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Sonntag, 19. Februar 2012

(29) Tag der Wahrheit




CarlislePOV


'Ich wüsste nicht, was ich mit euch noch reden sollte'. Ernsthaft, Carlisle? Das war wirklich alles, was du zu dieser ganzen Scheiße zu sagen hattest? Was war ich doch für ein gottverdammter Schisser!

Es gab so vieles zu bereden, so unglaublich vieles, und ich wusste nichts Besseres, als in den ersten Stock zu stürmen und mich in meinem Arbeitszimmer zu vergraben? Gott, wie erbärmlich.

Seufzend und verflucht wütend auf mich selbst stieg ich über die nach wie vor original verpackten Teile des neuen Kingsize-Bettes und riss die Terrassentür auf. Ich brauchte Luft, zur Hölle, denn ich war kurz davor, zu ersticken.

Während ich die Arme auf das Geländer stützte und meinen Kopf zwischen die Schultern sinken ließ, ärgerte ich mich einmal mehr darüber, dass ich dieses beschissene Bett gekauft hatte. Wofür? Warum musste das unbedingt sein? Seit dem Tag der Hochzeit war mir bewusst, dass irgendetwas zwischen Bella und mir seltsam war, und doch erschien es mir so wichtig, meine Frau auf einer größeren, besseren und komfortableren Liegewiese zu verwöhnen. Wollte ich mir damit vielleicht selbst etwas beweisen?

Verdammt noch mal, meine Frau hatte noch vor der Hochzeit Sex mit meinem eigenen Sohn, und ich hatte es nicht bemerkt. War ich nun die ganze Zeit ein oberflächlicher Loser, oder Bella eine miese, hinterhältige, aber verflucht gute Schauspielerin? Was genau war mir die ganze Zeit entgangen, und warum zur Hölle hatte ich sie immer und immer wieder zu Edward geschickt?

„Carlisle? Stört es dich, wenn ich … darf ich bei dir sein?“. Esme war mir also gefolgt. Das ist gut, denn ich wollte momentan keinen von den anderen sehen.

„Nein, nein, schon in Ordnung“, sagte ich leise und drehte mich um. Traurig funkelten mir ihre schönen Augen entgegen, und ich zog sie seufzend an meine Brust. Ja, ich konnte es nicht leugnen, dass ich mich sehr wohl in ihrer Nähe fühlte. Dieses warme Gefühl der Geborgenheit, ich liebte es.

Die Liebe zu Bella war natürlich da, aber sie war … anders. Neben ihr war ich der 45jährige Hengst, der eine 28Jährige geheiratet hatte. Alle bewunderten mich wegen meiner heißen, jungen Frau. Wieviele Schulterklopfer hatte ich schon für sie kassiert, die ich mit einem stolzen Grinsen kommentierte. Oh ja, ich war stolz, aber sowas von. Natürlich liebte ich sie und war wahnsinnig glücklich am Tag unserer Hochzeit, aber damals, als ich Esme heiratete … es fühlte sich vollkommen anders an.

Die Scheidung von meiner Esme hatte auch bei mir tiefe Spuren hinterlassen. Sie war meine erste große Liebe und ich würde sie wohl bis in alle Ewigkeit lieben, aber es war eben zu wenig, um eine Ehe erfolgreich fortzuführen. Wir hatten uns auseinandergelebt, wie man so schön sagt. Zankereien waren an der Tagesordnung, ständig pissten wir uns gegenseitig so an, dass wir zerstritten zu Bett gingen und den nächsten Tag schweigend verbrachten. Ein Zusammenleben war genauso sinnlos wie eine Aufrechterhaltung unserer Ehe. Deshalb hatten wir uns für eine einvernehmliche Scheidung entschlossen, und jeder ging den Weg, den er für richtig hielt.

Ich war davon überzeugt, dass mein Weg mit Bella der richtige war, doch offensichtlich hatte ich mich getäuscht. Ich Vollidiot hatte sie tatsächlich in die Arme meines eigenen Sohnes getrieben, und das hatte ich nun davon.

„Carlisle? Wo bist du mit deinen Gedanken?“, hauchte Esme an meiner Brust, „Wenn ich dir irgendwie helfen kann, dann sag es mir. Ich würde alles für dich tun“.

Ich löste meine Umarmung, schob sie ein Stück von mir weg und starrte sie an. „Würdest du?“

„Ja, Carlisle. Weißt du, die letzte Nacht … sie war schön. Obwohl wir sie mit tiefgründigen und teilweise ärgerlichen und traurigen Gesprächen verbracht hatten, sie war schön. Diese Nähe zu dir, deine Stimme, deine bloße Anwesenheit...“. Plötzlich hörte sie auf zu sprechen, riss kurz die Augen auf, errötete und senkte verlegen den Blick. „Tut mir leid, ich wollte das nicht. Du bist ein verheirateter Mann, und ich ...“

„Shhh“, unterbrach ich sie, legte einen Finger unter ihr Kinn, und zwang sie so, mich anzusehen. „Liebes, ich … meine Ehe … ich denke, sie ist vorbei. Sieh dir doch Edward und Bella an, die beiden lieben sich, und ich fürchte, es ist meine Schuld. Nein, ich fürchte nicht, ich WEISS, dass ich viele Fehler gemacht habe, für die ich nun büßen muss. Trotzdem – es tut sehr weh, und ich kann nicht verstehen, warum mir Bella nichts gesagt hat. Oder Edward … keiner der beiden hatte den Mut oder das Vertrauen, mir ihre Liebe zu gestehen. Sogar Jasper hat mich maßlos enttäuscht. Es ist … ich weiß nicht, was ich tun oder sagen soll“. Seufzend schlang ich wieder die Arme um meine Ex-Frau und zog sie an mich. Mit geschlossenen Augen inhalierte ich ihren vertrauten, sinnlichen Duft und fühlte … Gott, was genau fühlte ich denn? Worauf lief das alles hier hinaus?

„Ich bin auch enttäuscht und wenn ich ehrlich bin – überfordert. Es ist so viel passiert in letzter Zeit, das verwirrt mich … so sehr“. Ich schaute meine Ex-Frau an und wunderte mich über dieses seltsame Funkeln in ihren Augen. In den vielen Jahren unserer Ehe hatte ich gelernt, in ihnen  zu lesen, doch dieses Mal konnte ich es nicht. Es war, als würde sie gerne weitersprechen. So, als ob ihr noch etwas auf der Zunge brennen würde, was sie eigentlich aussprechen möchte, den Mut dazu allerdings nicht fand. Gott, was war hier los? Ich war doch selbst schon so verwirrt.

Eines war mir allerdings klar. Ich war Esme unglaublich dankbar, dass sie hier war, sich um mich sorgte und meine Jammereien über sich ergehen ließ. Sie hatte selbst einiges mitgemacht mit diesem Arschloch von Italiener, und ich bewunderte die Kraft, die sie in sich trug.

„Danke“, hauchte ich leise und streichelte über ihre Wange, die errötete, kaum, dass ich sie berührt hatte.

„Wofür?“.

„Dafür, dass du für mich da bist. Das ist nicht selbstverständlich, weißt du?“.

„Doch, das ist es, Carlisle. Für mich schon. Du bist meine große Liebe. Warst es und wirst es auch immer bleiben. Auch, wenn du dein Leben mit einer anderen Frau verbringen wirst, ich bin jederzeit für dich da. Wenn du jemanden brauchst zum Reden – Anruf genügt und Esme steht vor der Tür“, sagte sie kichernd, doch ich spürte, wie aufgewühlt sie war. Dieses Kichern war ein Zeichen der Unsicherheit, und es kam mir so vor, als wäre ihr das, was sie soeben ausgesprochen hatte, furchtbar peinlich.

„So, aber nun lass uns wieder nach unten gehen. Du musst dich diesem Gespräch stellen, mein Lieber, es führt kein Weg daran vorbei“, lenkte sie plötzlich ab, drehte sich seufzend aus meiner Umarmung und packte mich an der Hand. „Los, komm“.

„Okay“, seufzte ich und folgte ihr mit einem unguten Kribbeln im Bauch ins Wohnzimmer, wo sich alle mittlerweile gesetzt hatten und auf uns warteten.

Ich stellte mich vor meine verräterischen Söhne und meine untreue Frau und schaute ihnen tief in die Augen, solange, bis jeder einzelne unseren Blickkontakt unterbrach. Nun – bis auf diese Alice, die konnte ja nichts dafür.

Ganz egal, ob Edward, Jasper oder Bella – keiner von ihnen hielt mir stand, das schlechte Gewissen fraß sie auf. Sehr gut.

Die vier saßen wie aufgefädelt auf der langen Bank an der Wand, also nahm ich gegenüber Platz und zog Esme an meine Seite. Verflucht, ich brauchte sie jetzt, denn allein würde ich vermutlich an diesem Gespräch zerbrechen.

„Nun, wer beginnt?“, fragte ich in die Runde und sah wieder von einem zum anderen, doch niemand ergriff das Wort. Minutenlang schwiegen wir uns an, die Stimmung war unerträglich und kühl.

„Carlisle, es … tut mir leid“, begann Bella nach gefühlten Stunden und begann zu weinen, was Edward dazu veranlasste, seinen Arm um ihre Schultern zu legen, um sie zu trösten. Diese Geste machte mich in diesem Moment so unglaublich wütend, dass ich ihn mit einem zornigen Blick bedachte, den er allerdings erwiderte. Verdammt, brach hier jetzt ein Machtkampf aus?

„Sieh mich nicht so an“, zischte mein Sohn, „Dad, es tut uns wahnsinnig leid, wie sich alles entwickelt hat, aber es ist nun mal passiert, und wir können es nicht ungeschehen machen. Entschuldige bitte, aber wenn Bella weint, werde ich sie trösten, ganz egal, ob du daneben sitzt oder nicht“. Woah, was für eine Rede. Er schien sie wirklich mehr zu lieben, als ich dachte.

„Wie du meinst“, erwiderte ich ganz ruhig, obwohl eine düstere Wut durch meinen Körper kroch. Esme schien diese Wut zu spüren, denn sie umfasste meine Hand und streichelte sie sanft, was natürlich wiederum Bella nicht entging. Sie wischte sich die ersten Tränen aus den Augen und starrte auf unsere Hände, die für alle gut sichtbar auf meinen Schenkeln lagen und sich liebkosten. Verdammt, genau so war es, und es machte mir nichts aus. Ganz im Gegenteil – es fühlte sich gut an, zur Hölle, so gut.

Ich wusste nun, dass Esme immer für mich da sein würde, und ich fühlte mich stark mit ihr an meiner Seite, also begann ich, ernsthaft dieses Gespräch in die Richtung zu bringen, in der ich es haben wollte, oder besser gesagt musste. Ich atmete einmal tief durch und legte los.

„Wann habt ihr … ich meine ...“, verflucht, ich war doch schwächer, als ich dachte. Esme streichelte wieder meine Hand, und ein großer Teil meines Mutes war wieder zurück. „Wann habt ihr euch verliebt? Wie und wann ist es passiert?“, fuhr ich also fort und hätte am liebsten das Atmen eingestellt.

„Diese eine Woche, Carlisle … du weißt schon … die du in New York verbringen musstest“, begann Bella leise zu erzählen, weinte jedoch nicht. „Du hast dir so sehr gewünscht, dass wir uns besser verstehen, deshalb haben wir viel Zeit miteinander verbracht, und naja … dann ist es eben passiert. Weder Edward noch ich konnten es irgendwie aufhalten, es ist verdammt noch mal einfach passiert“. Okay, nun weinte sie doch und Edward zog sie näher zu sich. Toll. Einfach fantastisch.

Natürlich – wenn sie weinte, würde er sie trösten, genau so hatte er es gesagt. Dennoch tat es irgendwie weh. Esme spürte offensichtlich, wie sehr ich mich verkrampfte, denn sie streichelte beruhigend meine Hand und drückte sie leicht.

„Okay, diese Woche also … und der erste … Sex?“. Ich schluckte hart, nachdem ich diese Frage nur stotternd über die Lippen gebracht hatte und  kurz die Augen zusammen kniff. Wollte ich die Antwort denn tatsächlich hören? Verdammt ja, ich musste. Es war nun an der Zeit, die Fakten auf den Tisch zu legen.

„Die Party…“, begann Bella, atmete ein paar Mal tief durch und machte den Eindruck, als würde sie jeden Moment ohnmächtig werden. Sie war verdammt blass und bekam schwer Luft. „Wir haben natürlich alle etwas getrunken. Edward wollte nicht mehr, dass ich mit dem Auto fahre und bot mir an, bei ihnen im Appartement die Nacht zu verbringen. Er … machte sich eben Sorgen und wollte nicht, dass mir etwas passiert, also nahm ich das Angebot an und …“

„…Und dann seid ihr über einander hergefallen“, schnaubte ich, schoss wütend hoch und rannte im Wohnzimmer hin und her.

„Nein, Herrgott noch mal, das sind wir nicht“, zischte Bella in meine Richtung und verfolgte mich mit einem wütenden Blick. „In der Nacht ist nichts passiert, es war schon Morgen, als … Himmel, Carlisle, warum willst du das alles wissen? Aus welchem Grund quälst du dich selbst mit diesen Details?“, schrie sie schon beinahe und war gerade dabei, ebenfalls aufzustehen, doch Edward umfasste ihre Taille und zog sie auf seinen Schoß. Oh yeah, genau DAS wollte ich sehen. Fuck, sie war immer noch MEINE Frau, und hatte auf seinen beschissenen Schenkeln nichts verloren.

Ich blieb ruckartig stehen, und wenn es tatsächlich die Möglichkeit gäbe, mit Blicken zu töten, so wäre ich in diesem Moment von Leichen umzingelt gewesen. Verdammt, was dachte ich da bloß? Immerhin waren das meine Söhne und meine Frau, die ich da gedanklich verrecken ließ, das konnte doch nicht sein.

Ich fuhr mit meinen Händen ein paar Mal übers Gesicht, holte tief Luft und versuchte, mich wieder zu beruhigen. Nach ein paar schweigsamen Minuten gelang mir das auch, also fuhr ich mit meiner Befragung fort. Ich wollte alles wissen – ALLES.

„Ist es bei diesem einen Mal geblieben?“, fragte ich nun, während ich mich erneut neben Esme setzte und sofort nach ihrer Hand suchte. Bella beäugte natürlich diese Vereinigung mit hochgezogener Augenbraue, und ab diesem Moment hatte ich das Gefühl, dass ein kalter Krieg zwischen uns allen ausgebrochen war.

„Was soll ich … Gott … nein, ist es nicht“, erwiderte Bella und senkte ihren Kopf. Die Traurigkeit und das Bedauern von vorhin vermischte sich plötzlich mit einer gar nicht so kleinen Portion Trotz und irritierte mich bis zu einem gewissen Grad. Warum reagierte sie so? Noch bevor ich diese Frage stellen konnte, lieferte sie mir die Antwort dazu.

„Verflucht, Carlisle, du hattest nie Zeit für mich. Die vielen Dienste … Ständig hast du mich zu Edward und Jasper geschickt, damit die beiden mich irgendwie unterhalten. Dann warst du endlich mal daheim, hattest allerdings keine Lust, mit mir noch etwas zu unternehmen und schicktest mich wieder allein zu dieser Party in meiner Firma…. Natürlich ist das alles kein Grund, dich gleich zu betrügen, aber zur Hölle, du hast es mir wirklich nicht besonders schwer gemacht,  mich der Versuchung zu ergeben“.

„Also auch auf dieser Party?“.

„Ja“. Fuck.

Wie viele vernichtende ‚Ja‘ könnte ich aus dem Mund dieser Frau – MEINER Frau – eigentlich noch ertragen? Wie oft hatten die beiden bereits Sex gehabt, bevor wir vor den Altar….

„Bella – sag mir bitte, warum hast du mich geheiratet? Warum genau hast du ‚Ja‘ gesagt, und verflucht, warum hast du so gezögert?“, sprach ich meine angedachte Frage aus. Erst als ich Esmes Hand fühlte, die sanft über meine streichelte, fiel mir auf, dass ich ein wenig zitterte und zu schwitzen begann.

„Das fragst du mich jetzt? Ernsthaft, Carlisle, JETZT fragst du mich, warum ich gezögert habe? Jeder Mann in deiner Situation hätte mich sofort darauf angesprochen, und nicht einen Monat später. Irgendwie hab ich das Gefühl, dass zwischen uns beiden von Anfang an etwas nicht stimmte, hab ich recht?“, fertigte sie mich ab und machte mir fast ein wenig Angst. Was genau sollte ich nun darauf antworten? Ich wusste es nicht.

„Lenk nicht ab, Bella. Warum hast du mir dein ‚Ja‘-Wort gegeben? Sag es mir, ich will es wissen“. Yeah, Angriff ist die beste Verteidigung.

Sie stand auf, rannte ein paar Sekunden wie aufgezogen im Wohnzimmer hin und her, blieb plötzlich stehen und funkelte mich verzweifelt an.
„Weil ich dachte, Edward würde mich nicht lieben und ich panische Angst vor dem Alleinsein hatte“, sagte sie leise, beendete diesen heftigen Satz mit einem Schluchzen, und dann knickten ihr die Beine weg. Edward sprang auf, hechtete mit einem Satz in ihre Richtung und hob sie sofort hoch. Liebevoll trug er sie zur Couch zurück, setzte sich wieder hin und drückte sie eng und zärtlich an seine Brust.

Mit weit aufgerissenen Augen verfolgte ich dieses Szenario, und auch, wenn ich ohnehin wusste, dass meine Ehe beendet war, so erschien es mir nun so klar wie noch nie. Ich hatte meine Frau an meinen Sohn verloren, und nichts würde diese Tatsache noch ändern.

Ich schloss die Augen, weil ich das, was ich sah, kaum noch ertragen konnte. Tief durchatmend fiel mir dann allerdings erst auf, was sie soeben gesagt hatte, also zwang ich meine Lider wieder nach oben und starrte sie an. „Was … wie meinst du das? Panische Angst vor dem Alleinsein? Wie soll ich das verstehen?“

Bella weinte heftig an Edwards Brust, und er streichelte sanft und mit einem äußerst besorgten Gesichtsausdruck über ihren Rücken. Alles, was aus ihrem Mund kam, war ein geschluchztes „Charlie“, doch das wars.

„Dad, ich denke nicht, dass Bella diese Frage momentan beantworten kann, also hoffe ich, dass du mit mir vorliebnimmst“, ergriff Edward das Wort und schaute mich vorsichtig und abwartend an. Ich nickte lediglich, und er fuhr fort.

„Bella hat dich geliebt, Dad, ohne Zweifel. Aber diese Liebe, sie war … anders. Ich will dich wirklich nicht verletzen, doch … fuck, wie soll ich das jetzt bloß sagen?“, begann er zu fluchen, löste eine Hand aus Bellas Umarmung und krallte seine Finger einen kurzen Moment in sein Haar.  „Okay…“, sprach er weiter, nachdem niemand von uns was sagte, „…für sie ist eine Welt zusammengebrochen, als sie ihren Dad verloren hat. Der Verlust war kaum zu ertragen und sie war kurz davor,  daran zu zerbrechen, bis sie …“.

„…mich gefunden hat“, führte ich mit einem kehligen Keuchen den Satz zu Ende und sackte vollkommen in mich zusammen.

Natürlich wusste ich, dass Bella auf eine sehr tragische Art und Weise ihren Vater verloren hatte, doch niemals hätte ich gedacht, dass es so dermaßen schlimm für sie war. Wir hatten kein einziges Mal so intensiv über dieses Thema gesprochen, aber warum war das so? Oh mein Gott, war ich tatsächlich nichts anderes als ein Vaterersatz für sie??

„Bitte … nein…“, schluchzte Bella und richtete sich ein bisschen auf, „…bitte denk jetzt nicht, dass ich dich nur geheiratet habe, weil du … verdammt, so war es nicht. Du bist ein wundervoller Mann, Carlisle, und ich habe dich wirklich geliebt. Ich fühlte mich so wahnsinnig wohl in deiner Nähe, es war so schön, von dir geliebt, begehrt, aber auch beschützt und umsorgt zu werden, aber dennoch – die Gefühle für Edward waren andere. Ich will … jetzt nichts beschönigen und dir die volle Wahrheit sagen. Carlisle…“, sie hörte plötzlich auf zu weinen und schaute mir dermaßen tief in die Augen, dass ich aufhörte zu atmen, „…hätte Edward mir kurz vor meinem Ja-Wort gesagt, dass er mich liebt, wäre es nie zu unserer Eheschließung gekommen. Deshalb das Zögern. Ich kann … es tut mir leid …“. Ihre Stimme wurde immer leiser und brach.

„Oh mein Gott“, flüsterte Esme entsetzt neben mir, umfasste meine Hand nun mit beiden Händen und streichelte beinahe hektisch daran herum. Schwallartig stieß ich die angehaltene Luft wieder aus, schloss meine Augen, öffnete sie wieder und sah in die entsetzten Gesichter all jener, die sich in diesem Raum befanden. Die Stimmung befand sich auf dem absoluten Nullpunkt, als Bella ein weiteres Mal aufschluchzte und weitersprach.

„Warum hast du mich niemals wegen meines Zögerns befragt, Carlisle? Warum?“

„Ich … weiß es nicht“, log ich. Natürlich wusste ich es, verdammt noch mal. Ich wollte sie einfach, ja, ich wollte sie. Ich fand sie gottverdammt schön, heiß, jung und begehrenswert, und verflucht – ich liebte sie. Aber … war diese Liebe die Gleiche wie die, die ich seinerzeit für Esme empfand?

Langsam und unaufhaltsam drehte sich mein Kopf nach links, und meine Augen suchten die der Frau, die neben mir saß. Die Wärme und innige Verbundenheit, die mir sofort entgegen strahlte, ließ sich mit nichts auf der Welt vergleichen. In diesem Moment konnte ich tief in ihr Inneres sehen, und wie ein Blitz traf mich die Erkenntnis, dass sie mich noch immer liebte.

Plötzlich sammelten sich Tränen in Esmes Augen, und sie lächelte mich an. Verzweifelt versuchte sie, dieses unerwünschte Nass wegzublinzeln, doch es gelang ihr nicht. Leise seufzend streichelte ich sanft mit meinem Daumen die Tränen weg und lächelte sie an. Flatternd senkten sich ihre Lider, und sie schmiegte sich in meine Hand. Zur Hölle, was war hier los?

Mein Kopf zuckte wieder nach rechts, und alles, was ich sehen konnte, waren vier äußerst verwirrte Gesichter, die mich mit weit aufgerissenen Augen anstarrten und Mühe hatten, die Situation zu erfassen.

Genau so wie ich.


BellaPOV


„Sie liebt ihn“, flüsterte ich Edward so leise ins Ohr, dass nur er es hören konnte.

„Und er liebt sie“, flüsterte er zurück, nachdem wir die Zärtlichkeiten beobachtet hatten, die sich soeben vor unseren Augen abgespielt hatten. Ein sanftes Lächeln umspielte Edwards Lippen, und auch ich musste mich beherrschen, um ein kleines Schmunzeln zu unterdrücken.

Verdammt, ich war so froh über das, was ich eben gesehen hatte, denn ich war davon überzeugt, dass Carlisle und Esme wieder zueinander finden würden, wenn wir die Scheidung hinter uns gebracht hatten. Oh mein Gott, natürlich. Die Scheidung. Das nächste heikle Thema, welches noch besprochen werden musste.

„Carlisle?“ Seine Augen zuckten in meine Richtung und er starrte mich an.
„Du … nun, ich denke …“, Mist, es fiel mir viel schwerer, als ich erwartet hatte. Ich wollte ihn doch nicht verletzten, aber es musste einfach sein. „Ich glaube nicht, dass unsere Ehe unter diesen Umständen noch eine Zukunft hat, also wäre es wohl am besten, wenn wir … uns … scheiden lassen würden. Ist das … in deinem Sinne?“, stotterte ich immer leiser werdend, während Edward sanft über meinen Rücken streichelte. Ich holte tief Luft, da ich das Gefühl hatte, ersticken zu müssen und sah meinem Mann fest in seine eiskalten Augen.

„Ja, das ist es wohl“. Unzählige Emotionen huschten über sein Gesicht. Von Traurigkeit und Schmerz, bis hin zu Liebe und Hass. Ich konnte ihm das Gefühlschaos förmlich ansehen, das in ihm tobte, und es tat mir so unendlich leid.

„Verzeih mir bitte“, hauchte ich leise und versuchte einmal mehr an diesem Tag, lästige Tränen zu verdrängen. Ich schaffte es schon wieder nicht.

„Shhh, Baby, alles wird gut“, flüsterte Edward, strich zärtlich die Tränen von meinen Wangen und drückte kurz, aber wahnsinnig zärtlich seine Lippen auf meine. Fehler.

„Könntest du bitte aufhören mit diesem Scheiß? Sie ist immer noch meine Frau, Herrgott noch mal, also hör gefälligst auf, sie vor mir zu küssen“, zischte Carlisle plötzlich gottverdammt wütend in Edwards Richtung und funkelte ihn zornig an.

„Ach, du darfst aber schon vor unserer Nase mit Mom diverse Zärtlichkeiten austauschen, oder wie?“, fauchte Edward zurück, und mein Herz pochte heftig gegen meine Brust. Die Stimmung im Wohnzimmer hatte sich verändert. Nun war es der pure Hass, der die Luft um uns knistern ließ, und das machte mir Angst.

„Dad, Edward, bitte … beruhigt euch doch“, schaltete Jazz sich nun ein, doch auch das war ein Fehler.

„Ach, mein lieber Sohn meldet sich auch einmal zu Wort?“. Carlisles Stimme triefte vor ausgesprochen bösem Sarkasmus, und er schaute ihn hasserfüllt an. „Wie lange wusstest du eigentlich schon von der Sache zwischen Edward und Bella?“. Mein Mann schloss kurz seine Augen, atmete tief durch, machte sie wieder auf und fuhr fort. „Kein Wort, Jasper, kein einziges, beschissenes Wort hast du zu mir gesagt. Findest du das fair?“

„Fuck, Dad, versetz dich bitte in meine Lage, ich hatte doch keine Wahl“, sagte Jazz ruhig und besonnen. Seine Körpersprache sagte allerdings etwas vollkommen anderes. Er war angespannt und sichtlich nervös, als er sich ein wenig nach vorne beugte, die Ellenbogen auf seine Schenkel stützte und sich ein paar Mal über das Gesicht fuhr. „Was hätte ich denn deiner Meinung nach machen sollen?“ (Beta-A/N: Schatzi, wenn sie zu gemein werden, komm zu mir. Ich hab noch Platz.)

„Wie wäre es damit gewesen, mir die Wahrheit zu sagen?“. Carlisle lehnte sich zurück, verschränkte die Arme vor der Brust und bedachte seinen Sohn mit einem dermaßen kalten Blick, dass mir ein Schauer den Rücken runter rieselte.

„Das konnte ich nicht. Versteh mich doch … das war eine Angelegenheit zwischen Edward und Bella. Es war einzig und allein ihre Sache, ob sie mit dir darüber sprechen würden oder nicht, das ging mich nichts an. Und außerdem – bitte verzeih – ich liebe meinen Bruder, und…“

„Ach, und mich liebst du nicht?“, schrie Carlisle plötzlich auf, erhob sich mit einem Ruck und begann, rasend durchs Wohnzimmer zu laufen. Immer wieder wischte er sich fahrig über das Gesicht, fuhr ständig durch sein ohnehin schon sehr chaotisches Haar und regte sich furchtbar auf.

„Natürlich liebe ich dich, das weißt du doch, verdammt noch mal“, brüllte Jazz zurück, und irgendwie schien das alles hier zu eskalieren.

„Hey, Baby, beruhige dich“, murmelte Alice mit zittriger Stimme, legte einen Arm um die Schultern ihres Liebsten und zog ihn zu sich. Dann schlang sie beide Arme um seinen Oberkörper, hielt ihn regelrecht fest und küsste sanft seinen Hals. (Beta-A/N: Boah. STOPP!!! WAS.MACHT.SIE?? *bösguck*  Ich hab mich gerade verlesen, oder?)

Esme saß mit weit aufgerissenen Augen auf der Couch. Ihr Kopf flog zwischen Carlisle und Jazz hin und her, doch dann stand sie auf, folgte ihrem Ex-Mann, packte ihn resolut an der Hand und brachte ihn dazu, endlich stehen zu bleiben.

„Hör auf damit“, sagte sie leise, „Hör auf und sieh mich an“. Mit einem tiefen Knurren tat er, was sie wollte und starrte auf sie nieder. „Bitte – es bringt uns allen nichts, wenn ihr euch nun gegenseitig mit Vorwürfen erschlägt. Diese Situation ist furchtbar, für alle von uns, aber irgendwie müssen wir damit klar kommen. Und bitte, Carlisle…“, sie zwang sich ein unechtes Lächeln ins Gesicht und sah ihn verzweifelt an, „…denk einmal nach. Hättest du an Jaspers Stelle anders gehandelt? Wärst du denn zu deinem Vater gerannt und hättest deinen Bruder verpetzt wie ein kleines Kind? Sei doch mal ehrlich, mein Lieber, niemand würde das tun“.

Edward beugte sich ein Stück nach vorn, sah an mir vorbei, suchte den Blick seines Bruders und fand ihn auch. „Tut mir leid“, sagte mein Liebster leise und seufzte tief. „Ich wollte nicht, dass du diese Schwierigkeiten bekommst“.

