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Samstag, 11. Februar 2012

(27) ... und dann der Tornado!




CarlislePOV

Dies war also der Geburtstag meiner Frau. Meiner jungen, verdammt schönen und fantastischen Frau. Dennoch tappte sie nach wie vor im Dunkeln, was meine Gefühle betraf, denn das tat ich wohl selbst. Ich war ihr die letzten Tage erfolgreich aus dem Weg gegangen, verbrachte so viel Zeit wie nur möglich im Krankenhaus und blieb sogar eine Nacht da. Nicht wissend, wovor ich eigentlich Angst haben sollte, ging ich auf Abstand, und das Verhältnis zwischen Bella und mir wurde immer kühler und distanzierter.

Trotz der ganzen Verwirrung bat ich sie allerdings, heute mit mir auszugehen, denn wir mussten reden. Dringend. Eigentlich hätten wir dieses Gespräch schon längst führen sollen, aber verdammt, ich konnte einfach nicht. Mein Hirn war vernebelt von den verschiedensten Gefühlen und Ängsten, und ich war einfach nicht mehr in der Lage, klar zu denken. Eigentlich war ich das noch immer nicht, doch die Zeit war reif, über alles zu sprechen, aber nicht daheim.

Seit Tagen war mir klar, dass ich Bella meine Fragen auf neutralem Boden stellen würde. An der Öffentlichkeit erschien alles leichter. Ich war ziemlich sicher, dass mir die Antworten auf meine Fragen nicht gefallen würden, also müsste ich Ruhe bewahren, ob ich wollte, oder nicht. In einem Restaurant konnte ich nicht ausflippen … verdammt, ich hatte Schiss.

Natürlich würde es für Bella nicht der glücklichste Geburtstag ihres Lebens werden, aber ich konnte und wollte so nicht weitermachen. Irgendetwas lief hier falsch, und ich musste wissen, was. Dass mit mir etwas nicht stimmte, war mir klar. Aber was lief da zwischen Bella und Edward? Sicher – sie hatten sich nicht berührt, als ich die beiden am Sonntag von der Treppe aus beobachtet hatte, aber der ganze verfluchte Raum stand unter Strom, ich bin doch nicht blöd.

„Wir können dann los, wenn du fertig bist“, brachte mich meine Frau ins Hier und Jetzt zurück, während sie wie ein Engel leichtfüßig die Treppe herunter schwebte und es mir den Atem verschlug. Sie war einfach  abartig schön in ihrem hochgeschlossenen, smaragdgrünen Kleid, welches sich bis zu den Knien  an ihre heißen Kurven schmiegte wie eine zweite Haut. Ab dort fiel es glockig und voluminös auseinander und war fast bodenlang. Die Ärmel waren eng anliegend und lang, endeten in einem raffinierten Spitz, während ein tropfenförmiger Ausschnitt einen sensationellen Blick auf ihr wundervolles Dekolleté gewährte.

Sie war so unerträglich schön und verpasste mir einen Stich ins Herz, als sie ihre Hand auf meine Brust legte und mich traurig anlächelte. Natürlich spürte auch sie in den letzten Tagen, dass etwas nicht stimmte, und es tat mir wirklich leid, dass ich ihren Ehrentag für meine große Aussprache missbrauchte, aber es musste einfach sein.

„Oh warte … bin gleich wieder da“, murmelte sie plötzlich und kickte ihre schwarzen Heels von den Füßen. Mit einem entschuldigenden Blick drehte sie sich hastig um, raffte den Stoff ihres Kleides zusammen und hetzte die Treppe nach oben. Mein Unterkiefer touchierte beinahe den Boden, als ich ihr mit weit aufgerissenen Augen hinterher starrte. Gott, diese Rückansicht ließ mich jetzt aber wirklich heftig schlucken. Da war nichts als nackte Haut, und zwar so weit hinunter, dass ich für einen kurzen Moment sogar die schwarze Spitze ihres Strings aufblitzen sah.

Oh mein Gott, natürlich wusste ich, warum ich sie geheiratet hatte, schon klar. Sie war heiß, sexy und einfach wunderschön. Aber trotzdem – irgendetwas stimmte nicht zwischen oder mit uns beiden. Fehlte etwas? Dieses gemütliche, innige Miteinander mit dem Ziel, gemeinsam alt zu werden? Wie konnte ich mit Bella ans Altwerden denken, wenn sie so viel jünger war als ich? Scheiße.

„Entschuldige bitte“, murmelte sie wieder die Treppe herunter, fuchtelte mit einer kleinen, schwarzen Handtasche vor meiner Nase herum und schlüpfte gekonnt in ihre Heels. „So, jetzt aber los, auf gehts“. Sie lächelte mich an, aber dieses Lächeln erreichte ihre verrucht geschminkten Augen nicht. Allerdings tat es das seit Tagen nicht mehr, und ich hätte mich schon beinahe daran gewöhnt, wenn es nicht so weh tun würde.

Wir machten uns zurzeit beide das Leben schwer, doch ich hatte bisher nicht den Mut, über meinen Schatten zu springen, um mit ihr zu sprechen. Ich war doch sonst nicht so feige, keine Ahnung, was vor sich ging.

„Heute noch oder wie?“. Bella stupste kichernd gegen meinen Oberarm und holte mich nun endgültig in die Gegenwart zurück. Dieses Kichern von meiner Frau vermittelte mir ein warmes Gefühl, und ich lächelte sie an. Zu lange hatte ich es nicht mehr gehört.

„Tut mir leid, lass uns fahren“. Sie hakte ihren Arm in meinen, und gemeinsam verließen wir das Haus. Die Nächte waren bereits ziemlich kühl, dennoch verzichteten wir auf Jacken oder Mäntel, da wir uns ohnehin nicht lange im Freien aufhalten würden, und  wenige Sekunden später machten wir uns auf den Weg.

Bella wusste nach wie vor nicht, wohin ich sie ausführen würde, was auch nichts zur Sache tat. Ich würde ihr diesen Abend so oder so verderben. Gott, es tat mir irgendwie so leid.

Die Fahrt war schweigsam und lang. Bereits in Forks hatte Bella demonstrativ das Radio eingeschaltet, summte hin und wieder leise mit und starrte regungslos auf die Straße. Manchmal drehte sie ihren Kopf auch nach rechts und schaute aus dem Seitenfenster, doch ganz egal, wohin sie sah – sie sagte kein Wort. Nachdem allerdings auch ich nicht sprach, war ich regelrecht froh, als wir endlich in Seattle angekommen waren. Ein paar Minuten suchte ich nach einem Parkplatz, hatte dann allerdings das Glück, dass unmittelbar vor dem Restaurant einer frei geworden war.

Kurz darauf standen wir im Lokal, und ich betrachtete aufmerksam Bellas Gesicht. Ein wundervolles Lächeln zeigte mir, dass es ihr hier gefiel, und irgendwie freute mich das. Auch, wenn ich wusste, dass dies nicht unbedingt der schönste Geburtstag ihres Lebens werden würde, so konnte ich wenigstens davon ausgehen, dass sie sich hier wohl fühlte. Mein wunderschönes, junges Mädchen.

Die Empfangsdame brachte uns zu einem ziemlich versteckten Tisch, den ich reservieren ließ, bevor diese wahnsinnige Verwirrung in mir ausgebrochen war. Leider Gottes war aber der Zweck desselben nun ein anderer. Nicht liebevolle Zärtlichkeiten, sondern Ruhe für ein klärendes Gespräch – das machte nun diese Reservierung aus. Fein.

Das erste Indiz für unser Gefühlschaos war schon mal die Tatsache, dass Bella mir gegenüber Platz genommen hatte und nicht neben mir saß. In diesem Moment wurde mir bewusst, dass unsere Ehe beendet war, und eine tiefe Beklemmung erdrückte mein Herz.

Ich bestellte bei der Bedienung eine Flasche Champagner, da ich trotz allem den Geburtstag meiner Frau feiern wollte, und dankbar lächelte sie mich an. Überraschend schnell verschwanden die ersten zwei Gläser in ihrer Kehle, kaum dass die Kellnerin das prickelnde Getränk zu uns gebracht hatte. Wollte sie sich betrinken? War das ihr Plan?

„Was hast du vor, Bella? Brauchst du einen entsprechenden Alkoholpegel, um mit mir reden zu können? Ist es so schlimm?“, platzte es aus mir heraus, während sie nach der Flasche griff und sich zum dritten Mal hintereinander das Glas füllen wollte.

„Sag du es mir“, erwiderte sie leise. „Ich versuche seit Tagen, mit dir zu sprechen, aber du blockst entweder ab oder bist gar nicht da. Also – sag mir, was ICH davon halten soll“.

„Ich weiß, dass du recht hast“, gab ich seufzend zu und schaute in ihr trauriges Gesicht, „Aber nun bin ich da, Bella. Es tut mir sehr leid, dass ausgerechnet dein Geburtstag dafür herhalten muss, dieses Gespräch stattfinden zu lassen, aber es ist … nun, ich kann nicht mehr. Irgendetwas hat sich zwischen uns verändert, und ich weiß nicht genau, was. Dennoch hab ich tief in mir das Gefühl, dass Edward dahintersteckt. Ist es so?“, sagte ich immer leiser werdend und beobachtete dabei ganz genau Bellas Gesicht. Ihre Wangen waren vor meiner Ansprache vom Alkohol und der angenehmen Wärme im Restaurant leicht gerötet, doch nun war sie totenblass. Sie sackte in ihrem Stuhl förmlich zusammen, und ihre Augen wurden leer. Seufzend senkte sie den Blick, starrte Löcher in die blutrote Tischdecke und fummelte nervös an ihren Fingern herum.

„Ja“, hauchte sie. Sonst nichts.

Mein Herz krampfte sich augenblicklich zusammen, ich hatte also recht. Verdammt, ich habs gewusst. Mein eigener Sohn hatte sich an meine Frau rangemacht, und ich Idiot hab sie noch in seine Fänge getrieben, ihn gebeten, sie nicht in diesem großen Haus allein zu lassen, während ich nach New York musste. Oh mein Gott, es war auch meine Schuld, natürlich war es das.

ICH war es, der Bella eine Woche allein gelassen und Edward darum gebeten hat, sich um sie zu kümmern.

ICH bemühte mich ständig darum, dass sie mehr Zeit mit ihm verbringen sollte, damit sie sich an einander gewöhnen könnten.

ICH habe mich darüber gefreut, als Jasper meine Frau zu dieser Party eingeladen hat. Moment mal … diese Party …

Ein grobes Zucken schoss durch meinen Körper, als mir einfiel, dass Bella nach dieser Party die Nacht bei den Jungs …. Gott, sie hatte doch nicht...

„Bitte, Carlisle … sag was“, unterbrach sie meinen niederschmetternden Gedankengang, und ein kehliges Keuchen kam über meine zitternden Lippen. Was genau sollte ich nun sagen? Tief in mir begann alles zu brodeln, ich fühlte mich wie ein Vulkan, der kurz vor dem Ausbruch war. Obwohl ich unendlich wütend war, mischte sich unter die glühend heiße Lava ein kleines Bisschen eiskalte Schuld.

Ich suchte Bellas Blick und traf auf zwei wunderschöne, aber tränennasse Augen, die starr auf mich gerichtet waren und wortlos darauf warteten, dass ich etwas sagte, doch ich konnte nicht. Ich wusste genau, was ich sie fragen wollte, aber die Angst vor ihrer Antwort war zu groß. Viel zu groß.

Zitternd griff ich zu meinem Glas, führte es an meine trockenen Lippen und kippte dessen Inhalt auf Ex in meine Kehle. Hinterher goss ich mir gleich noch eines ein und wiederholte die Prozedur. Bellas leere und trübe Augen wurden immer größer, als sie mich dabei beobachtete, wie ich mich nun betrank, doch nach ein paar wortlosen Minuten sammelte sich die alkoholbedingte Wärme in meinem Bauch und ich atmete erst mal tief durch.

„Hast du ...“, begann ich leise mit der ultimativen Frage und schloss die Augen, um mich ein wenig zu beruhigen, doch es gelang mir nicht. Wieder füllte ich meine Lungen mit frischer Luft, sackte leicht zusammen und fuhr fort. „Bella, die Party von Edward und Jasper … in deren Appartement, du weißt schon“. Ich sah sie an und bemerkte mit Entsetzen, dass sie noch eine Nuance blasser wurde, als sie es ohnehin schon war. Sie nickte. „Hast du … im Zuge dieser Party...“, mein Herz raste und ich bekam kaum noch Luft, „...mit Edward geschlafen?“

So, nun war es also raus. Ich schaute sie an. Sie schaute mich an. Tränen sprudelten wie kleine, funkelnde Wasserfälle aus ihren Augen und ihre Lippen bebten, als sie sich für ein einziges Wort teilten.

„Ja“.

Ein kleines, beschissenes Wort, welches mir einen Dolch ins Herz rammte, ihn in meinen Eingeweiden immer wieder drehte, und mir das Atmen für einen Augenblick unmöglich machte.

Mit einem tiefen Keuchen stützte ich meine Ellenbogen auf den Tisch, wischte mit den Händen grob über mein Gesicht und vergrub es anschließend dahinter. Ich wollte meine Frau nicht mehr sehen. Meine Frau …

„Liebst du ihn?“, nuschelte ich gegen meine Handflächen. Jetzt war ohnehin schon alles egal.

„Ja“.

Bella sackte nach dem dritten 'Ja' bitterlich weinend in ihrem Stuhl zusammen, während sich in mir eine Kälte ausbreitete, die ich in dieser Form noch nicht kannte. Es war vorbei. Die Frau, die ich vor nicht einmal einem Monat geheiratet hatte, liebte meinen Sohn. Oh mein Gott...

Während ich im Geiste dabei war, einen Schutzwall aus eiskaltem Stein um mein Herz aufzuziehen, hörte ich aus dem hinteren Bereich des Lokales laute Stimmen, und es hörte sich so an, als würde eine Frau jemanden wutentbrannt beschimpfen. Was war da los? Eine Schlägerei? Plötzlich regte sich der Arzt in mir und ich erhob mich, um zu sehen, was vor sich ging. Vielleicht brauchte ja jemand meine Hilfe?

Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, bahnte ich mir einen Weg durch unzählige Tische und hörte eine mir irgendwie bekannte weibliche Stimme, die gerade „DU MIESES, DRECKIGES SCHWEIN!!“ durch das Restaurant brüllte, und als ich am Ort des Geschehens war, gefror das Blut in meinen Adern. Die Kälte, die ich gerade noch neben Bella verspürte, war nichts gegen die, die nun durch meine Adern kroch.

Esme. Es war tatsächlich meine Esme, die schrie und den sitzenden Mann offensichtlich geschlagen hatte, denn seine Wange war gerötet und man konnte Fingerabdrücke darauf sehen.

„Um Gottes Willen, was ist hier los??“, rief ich laut, und alle verstummten. Die Köpfe sämtlicher Beteiligten schossen in meine Richtung, und dann registrierte ich erst, was vor sich ging. Esme weinte, zitterte vor Wut. Jasper stand beschützerisch unmittelbar hinter ihr, und Edward stand nahe an einer anderen Frau, die ich nicht kannte.

Die Ereignisse überschlugen sich ab sofort. Bella war mir scheinbar gefolgt, schaute erschrocken zu Edward. Jaspers Blick schoss zwischen Bella, Edward und mir hin und her, Esme starrte mich an und ich versank augenblicklich in ihren verweinten, aber dennoch wunderschönen Augen. Langsam, fast schüchtern, kam sie auf mich zu, legte vorsichtig ihre Arme um meinen Hals und begann, bitterlich zu weinen.

„Carlisle“, flüsterte sie zitternd an meinem Hals, während ich sie tröstend an mich zog und meine Nase in ihrem duftenden Haar vergrub. Plötzlich verdrängte eine wundervolle, altbekannte Wärme die Kälte in meinem Leib. Es war wie früher, so, als wäre ich wieder daheim. Alles um uns herum verschwand, da waren nur sie und ich. Meine Esme.

„Es ist alles gut, Liebes, ich bin bei dir. Shhh...“, sagte ich leise und streichelte über ihr Haar. Ein Keuchen holte mich in die Realität zurück, und als ich in die Richtung sah, aus der es kam, schaute ich in das überraschte Gesicht meiner Frau.

„Liebes...?“, flüsterte Bella und schüttelte ganz leicht den Kopf.

Verdammt, ja, so hatte ich gerade meine Ex-Frau genannt. Na und? Es ging ihr offensichtlich sehr schlecht, und es war mein gutes Recht, sie zu trösten. Wo lag das Problem?

„Was ist denn überhaupt passiert?“, fragte ich nun, um von dieser seltsamen Situation ein wenig abzulenken, schob Esme ein Stück von mir weg und schaute sie an. Bevor sie etwas sagen konnte, stand der Typ, den sie vermutlich geschlagen hatte auf, fuhr sich nervös durchs Haar und wich ein paar Schritte zurück. Eine Sekunde später sprang Edward mit einem Satz auf ihn zu, packte ihn an seiner Krawatte und drehte den Inhalt seiner Faust ein bisschen nach rechts, bis sein Opfer aus Luftmangel keuchte. „Verschwinde“, fauchte mein Sohn und funkelte den Typ dermaßen zornig an, dass ich richtig Angst vor ihm bekam.

Dann kam eine kleine Asiatin hektisch angerannt und ersuchte uns alle, entweder ruhig zu sein, oder das Lokal zu verlassen. Die anderen Gäste fühlten sich durch unseren Wirbel gestört, und unser Verhalten wäre geschäftsschädigend. Verdammt, sie hatte recht, daran hatte ich noch gar nicht gedacht.

Edward dachte allerdings nicht daran, von diesem perfekt gestylten Mann abzulassen, und dann sah ich Bella, die langsam auf ihn zuging, eine Hand an seine Wange legte und leise mit ihm sprach. Sofort ließ er den Typen los, der keuchend zusammensackte, und den Blick, mit dem Edward Bella nun bedachte, werde ich nie wieder vergessen. Er liebte sie. Abgöttisch. Es war vorbei. Aus und vorbei. Dennoch fühlte ich mich so gut mit Esme, die nach wie vor weinte und sich schluchzend wieder an meine Brust kuschelte.

„Elena, bitte...“, sagte plötzlich der Typ, rappelte sich hoch und streckte seine Hand nach der anderen Frau, doch diese wich sofort zurück. Er holte zwei Schritte auf und packte sie am Arm. „FASS...“, zischte sie laut, riss sich mit einem Ruck von ihm los und fauchte leise weiter, „...mich nicht an. Verschwinde aus meinem Leben, Paolo. Ich wünschte, ich hätte dich niemals getroffen, du verdammtes Schwein. Werde glücklich mit deinen Schlampen, aber LASS.MICH.IN.RUHE“ Dann holte sie tief Luft, schloss kurz die Augen, öffnete sie wieder und schaute ihn eiskalt an. „Du hörst von meinem Anwalt“.

Sie verabschiedete sich herzlich von Edward und Jasper und dankte ihnen tausend Mal für ihre Hilfe. Langsam kam sie auf uns zu, blieb unmittelbar neben Esme stehen und legte eine zitternde Hand auf ihren Oberarm. „Es tut mir so leid“, sagte sie leise, senkte beschämt den Blick, vergoss noch ein paar Tränen und verließ das Lokal.

Oh mein Gott, und nun realisierte ich erst, was hier vor sich ging. Dieser Paolo war scheinbar Esmes Verlobter, und diejenige, die gerade das Restaurant verließ, war seine Frau. Zur Hölle, was für ein Schwein!! Ich musste mich wirklich schwer beherrschen, um ihm nicht seine miese Visage blutig zu schlagen, doch dafür hätte ich Esme loslassen müssen, und das wollte ich nicht. Aber Moment mal …

Ganz langsam sickerten die Informationen in meinen Verstand, und ganz langsam machte es 'Klick‘. Wenn ich das soeben Erlebte richtig interpretiert hatte, war Esme also wieder frei. Nicht mehr verlobt, sondern frei. Mein Herz raste und stolperte förmlich vor Freude, gefror jedoch sofort wieder zu Eis, als ich Edward und Bella beobachtete. Sie weinte, und er hielt sie im Arm. Genau so, wie ich es mit Esme tat.

Gott, was war hier los? Mein Sohn kuschelte mit meiner weinenden Frau, und ich kuschelte mit meiner weinenden Ex-Frau??

Plötzlich traf mich die Realität mit der Wucht einer Abrissbirne. Es bahnte sich eine Katastrophe an, und ich stand mitten drin. Was genau sollte ich nun tun? Ich wusste nur, dass ich mich von einer Sekunde auf die andere furchtbar schlecht fühlte. Alles lief irgendwie falsch, obwohl es sich so richtig anfühlte, und ich war nur noch verwirrt. Mit einem leeren Blick schaute ich durch die Runde.

Paolo saß mittlerweile wieder käsebleich auf seinem Stuhl und starrte vor sich hin.

Jasper bewegte sich keinen Millimeter, nur seine Augen blitzten zwischen Edward, Bella, Esme und mir hin und her.

Meine Frau schmiegte sich nach wie vor an meinen Sohn und kuschelte  sich gerade weinend an seinen Hals. Dann geschah, was ich bis jetzt tunlichst vermieden hatte. Meine Augen trafen auf seine, und mein Herzschlag setzte aus.

'Bitte verzeih mir', schienen sie zu sagen, und augenblicklich fühlte ich so einen heftigen Schmerz tief in meinem Inneren, dass ich keuchend zusammen zuckte und Esme von mir drängte, als hätte sie mir einen Stromschlag verpasst. All das, was in der letzten halben Stunde vorgefallen war, fühlte sich plötzlich so unwirklich an. Es war, als wäre ich gerade aus einem schrecklichen Alptraum erwacht. Die verschiedensten Gefühle tobten in mir. Liebe, Hass, Schmerz, Neid, Freude, Mitleid, Verständnis, Schuld und Wut … verdammt, ich konnte nicht mehr. Mir war übel und mein Kopf begann, heftig zu pochen. Ich musste hier weg. Sofort.

Taumelnd und gottverdammt schwach stolperte ich zur Theke, legte 150 Dollar auf den Tresen und wackelte bedrohlich zur Tür.

„Dad!! Warte!“, hörte ich hinter mir, doch rasch verließ ich das Lokal. Verdammt, ich musste, denn ich hatte den Eindruck, als müsste ich ersticken, als müsste ich … sterben.

„Verflucht nochmal, so bleib doch stehen!“. Jasper packte mich grob am Arm und riss mich ein Stück zurück. „Hey, du glaubst doch nicht wirklich, dass ich dich in diesem Zustand Autofahren lasse?“, schnappte er, fixierte mich besorgt und legte seine Hände auf meine Schultern.

„Es ist vorbei“, seufzte ich, nicht wissend, was ich sonst noch sagen sollte.

„Tut mir leid, Dad. Es tut mir so leid“, erwiderte er, und meine letzten noch intakten Gehirnwindungen begannen zu rattern.

„Du … du wusstest davon? Von Edward und … Bella?“.

Jasper sah mich an. Er sagte kein Wort, doch ein seltsames Zucken huschte über sein Gesicht, während er nach den passenden Worten suchend seine Augen zusammenkniff. Diese Beobachtung nahm etwa fünf Sekunden in Anspruch, doch das reichte mir. Ich brauchte keine Antwort mehr.

Ohne ein weiteres Wort zu verlieren drehte ich mich um und ging weg.

Mein Sohn folgte mir nicht.


BellaPOV


„Wer sind Sie?“, fragte mich Mrs. Cullen, nachdem Carlisle das Restaurant verlassen und Jasper hinter ihm her gerannt war. Ich war mir sicher, dass sie die Antwort  bereits kannte, und dennoch stellte ich mich vor. Sie wollte es so.

„Isabella Cullen, Carlisles Frau“. Keineswegs stolz, sondern beschämt schloss ich die Augen und senkte ich den Kopf.

„Mom?“, sagte Edward plötzlich mit einem sehr besorgten Ton in der Stimme. „MOM?? Fuck!!“. Innerhalb einer Sekunde schupste er mich sanft zur Seite und schoss zu seiner Mutter, die gerade ohnmächtig wurde und blass wie eine Leiche in sich zusammen fiel.

Die kleine Asiatin, die uns schon vorhin bat, das Lokal zu verlassen, schoss nun total aufgelöst hin und her und holte ein Glas Wasser, nachdem Edward das lautstark von ihr gefordert hatte.

„Das war wohl alles etwas viel für sie“, murmelte mein Liebster traurig und mit einem Anflug von Schuld vor sich hin und nahm der besorgten Kellnerin das Glas aus der Hand. „Hey...“, redete er leise auf seine Mutter ein, „....alles ist gut. Es ist vorbei. Komm wieder zurück, Mom, alles ist gut“, wiederholte er und streichelte sanft über ihr Haar.

Wenige Sekunden darauf öffnete sie träge ihre Augen und stöhnte Edward verzweifelt an. „Wo ist er?“, wollte sie wissen und sah sich panisch um.

„Hier bin ich, Liebes“, säuselte Paolo und ich dachte, ich wär im falschen Film.

„Ich würde sagen, Sie gehen jetzt, bevor ich mich vergesse und ihre dämliche Visage zu Brei verarbeite“, zischte Edward nach wie vor mit seiner Mutter in den Armen am Boden hockend und ihr gerade das Glas an die Lippen führend.

„Carlisle. Wo ist Carlisle“, stammelte Mrs. Cullen betäubt und suchte nach ihm, bevor sie endlich einen Schluck Wasser zu sich nahm.

„Aber Schatz...“, versuchte es dieser Vollarsch erneut, doch dann war es genug.

„Raus!“, fauchte ich voll im Bewusstsein, dass ich mich hier überhaupt nicht einmischen sollte, doch dieser Typ machte mich krank. Er wendete seinen Blick daraufhin von seiner Ex-Verlobten ab und funkelte mich zornig an. „Halten Sie sich da mal raus, das alles geht Sie nichts an“.

„Sie wohl auch nicht mehr“, knurrte ich zurück, „also raus!“.

Edward beobachtete mit einem ganz leichten Schmunzeln unseren Schlagabtausch, sagte jedoch nichts dazu, da er nun liebevoll über das Gesicht seiner Mutter streichelte, welches gerade endlich wieder ein wenig Farbe bekam.

„Esme, Schatz, ich bitte dich, gib mir noch eine...“.

„RAUS!!!“, schrie ich nun so laut, dass jegliches Gespräch im Lokal verstummte und sämtliche Köpfe in unsere Richtung flogen. Die anwesenden Personen haben die Vorkommnisse der letzten Minuten auf eine sehr höfliche Art und Weise ignoriert, aber nun war es wohl doch zu viel.

Vollarsch hob endlich kapitulierend die Hände und ging verkehrt Richtung Tür. „Ich ruf dich an“, hauchte er Richtung Esme, diese erhob sich jedoch ein wenig, richtete ihre müden Augen auf ihn und schaffte es tatsächlich, ein kleines, aber gottverdammt freches Grinsen auf ihre Lippen zu zaubern. „Dann leg ich mir eine neue Handy-Nummer zu“, schnappte sie zurück und sank wieder in Edwards Arme, der sie liebevoll an sich zog.

Paolo seufzte tief und furchtbar theatralisch auf, drehte sich um und verließ die Augen verdrehend das Lokal.

„Wieder gut?“, seufzte die kleine Asiatin neben Edward und seiner Mum und fragte, ob sie einen Arzt holen sollte, doch Esme richtete sich mühevoll auf und setzte sich auf einen Stuhl.

„Nein, danke. Es geht schon wieder“, sagte sie leise und schwach, aber sie schien sich langsam wieder zu beruhigen, und die Blässe wich Gott sei Dank aus ihrem Gesicht. Edward setzte sich neben sie und zog mich auf seinen Schoß. Das allerdings machte Esme wieder blass.

„Was … Herrgott, was geht hier vor? Kann mir das mal jemand erklären? Ich dachte, Sie wären die Frau, die Carlisle vor einem Monat geheiratet hat, und nun sitzen Sie auf dem Schoß meines Sohnes? Was genau versteh ich hier nicht?“, brummte sie ständig zwischen mir und Edward hin und her blickend und rieb sich ununterbrochen stöhnend die Schläfen.

„Glaub mir, Mom, das willst du nicht wissen. Ich denke, wir werden bezahlen und das Restaurant verlassen. Am besten wird sein, wenn wir alle eine Nacht drüber schlafen und morgen von vorne beginnen. Ich bin selber so verwirrt, dass ich kaum noch klar denken kann“, schlug mein Süßer vor. „Gute Idee“, stimmte ich ihm zu und machte einen großen Fehler. Ich drückte ihm einen zarten Kuss auf den Mund.

„Woah, nun ist aber genug. Ich … nein, also das … oh mein Gott, ich dreh durch“, stammelte Esme, stand auf, drehte sich um und knallte gegen Jazz, der plötzlich hinter ihr stand. „Wo kommst du denn auf einmal her? Ich dachte, du wärst mit Carlisle ...“, dann stoppte sie, seufzte leise und bekam einen glasigen Blick. Verträumt starrte sie Löcher in die Luft, und ein kleines Lächeln huschte über ihr Gesicht.

Nun wurde mir etwas klar. Diese Frau liebte meinen Mann. Noch immer oder schon wieder … egal, aber ich war mir sicher, dass ich richtig lag. Ach du heilige Scheiße, schön langsam wuchs auch mir alles über den Kopf.

Abgesehen davon – wo sollte ich hin? Fest stand, dass ich auf keinen Fall nach Forks fahren wollte. Natürlich war zwischen Carlisle und mir längst nicht alles besprochen, dennoch hatte ich heute nicht mehr die Kraft, ihm in die Augen zu sehen. Ich konnte einfach nicht.

„Jasper?“. Fast ein wenig erschrocken riss ich nun meinen Kopf zu Esme, die völlig außer Kontrolle war. Sie zitterte, schlang sich die Arme um den Oberkörper, und sie weinte. „Was ist mit dir?“

Jazz stand nach wie vor regungslos vor ihr und richtete seinen Blick auf Edward, der mich nun fest an sich zog und vermutlich wusste, was jetzt kam. Er hielt die Luft an und versteckte sich förmlich in meinem Haar.

„Er hasst mich“, flüsterte Jasper. Edward stieß mit einem leisen „Fuck“ die angehaltene Luft gegen meinen Hals und schaute seinen Bruder an. „Tut mir leid, Man“.

„Wo ist er?“, schaltete sich nun wieder Esme ein und fixierte ihren jüngeren Sohn, der sich auf den Stuhl neben ihr sinken ließ und tief seufzte. „Ich wollte ihn davon abhalten, in seinem Zustand Auto zu fahren, doch als klar war, dass ich von Edward und Bella wusste, ließ er mich einfach stehen und ging weg. Keine Ahnung, wo er ist“. Jazz zuckte mit den Schultern und sackte vollkommen in sich zusammen.

„Oh mein Gott, hoffentlich ist ihm nichts zugestoßen“, stieß Esme besorgt aus und drückte sich keuchend eine Hand auf den Mund. „Wir müssen nach ihm suchen, ich könnte es nicht ertragen, wenn...“. Erschrocken hielt sie inne, und ihr Kopf flog zu mir. Nun war ich mir sicher. Sie liebte ihn.

„Ich denke, wir kommen heute nicht mehr auf einen grünen Zweig. Bitte...“, sprach ich leise und richtete mich nun flehend an die Ex-Frau meines Mannes, „...Ich bitte Sie … Rufen Sie Carlisle an und vergewissern Sie sich, dass alles in Ordnung ist. Ich bin mir ziemlich sicher, dass Sie die Einzige sind, mit der er jetzt sprechen würde. Bitte...“. Meine Stimme wurde leiser, der Tonfall immer trauriger, und irgendwie hatte ich das Gefühl, selber bald zusammenzubrechen.

„Ja. Das wird wohl das Beste sein“, nuschelte sie in meine Richtung und schaute mich für ein paar Sekunden an. Ihr Blick war seltsam, und in ihren Augen funkelten sie verschiedensten Gefühle um die Wette. Es wirkte, als hätte sie keine Ahnung, wie sie mit mir umgehen sollte. Immer wieder sah ich Hass und Neid, dennoch schien sie ein Fünkchen Sympathie für mich zu empfinden, ich konnte es deutlich sehen.

Leise und besorgt vor sich hin flüsternd kramte sie nach ihrem Handy und wählte die Nummer ihres Ex-Mannes, doch er meldete sich nicht. Verdammt, ich machte mir wirklich große Sorgen und überlegte gerade intensiv, wo er stecken könnte, bis eine ältere Dame zu uns kam und mir mit einem schüchternen Lächeln etwas Schwarzes in die Hand drückte. „Kann es sein, dass das Ihnen gehört?“, fragte sie und ich beantwortete ihre Frage mit einem gezischten „Scheiße“. Meine Augen entsetzt auf Carlisles Handy richtend entschuldigte ich mich jedoch sofort, bedankte mich, und sie ging zurück an ihren Tisch.

„Fuck, und jetzt?“, warf Edward ein, doch niemand wusste Rat.

„Sein Auto ist weg. Er ist auf alle Fälle losgefahren, nur weiß ich nicht, wohin“, vermeldete Jazz.

„Irgendjemand von uns muss nach Forks. Vielleicht ist er auf dem Weg nach Hause, und alles ist in Ordnung. Naja, mehr oder weniger…“, murmelte Esme und musterte mich immer wieder mit diesem seltsamen Blick. Die Verwirrung stand ihr nach wie vor ins Gesicht geschrieben, doch die Sorge um Carlisle war offensichtlich größer als der Drang, hier endlich die volle Wahrheit zu erfahren.

„Er hasst uns“, sagte Jasper und sah mich an. Dann richtete er seinen Blick auf Edward und senkte den Kopf. „Ich bin mir sicher, dass er weder Bella, noch Edward oder mich sehen möchte. Mom, du bist die Einzige, die uns helfen kann“. Ein Hauch von Zuversicht huschte in diesem Moment über ihr Gesicht, begleitet von einem zarten Lächeln.

„Okay“, sagte sie leise und stand auf. „Ich werde mir ein Taxi rufen, nach Forks fahren und nach ihm sehen“.

„Aber Mom, das ist viel zu teu…“, widersprach ihr Edward, doch sie hob sofort die Hand, um seinen Einwand zu stoppen. „Das ist es mir wert. Macht euch um mich keine Gedanken“. Sie war bereits auf dem Weg zur Tür, als sie plötzlich stehen blieb und wieder zu uns kam.

„Edward, Jasper…“. Esme schloss kurz die Augen, atmete tief durch, öffnete sie wieder, und ich sah, dass Tränen an ihren Wimpern glitzerten. „Es tut mir so leid. Die Liebe zu Paolo hat mich wohl blind gemacht, und ich habe sie tatsächlich über euch gestellt. Wie konnte ich nur? Was bin ich bloß für eine Mutter?“.

„Mom, bitte, du musst doch nicht…“

„Nein, Edward. Ich hätte niemals an euch zweifeln dürfen, aber ich war so … gefangen in diesem Netz aus Liebe und einer beinahe vergessenen Leidenschaft, dass ich ihm alles glaubte, was er sagte. Verdammt, er hat mir von früh bis spät nichts als Lügen aufgetischt, und wahrscheinlich hat er mich … nie geliebt“. Ein leises Schluchzen drang über ihre Lippen, während unzählige Tränen über ihre Wangen rollten und unaufhörlich von ihrem Kinn tropften.

„Ich denke schon, dass er Sie geliebt hat“, erwiderte ich nun zaghaft, „aber vielleicht war ihm … eine Frau nicht genug“. Meine Hände ballten sich zu Fäusten, als mir bewusst wurde, was ich da sprach. Ich war doch einen Dreck besser, auch mir war ein Mann nicht genug…oh mein Gott.

Esme, Edward und Jasper schauten mich groß an und sagten kein Wort, als ich eine seltsame Übelkeit verspürte und das Gefühl hatte, nicht mehr atmen zu können. Ich sprang von Edwards Schoß und wollte flüchten, allerdings hatte ich keine Ahnung, wohin. Mir wurde schwindelig, doch ich lehnte mich gerade noch im rechten Moment gegen den Tisch. Meine Hände vors Gesicht schlagend versuchte ich, mich wieder zu beruhigen, aber  es gelang mir nicht.

„Baby, tu das nicht“, hörte ich plötzlich Edwards leises Flüstern an meinem Ohr. Etwas verwirrt und ratlos sah ich in seine warmen, grünen Augen, die mir mit so viel Liebe entgegen strahlten, dass mein Herz für einen Moment seinen Dienst verweigerte. „Was?“

„Du stellst dich gerade auf eine Stufe mit Paolo. Bitte hör auf damit. Dieser Typ ist ein mieses Schwein, wollte sich auf Kosten meiner Mom einen gemütlichen Lebensabend in Seattle verschaffen. Er ist ein Heiratsschwindler, Liebes. Ein Verbrecher. Und er hat meine Mutter wohl nie geliebt“, flüsterte er sehr leise, damit Esme es nicht hören konnte. „Ich weiß, dass du Dad liebst, du hast es nie böse gemeint, konntest nur mit deinen Gefühlen nicht umgehen und sie vor allem nicht richtig zuordnen“. Er schaute mich abschätzend an. Fast ein bisschen ängstlich war der Ausdruck in seinen Augen, da er mich mit seinen Worten nicht verletzen wollte, doch er hatte recht. Fast.

„In einem Punkt muss ich dir widersprechen“, sagte ich leise, und er runzelte die Stirn. „Ich HABE Carlisle geliebt, Edward. Es ist vorbei. Ich weiß nun, dass es die Sehnsucht nach Charlie war, die mich in seine Arme getrieben hat. Es war so falsch, so gottverdammt falsch, aber ich verfiel immer wieder in eine unheimliche Panik, allein zu sein. Deshalb brauchte ich ihn so sehr, doch die Motive waren einfach nicht die richtigen, verstehst du? Heute weiß ich, dass ich so viele Fehler gemacht habe, aber hättest du bloß einmal gesagt, dass du mich liebst, wäre das alles nicht passiert“.

Seufzend legte ich meine Hände an seine Wangen und streichelte mit den Daumen über seinen leicht geöffneten Mund. „Drei kleine Worte, Edward. Drei beschissene, kleine Worte. Wären sie bloß ein einziges Mal über deine wundervollen Lippen gekommen …“, und dann küsste ich ihn. Sanft und zärtlich, mit all der Liebe, die ich für ihn empfand.

„Und warum hast du sie nicht ausgesprochen? Diese drei beschissenen, kleinen Worte?“, wollte er wissen, nachdem wir den Kuss beendet hatten und ich mich gerade wieder an ihn schmiegen wollte. Er sah mich eindringlich und todernst an, doch sein Blick wurde sofort wieder weich. „Ich weiß, dass du dasselbe fühltest wie ich, also – warum?“

„Ich weiß es nicht, wahrscheinlich hatte ich Angst vor den Konsequenzen. Verdammt, Edward, wir haben so vieles falsch gemacht und hätten all das verhindern können, wenn wir von Anfang an zu unseren Gefühlen gestanden wären und…“.

„Shhh … es ist in Ordnung, Liebes. Hinterher ist man doch immer klüger, oder?“, unterbrach er meinen vorwurfsvollen Gedankengang und drückte seine Lippen zart und liebevoll auf meine.

„Woah, nun ist es aber wirklich genug“, unterbrach Esme unseren zweiten Kuss. Den ersten hatte sie vermutlich nicht bemerkt. Leicht verlegen trennten wir uns, und als ich mich zu ihr drehte, fühlte ich die Röte in meinem Gesicht.

„So, meine Lieben, ich geh dann mal…“, sagte Mrs. Cullen, fixierte mich wieder mit diesem seltsamen Blick und schüttelte den Kopf. Dann   hauchte sie ihren Jungs einen Kuss auf die Wange und lächelte sie an. „Danke“, sagte sie leise, drehte sich zu mir und wurde ernst.

„Was auch immer hier vor sich geht, ich kann es nicht verstehen. Sie sind die Frau meines Ex-Mannes und küssen meinen Sohn. Es ist … Gott, ich bin so verwirrt. Dennoch hab ich das Gefühl, dass wir uns wiedersehen“. Ein klitzekleines, kaum merkbares Lächeln huschte über ihr Gesicht, bevor sie kurz zu Edward schaute, sich umdrehte und ging.

„Darf ich Ihnen noch etwas zu trinken bringen?“, fragte eine schweigsame Minute später die kleine Asiatin neben uns, und wie auf Kommando schüttelten wir alle drei den Kopf.

„Vielen Dank, aber nein. Bitte schreiben Sie alles, was noch offen ist, auf eine Rechnung, ja?“, bat Edward, und mit einem zufriedenen Nicken ließ sie uns wieder allein. Natürlich war sie zufrieden, dass wir gingen. Dieser Abend war dann doch etwas anstrengend und naja … außergewöhnlich für sie.

