edward hatten mich sehr verletzt, doch die Schuld, die auf meinen Schultern lastete, erdrückte mich jeden Tag mehr. Ich wusste, dass diese Eheschließung niemals stattfinden hätte dürfen. Bellas Zögern vor ihrem Ja-Wort … ich gottverdammter Idiot, warum hatte ich nicht darauf reagiert?

Immer wieder kreisten meine Gedanken um diesen verhängnisvollen und folgenschweren 18. August, und immer wieder fühlte ich mich dermaßen schuldig, dass ich beinahe daran erstickte. Es musste sich auf alle Fälle etwas ändern, wenn ich nur wüsste, was.

Es klopfte erneut.

„Jaaa verdammt, ich komm ja schon“. Angepisst und wütend erhob ich mich nun doch, stieg über ein paar leere Bierflaschen und schlenderte träge in den Flur. Vielleicht waren es ja die Jungs von der Möbelfirma, die ich herbestellt hatte, um dieses verfluchte Bett abzuholen, dessen Teile noch immer originalverpackt in meinem Schlafzimmer lagen.

Vollkommen davon überzeugt, dass es tatsächlich die Möbelpacker waren, die mich in meiner selbst auferlegten Einsamkeit störten, riss ich die Haustür auf und erstarrte, als ich sah, wer vor mir stand.

„Was wollt ihr hier?“, fragte ich und schaute nervös zwischen Edward und Bella hin und her.

„Oh mein Gott“, flüsterte Bella, während sich ihre Augen mit Tränen füllten und sie leicht zu taumeln begann. Mein Sohn schlang sofort einen Arm um ihre Taille und hielt sie fest.

„Ja, ich weiß, ich sehe beschissen aus“, nahm ich ihr sogleich den Wind aus den Segeln. „Ich schlafe schlecht, esse kaum, hab in den letzten zwei Wochen fünf Kilo abgenommen und mich vor etwa zehn Tagen das letzte Mal rasiert. Zufrieden?“. Bella weinte nun heftig, und Edwards Augen funkelten so dermaßen traurig, dass ich sofort ein schlechtes Gewissen bekam. „Tut mir leid“, setzte ich leise nach und fuhr mit den Händen grob über mein Gesicht.

Edward atmete tief durch, sammelte offensichtlich jedes Fünkchen Kraft, welches sich irgendwo in seinem Körper verbarg und sah mich an. Ängstlich, beinahe schüchtern und zögerlich suchte er meinen Blick und hielt ihn fest.

„Wir wollten sehen, wie es dir geht, … Dad“. Himmel, er traute sich kaum, mich so zu nennen, was hatte ich getan?

„Nun, wenn ich sagen würde, es ginge mir gut, würde ich wohl lügen, wie ihr seht. Egal, kommt erst mal rein. Vermutlich wollt ihr auch Bellas Sachen holen, die sich nach wie vor hier befinden, oder?“, sagte ich, wich ein paar Schritte zur Seite und bat die beiden ins Haus.

„Nein…“, schluchzte Bella mit tränenerstickter Stimme und blinzelte mich durch ihre geröteten Augen an, „…darum geht es nicht. Ich habe eigentlich alles, was ich brauche, aber wir wollten … nach dir sehen. Edward und ich kommen gerade von Esme. Sie sorgt sich sehr um dich und ist vollkommen verzweifelt, weil du nicht einmal ihre Anrufe entgegen nimmst“.

Esme … sie sorgte sich um mich…

Ein warmes Gefühl breitete sich in mir aus. Natürlich tat sie das, sonst hätte sie mich nicht alle gefühlte zehn Minuten angerufen. Ich hatte – aus welchen Gründen auch immer – nicht die Kraft, um mit ihr zu sprechen. Dieses tiefe, schwarze Loch, in welches ich gestürzt war … es gab kein Entrinnen, ich fand nicht heraus. Diese glitschige Masse aus Verzweiflung und Schuld – sie hielt mich gefangen und blockierte alles, was mich wieder ins normale Leben zurückführen könnte. Ich war absolut verloren und der Meinung, dass nichts und niemand in der Lage wäre, mich zu retten, doch wenn ich darüber nachdachte, musste ich mich fragen – wollte ich das denn? Wollte ich gerettet werden?

„Dad? Ist alles in Ordnung?“. Edward unterbrach meine von Selbstmitleid zerfressenen Gedanken und schaute mich traurig an.

„Jaja, alles gut“, log ich und stellte fest, dass wir noch immer im Flur standen. „Lasst uns ins Wohnzimmer gehen“. Ich ging voraus und schämte mich in diesem Moment fast zu Tode, weil ich seit Tagen nicht mehr aufgeräumt hatte und das ganze Haus den Eindruck erweckte, als hätte eine Bombe eingeschlagen.

Edward und Bella folgten mir schweigend, doch ihre Augen weiteten sich, als sie ihre Blicke durch den versauten Raum gleiten ließen. In diesem Moment fühlte ich mich dermaßen mies, dass mich eine leichte Übelkeit überkam. Ich genierte mich und konnte es kaum glauben, dass ich mich in den letzten zwei Wochen derart gehen ließ. Verdammt, ich war ein erwachsener Mann und führte mich auf wie ein störrisches Kind.