„Vergiss es, ich hab dir doch schon gesagt, dass du dir diesbezüglich keine Gedanken machen musst. ICH hab mich für diesen Weg entschieden, und sonst keiner, okay?“. Ein kleines Lächeln huschte über Jaspers Gesicht, welches Edward sofort glücklich erwiderte.

„Schön, dass ihr euch so gut versteht. Es freut mich sehr, euch lächeln zu sehen“, fauchte Carlisle, nachdem er diese kurze brüderliche Debatte beobachtet hatte. „Ach, wisst ihr was? Mich interessiert dieser Scheiß hier nicht mehr“. Wild mit seinen Händen gestikulierend löste er sich aus Esmes Umarmung und zeigte mit dem Finger auf mich.

„Du!“.

Ich erschrak fürchterlich, zuckte zusammen, holte tief Luft und stellte das Atmen ein.

„Wenn du die Scheidung haben willst – bitte. Ich denke doch, dass wir keine Anwälte dafür brauchen, um unsere einmonatige Verbindung zu lösen“, spuckte er förmlich in meine Richtung, und ich stieß die angehaltene Luft schwallartig aus.

„Das denke ich auch“, erwiderte ich leise und senkte meinen Blick. Ich fühlte mich gottverdammt schlecht, denn ich war eine verfluchte Schlampe, und sonst nichts.

„Edward“. Nun zuckte Carlisles Blick zu seinem Sohn, der sich total verkrampfte, in dem Moment, in welchem sein Name über die Lippen seines Vaters gekommen war. Mein Mann seufzte tief, fuhr sich wieder einmal grob über das Gesicht und fuhr fort. „Ich weiß irgendwie nicht mehr, was ich denken oder fühlen soll. Aber auf eine seltsame Art und Weise fühle ich mich schuldig. Schuldig, weil ich Bella förmlich in deine Arme getrieben habe und schuldig, weil ich sie niemals hätte heiraten dürfen. Es … verflucht, es war ein Fehler, das ist mir nun klar. Dennoch hast du mich schrecklich enttäuscht, und ich weiß nicht, ob ich dir jemals verzeihen kann. Vielleicht kann ich dir eines Tages vergeben, aber vergessen – ganz sicher nicht. Auch Jasper…“, nun zuckte Carlisles Kopf zu Jazz, der seinem Vater starr in die Augen blickte und hörte, was er nun zu sagen hatte.

„… ich weiß nicht, was ich davon halten soll. Du hast dich eindeutig auf die Seite deines Bruders gestellt, während ich mich hintergangen fühle. Belogen von meinen Söhnen, betrogen von meiner Frau. Fantastisch, wirklich großartig“, murmelte er nun vor sich hin und lachte sarkastisch auf.

„Bella…“, okay, nun war ich wieder dran. „Pack deine Sachen, nimm mit, was dir gehört und geh mir aus den Augen, ich will dich nicht mehr sehen. Edward, Jasper, für euch gilt das Gleiche. Lasst mich einfach in Ruhe und haut ab. Ich habe keine Söhne mehr“, sagte er nun ganz ruhig, schaute einem nach dem anderen todernst in die Augen, drehte sich um ging.

Langsam und vollkommen gebrochen schlich er die Treppen nach oben, und alles, was wir noch hörten, war das laute Schlagen einer Tür.

„Fuck“, fluchte Edward nach etlichen Minuten bedrückender Stille und zerriss sie somit. „Fuck, fuck, fuck“.

„Du sagst es“, vermeldete Jazz und drückte Alice an seine Brust. Diese flüsterte ein leises „Scheiße“ und kuschelte sich an ihn.

Ich starrte einfach mit weit aufgerissenen Augen Löcher in die Luft, konnte nicht fassen, was hier gerade vor sich gegangen war. Carlisle hasste uns. Er hatte uns soeben aus seinem Leben verbannt, wollte nichts mehr mit uns zu tun haben, verdammt.

In mir machte sich eine Leere breit, die ich bis dahin noch nie gefühlt hatte. Das Atmen fiel mir schwer, und alles begann sich zu drehen. Kalter Schweiß drückte sich aus meinen Poren, und ich zitterte wie Espenlaub, als ich einen plötzlichen Druck auf meinem Brustkorb spürte, der mich zu ersticken schien. Ich hatte diese Familie zerstört, ich ganz allein. Mit  meiner unstillbaren Gier nach Edward hatte ich Carlisle kaputt gemacht, und wegen dieser verfluchten Sehnsucht nach Charlie … Gott, was hatte ich getan?

„Baby, alles in Ordnung?“, fragte mich Edward und schaute mir besorgt ins Gesicht. Obwohl ich ihn direkt anschaute, hatte ich das Gefühl, als wäre er nicht da. Ich sah durch ihn hindurch und fühlte, wie meine Augen nach hinten rollten, während Sturzbäche von Tränen aus ihnen quollen. „Bella? Was ist mit dir?“, schrie er nun beinahe und begann mich zu schütteln, als ich röchelnd nach Luft rang und den Bezug zur Realität verlor.

„Sie hat eine Panikattacke“, hörte ich Esme weit, weit entfernt, als meine Lider nach unten klappten und mich eine samtige, schwarze Masse umhüllte und kurz darauf verschlang. Die SCHULD.


EdwardPOV


„Verflucht, Mom, tu doch was!!“, brüllte ich sie an. Voller Panik starrte ich auf mein Mädchen, die totenbleich und ohnmächtig auf der Couch lag und keinen Mucks von sich gab. Alice und Jazz waren sofort aufgesprungen, um Bella Platz zu machen, also legte ich sie flach auf die Bank und hatte nur noch panische Angst.

„Vielleicht sollten wir Dad…“, begann Jazz.

„NEIN!!“, stoppte ich ihn. „Sie ist bewusstlos, aber sie wird schon wieder, oder, Mom?“ Ich riss meinen Kopf in die Richtung meiner Mutter, die mich verzweifelt anschaute und mit den Schultern zuckte. „ODER??“, schrie ich sie an, entschuldigte mich aber gleich hinterher.

Sie nahm die Entschuldigung mit einem traurigen Lächeln an, rannte jedoch sofort ins Bad und kam mit einem kühlen, nassen Lappen wieder zurück. Den drückte sie mir in die Hand, deutete mit dem Kopf auf Bella, und ich wusste, was ich zu tun hatte.

Ich kniete mich neben mein bewusstloses Mädchen und begann, mit dem feuchten Ding ihre Stirn abzutupfen. „Komm schon, Baby, mach deine wunderschönen Augen auf. Ich liebe und brauche dich so sehr“, redete ich auf sie ein. „Bella, bitte, sieh mich an“. Verzweifelt wischte ich immer wieder über ihr Gesicht, klatschte mit meiner flachen Hand sanft gegen ihre Wange und legte meine Lippen auf ihre. „Ich liebe dich, Baby, bitte komm wieder zurück“. Fuck, am liebsten hätte ich geheult, aber ich verkniff es mir. Ich musste stark sein. Für meine Bella.

„Oh mein Gott…“, hörte ich Mom plötzlich hinter mir flüstern, und während ich unaufhörlich mit dem Lappen vorsichtig über Bellas Gesicht wischte, schaute ich zu ihr. „Du liebst sie…“, keuchte meine Mutter und schüttelte ganz leicht den Kopf. „…Sehr“.

„Ja, Mom, das tue ich“. Ich drückte meiner Süßen einen Kuss auf den Mund, tätschelte wieder einmal ihre Wange, hob sie dann einfach hoch und zog sie auf meinen Schoß. „Es tut mir so leid wegen Dad, und ich fühle mich furchtbar schlecht, aber ich liebe Bella über alles. Schon so lang“. Seufzend drückte ich sie fest an mich, wiegte sie sanft hin und her und atmete erleichtert auf, als sie plötzlich tief Luft holte und erschöpft in meine Arme sank.

„Hey, schöne Frau. Wieder da?“, sagte ich leise und hauchte mit meinen Lippen über ihre. Sie sagte kein Wort, antwortete allerdings mit einem Nicken. Völlig entkräftet und schwach hing sie in meinen Armen, und ich wusste, dass es nun das Beste wäre, dieses Haus zu verlassen.

„Bring sie nach Hause“, sprach Mom mit einem seltsamen Ton in der Stimme meine Gedanken aus. „Wo immer das auch ist, auf alle Fälle nicht mehr hier“. Sie seufzte tief und schaute mich traurig an. „Packt das Nötigste zusammen und holt den Rest ein anderes Mal. Ich werde mit Carlisle sprechen, macht euch keine allzu großen Sorgen“.

„Danke, Mom“, sagte ich leise und lächelte sie vorsichtig an. Auch Jazz murmelte ein leises „Danke“, bewegte sich fast ein wenig schüchtern auf sie zu und schlang seine Arme um ihren Oberkörper, doch sie erwiderte die Umarmung nicht.

„Ihr habt eurem Vater sehr weh getan, und ich habe keine Ahnung, wie lange es dauern wird, bis er euch wieder in die Augen sehen kann“, sagte sie zutiefst enttäuscht, nachdem sie sich aus Jaspers Umarmung gelöst hatte. Unmittelbar darauf breitete sich eine erdrückende Stille über das Wohnzimmer aus. Keiner von uns sprach auch nur ein einziges Wort, und ich bekam kaum noch Luft.

„Jazz, hilfst du mir beim Packen?“. Ich flehte ihn mit meinen Augen an, mir zu helfen. Nichts erschien mir in diesem Moment wichtiger, als diesen Raum zu verlassen, und mein Bruder spielte Gott sei Dank mit. Erleichtert setzte ich meine Süße sanft neben mich auf die Couch und stand auf. Ich nahm sie an der Hand und zog sie ebenfalls hoch, doch sofort knickten ihr die Beine weg, und sie sank wieder ins weiche Leder zurück. Fuck, mein Mädchen war total am Ende und hatte nicht die Kraft, in den ersten Stock zu gehen, um wenigstens das Wichtigste mitzunehmen, also beschloss ich, sie hier bei Mom zu lassen. Für ein paar Minuten würde das schon klappen, so hoffte ich doch.

„Warte hier, Liebes. Wir sind sofort wieder da, in Ordnung? Ruh dich ein wenig aus, ich beeile mich“. Sie schenkte mir ein trauriges Lächeln, nickte und hauchte ein leises „Okay“. Ich war mir ziemlich sicher, dass Dad sich in seinem Arbeitszimmer verbarrikadiert hatte, wir somit ohne Probleme in das Zimmer konnten, in welchem sich Bellas Sachen befanden. Also drückte ich ihr einen sanften Kuss auf den Mund, und wir machten uns auf den Weg.

„Wartet, ich komme mit. Glaubt mir, ihr werdet eine Frau brauchen, um das Wichtigste zu erwischen“, murmelte Alice und lief hinter uns her. Jazz lächelte sie an, reichte ihr die Hand und nach einem letzten Blick auf meine Liebste liefen wir die Treppe hinauf.


BellaPOV


Was war bloß mit mir passiert? Diese Ohnmacht … was sollte dieser Scheiß? Ja, natürlich, die Schuld hatte mich in ihren eiskalten Fängen, quälte mich, drohte, mich zu zerstören, doch sie schaffte es nicht. Die schönste, sanfteste und liebevollste Stimme dieser Welt holte mich zurück und entriss mich den widerlichen Klauen dieser alles verzehrenden Masse.

Edward … der Preis war hoch, den ich für seine Liebe bezahlen musste. Den wir alle bezahlen mussten, aber zur Hölle, er war es wert. Mein Herz schmerzte bei dem Gedanken, dass ich schuld daran war, weil die Familie Cullen zerrissen war, aber verflucht noch mal, ich liebte ihn so sehr. Er war der Eine für mich, und ich könnte mich nach wie vor dafür in die Hölle verbannen, weil ich das so lange nicht erkannt hatte. So lange…

„Er liebt Sie sehr“, hörte ich plötzlich leise und sanft neben mir. Ich öffnete zaghaft meine Augen, die ich wohl geschlossen hatte und schaute in Esmes trauriges Gesicht.

„Was?“, fragte ich verwirrt, da ich nicht wusste, von wem sie jetzt sprach. Ich betete zu Gott, dass sie nicht Carlisle meinte…

„Edward. Er liebt Sie so sehr. Ich kenne meinen Sohn, weiß, wie er denkt und was er fühlt. Seine Augen … sie sagen alles“.

Oh danke, Gott sei Dank!!

„Und ich liebe ihn“, erwiderte ich zaghaft, weil ich einfach nicht wusste, wohin dieses Gespräch führen sollte.

„Isabella…“, ihr Blick wurde plötzlich unergründlich und tief, „…warum haben Sie Carlisle geheiratet? Sagen Sie mir nur einen Grund, damit ich das alles hier verstehen kann. Ich bin so verwirrt und konnte Ihnen vorhin nicht ganz folgen. Bitte – erklären Sie es mir“.

Ich schwieg.

„Bitte - Sprechen Sie mit mir“. Gott verdammt, was sollte ich nun sagen? Dass ich eine psychische Macke hatte? Dass ich ein Schisser war und Angst hatte, allein zu sein? Ja, warum eigentlich nicht? Heute war doch der Tag der Wahrheit, also blieb ich dabei. Zwar hatte ich vorhin bereits erklärt, warum ich dieses ‚Ja‘ ausgesprochen hatte, aber bitte – offensichtlich war es nicht genug.

„Ich hatte Angst, Mrs. Cullen“, folgte ich also meinen Gedanken und setzte mich auf. „Unmittelbar, bevor ich Carlisle mein Ja-Wort gab, suchte ich Edwards Augen. Ich wünschte mir so sehr, dass er mir sagte, wie sehr er mich liebte. Schon damals hätte ich alles dafür gegeben, die Frau an der Seite Ihres Sohnes zu sein, doch er … senkte den Kopf, schüttelte ihn leicht und rammte mir einen Dolch ins Herz“. Zum gefühlten tausendsten Mal quollen Tränen aus meinen Augen, doch ich holte tief Luft und fuhr fort.

„Mein Dad … Charlie … er bedeutete alles für mich. Ich liebte ihn so sehr, und nach seinem Tod starb auch ich jeden Tag ein Stückchen mehr. Diese schreckliche Einsamkeit, ich konnte sie nicht ertragen. Bis ich Carlisle traf.

Er gab mir all das zurück, was ich so sehr vermisste. Schutz, Geborgenheit, diese Wärme, die mich wieder ins Leben zurückbrachte, und natürlich auch Liebe. Bitte glauben Sie mir, Mrs. Cullen, ich habe Carlisle geliebt, aber diese Gefühle … sie waren anders.“ Sie hörte mir aufmerksam zu und unterbrach mich kein einziges Mal.

Ich bildete mir sogar ein, so etwas wie Mitleid und Verständnis in ihren Augen zu sehen, also wischte ich mir die Tränen aus dem Gesicht und erzählte weiter.

„Und dann … die Hochzeit. Edward wollte mich offensichtlich nicht, und dann wurde mir bewusst, dass ich wieder vollkommen allein wäre auf dieser trostlosen Welt, wenn ich zu Carlisle nein sagen würde, und es war beinahe so, als würde ich dem Tod ins Auge sehen. Ich konnte den Gedanken, wieder in die Einsamkeit abzudriften, nicht ertragen, also sagte ich Ja.

Verdammt, ich weiß, dass ich das niemals hätte tun dürfen, und es ist mir vollkommen bewusst, dass ich in diesem Moment einen riesen Fehler gemacht habe, aber ich kann es nun nicht mehr ändern. Es tut mir so leid“. Bitterlich weinend sackte ich zusammen. Vollkommen verzweifelt schlang ich meine Arme um mich selbst, weil dieses Gefühl, allein zu sein, mich wieder kaum atmen ließ.

Doch plötzlich zuckten mir Bilder durch den Kopf. Jene Bilder, die eindeutig sagten, dass Esme Carlisle noch liebte, und vermutlich auch umgekehrt.

„Mrs. Cullen, darf ich …“, ich schluchzte auf und schaute sie an. „Darf ich Sie etwas fragen?“ Sie runzelte leicht verwirrt die Stirn und nickte.

„Lieben Sie Carlisle noch?“.

Sie riss ganz kurz die Augen auf, verengte sie dann zu Schlitzen, und ihre Lippen teilten sich, als …

„So, Liebes, wir sind fertig. Alice hat ganze Arbeit geleistet, ich denke, wir haben fürs Erste alles, was du brauchst. Komm, lass uns gehen“. Fuck, so sehr ich Edward liebte, so sehr wünschte ich mir in diesem Moment, er hätte noch ein paar Minuten länger gebraucht.

Als wäre er furchtbar gestresst, kam mein Liebster raschen Schrittes auf mich zu, packte mich an der Hand, zog mich hoch und schlang sofort einen Arm stützend um meine Taille.

„Danke für alles, Mom“, sagte er leise und sah seine Mutter traurig an. „Wir werden euch die Zeit geben, die ihr braucht, vor allem Dad.“ Dann zog er mich hastig zur Tür, während sich Jazz und Alice auch noch von Esme verabschiedeten und uns folgten.

Mein Kopf zuckte zurück, und ich suchte Esmes Blick. Sie sah mich an, doch ich konnte in ihren Augen nicht lesen, was sie mir sagen wollte. Liebte sie ihn oder nicht? Würde ich das jemals erfahren? Hätte sie es mir denn überhaupt gesagt? Natürlich konnten wir es sehen und auch fühlen, aber zur Hölle - ich wollte es HÖREN. Aus ihrem Mund.

Sie seufzte und senkte ihren Kopf.

„Komm, Baby, lass uns gehen. Wir gehören nicht hier her. Nicht mehr“, sagte Edward leise, hauchte einen Kuss auf meinen Mund, und wir verließen das Haus.

Wortlos stiegen wir in die Autos und fuhren los.

Dorthin, wo mein Edward war.

Dorthin, wo ich immer sein wollte.

Dorthin, wo mein Herz schon die längste Zeit wohnte.

Nach Hause…

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