Seit wir nur noch zu dritt im Restaurant saßen, fühlte ich mich wesentlich besser als zuvor. Es war, als wäre eine riesige Last von meinen Schultern gefallen, als ich mich ganz nah an Edward kuschelte und seufzend seine Nähe genoss. Kurz darauf fiel mir wieder ein, dass ich nicht nach Forks zurück könnte und nichts bei mir hatte, als das Kleid, das ich trug.

„Du bleibst heute bei mir“, sagte der Mann meiner Träume plötzlich leise. Fuck, konnte er meine Gedanken lesen, oder wie? Ich keuchte auf und starrte ihn entgeistert an. Er runzelte die Stirn und starrte zurück. „Was?!“

„Sag mal, liest du Gedanken oder sowas?“. Er lächelte mich an und schüttelte den Kopf. „Nein, aber mir ist gerade eben eingefallen, dass du wohl kaum nach Forks fahren wirst. Also bleibst du bei mir, das ist doch klar“. Er drückte einen zärtlichen Kuss auf meine Lippen, streichelte über mein Gesicht und … verdammt, er strahlte vor Liebe, Zuversicht und Glück. „Wenn du es willst, kannst du für immer bei mir bleiben“. Und ich heulte schon wieder.

„Ja, ich will“, erwiderte ich zweideutig, und plötzlich mussten wir lachen. Minutenlang lachten Edward, Jazz und ich uns den Kummer, den Frust und die Verwirrung von der Seele. Jasper schickte Alice eine SMS und bat sie, die Nacht mit ihm zu verbringen, sie sagte natürlich zu (A/N: Sorry, Schatz --> B/N: Katrins innere Stimme: „Alles wird gut, Katrin. Beruhige dich. Hol einmal tief Luft und atme sie langsam wieder aus. Elke will dich bloß ärgern. Sie meint es nicht so.“ Katrin: „Ach halt doch deine Klappe. Ich ruf jetzt den PMW an und besorg mir eine Waffe. Alice wird schon sehen, was sie davon hat, wenn sie sich an MEINEN Mann ranmacht.“).

Nachdem die Jungs zweihundert Dollar für Esmes und Paolos nicht konsumiertes Essen bezahlt hatten und Carlisle hundertfünfzig Dollar hinterließ, war natürlich nichts mehr zu bezahlen. Ganz im Gegenteil. Eigentlich hätten die beiden einen nicht unerheblichen Betrag zurück bekommen, doch sie bestanden darauf, dass dieses Geld unter den leidgeprüften Angestellten aufgeteilt werden sollte.

Kurz darauf entschuldigten wir uns zum tausendsten Mal für den chaotischen Abend, wurden von drei breit grinsenden Asiaten verabschiedet  und verließen zu dritt das Lokal.



Bis drei Uhr morgens saßen wir noch kuschelnd im Wohnzimmer beisammen, feierten noch heftig meinen Geburtstag, erzählten Alice von dem, was vorgefallen war und lachten uns beinahe tot wegen ihres ersten Kommentars, nachdem die Schilderungen fürs Erste beendet waren. „Fuck, das hört sich nach Arbeit an“, knurrte unsere herzallerliebste Scheidungsanwältin, doch als die erste Lachattacke überwunden war, fiel mir erst auf, worum es hier ging. Verdammt ja, sie hatte recht. Mir stand eine Scheidung ins Haus…

Scheinbar blieb Alice nicht verborgen, dass sich meine Stimmung geändert hatte, denn sofort stand sie auf und kniete sich vor mich hin. „Hey, Liebes, tut mir leid. Ich wollte dich nicht traurig machen, es ist nur…“

„Schon okay, du hast ja recht“, unterbrach ich sie. „Natürlich werden Carlisle und ich uns scheiden lassen, aber ich hoffe doch, dass wir keine Anwälte brauchen werden, und das unter uns ausmachen können“. Seufzend hob ich meinen Blick und versank augenblicklich in den smaragdgrünen Untiefen, die mir glücklich entgegen funkelten.

„Hab ich dir heute eigentlich schon gesagt, wie schön du bist? Wie atemberaubend dieses Kleid zu dir passt, und wie sehr ich dich liebe?“, flüsterte Edward nah an meinem Ohr und leckte sanft über meinen Hals. Dann sah er mich eine wundervolle Ewigkeit einfach nur an, lächelte und lehnte seine Stirn an meine. „Happy Birthday, Baby“.

„Wenn du mich nur halb so sehr liebst, wie ich dich, machst du mich zur glücklichsten Frau der Welt“, erwiderte ich leise, umfasste mit meiner rechten Hand seinen Nacken und zog ihn zu mir. Zärtlich und sanft fanden unsere Lippen zu einander, während ein noch nie da gewesenes Glücksgefühl meinen ganzen Körper erwärmte.

Ich war mir vollkommen bewusst, dass noch einiges auf mich … auf UNS zukommen würde. Mit einem lachenden und einem weinenden Auge erwartete ich das, was es noch zu klären gab. Dennoch war ich mir darüber vollkommen im Klaren, dass mein Leben, mein Körper, mein Herz und meine Seele Edward gehörten. Ich wusste, dass ich ohne ihn nicht mehr sein konnte, so weh es mir auch tat, Carlisle verletzt zu haben. Zur Hölle, er hatte das nicht verdient. Er hatte MICH nicht verdient. Ich war eine gottverdammte Schlampe, aber ich würde für meine Fehler grade stehen und dafür büßen, wie auch immer, ich war dazu bereit.

So vieles war noch nicht geklärt. Ich hatte Angst vor dem Gespräch mit meinem Mann, dennoch fühlte ich mich geliebt und beschützt. Begehrt und endlich so, dass ich nun mit einem lachenden Auge in die Zukunft sah. Das Weinende hatte sich gerade geschlossen und begann, zu lächeln…

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