Rasch eilte ich ein paar Schritte voraus, befreite die Couch von Decken, zerknüllten Zeitungen und leeren Bierflaschen und bat die beiden, Platz zu nehmen, doch nur Edward folgte meiner Bitte. Bella hingegen begann, wie ein Wirbelwind durch das Haus zu schießen und räumte meinen Saustall auf.

„Bella, das … du musst das nicht tun. Bitte setz dich, ich will nicht, dass du…“, stotterte ich beschämt und verfolgte sie in die Küche, doch das, was ich dort sah, brachte mein Herz zum Stillstand, und meine Augen wurden feucht.

Meine … Frau stand vor dem Fenster, stützte sich haltsuchend auf der Fensterbank ab und weinte. „Es tut mir so leid, Carlisle, es tut mir so leid…“, schluchzte sie, während ihr Kopf zwischen die Schultern sank und ihre Tränen unaufhörlich lautlos auf den Boden patschten. „Ich wollte das nicht. Niemals … bitte glaube mir. Wenn ich gewusst hätte…“.

„Shhh … bitte hör auf“, sagte ich leise und nahm sie in den Arm. „Es ist auch meine Schuld. Ich hätte dich nicht heiraten dürfen, Bella. Wir haben einen großen Fehler gemacht, an dem ich nicht ganz unbeteiligt bin“, gestand ich und fühlte mich augenblicklich besser. „Gib mir noch ein bisschen Zeit, dann können wir über die Scheidung reden, okay? Es ist … ich weiß es nicht genau, aber ich denke, ich muss erst mal mit mir selber ins Reine kommen, und dabei brauche ich keine Hilfe, ich wüsste auch nicht, von wem. Glaube mir, Bella, ich werde früher oder später mit dem Gedanken klar kommen, dass du meinen Sohn liebst. Was viel mehr an mir nagt, ist meine eigene Schuld. Auch ich hab vieles falsch gemacht, doch ganz ehrlich – ich weiß nicht genau, warum. Ich habe keine Ahnung, warum ich dich förmlich in Edwards Arme getrieben habe, und ich kann nicht nachvollziehen, aus welchem Grund ich dich geheiratet habe – trotz deines Zögerns. Versteh mich bitte nicht falsch, ich habe dich geliebt, Bella, sehr sogar. Doch je länger ich darüber nachdenke, desto intensiver wird mir bewusst, dass auch meine Motive die falschen waren. Gott, ich weiß nicht … bitte verzeih, aber wie schon gesagt, ich muss mit mir selbst ins Reine kommen, nur dann kann ich dies alles hinter mir lassen. Gibst du mir … noch ein wenig Zeit?“

Meine Stimme wurde im Laufe meines Monologes erstaunlich ruhig, und ein seltsames Gefühl machte sich in mir breit. Es kam mir so vor, als hätte ich während meiner Rede an Bella vieles aufgearbeitet, was mich in den letzten Tagen blockierte. Ich fühlte mich wesentlich freier als zuvor und atmete erleichtert auf.

„Natürlich, Carlisle. Alle Zeit dieser Welt“, sagte Bella leise und lächelte mich traurig an.

„Ist alles in Ordnung bei euch?“, fragte Edward zögerlich, kam langsam in die Küche und blieb neben seiner Bella stehen.

Seiner Bella … nun war es also soweit. Ich hatte offensichtlich die letzten vierzehn Tage damit verbracht, meine Frau freizugeben, sie den Armen meines Sohnes zu überlassen. Tatsächlich, ich hatte es geschafft.

Mein Leben war zwar ein Trümmerhaufen aus Schuld, Verwirrung, Enttäuschung und ein wenig Neid, aber ich würde damit zurechtkommen, davon war ich nun überzeugt.

„Dad …“, holte mich Edward ins Hier und Jetzt zurück, „…würdest du bitte …, ich meine, nur, wenn es dir nichts ausmacht, … könntest du dir vorstellen, eventuell … Mom anzurufen?“, stotterte Edward, während er Bellas Hand in seine nahm und mich nervös anblinzelte.

„Nein, ich halte das für keine gute Idee“, erwiderte ich, ohne auch nur eine Sekunde zu zögern. Ich wollte nicht schon wieder eine Frau in meinem Leben, auch wenn Esme ein wunderbarer Mensch und sehr wertvoll für mich war. Die Liebe zu ihr würde nie ganz versiegen, dessen war ich mir bewusst, aber dennoch – ich war noch nicht soweit und fragte mich ernsthaft, ob ich das überhaupt jemals wieder wäre. „Bitte grüßt sie von mir und versichert ihr, dass es mir gut geht, ja? Und sag deiner Mutter…“, eine tiefe Traurigkeit schnürte mir die Kehle zu, doch es gab kein Zurück, „…sie soll nicht auf mich warten“.

Bellas Augen füllten sich wieder mit Tränen, Edward bedachte mich mit einem verzweifelten Blick. „Ich werde mich ab sofort zusammenreißen, ich verspreche es, aber ich möchte euch nun bitten, zu gehen, lasst mich bitte allein“, sagte ich noch leise und vollkommen ruhig. Ich drehte mich ohne weiteren Kommentar um, schlenderte ins Wohnzimmer zurück, fiel müde auf die Couch und machte den Fernseher an.

Wenige Augenblicke später hörte ich, wie die Haustür von außen zugezogen wurde, und ich war das, was ich wollte.

Allein.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen